The US Has Good Reason To Mistrust Us

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Verbündete auszuspionieren, ist nicht recht. Doch in der Empörung fragen wir nicht, ob der Argwohn der USA seine Berechtigung hat. Sie können sich der deutschen Freunde nicht immer sicher sein.

Deutschland und Europa sind empört: Die USA spionieren uns aus. Nur wenige Staaten, zum Beispiel der Iran und Pakistan, werden von den amerikanischen Sicherheitsdiensten intensiver beobachtet als Deutschland.

Ist unser Land in den Augen der USA so etwas wie ein Schurkenstaat? Freunden, Verbündeten, Partnern gegenüber verhalte man sich nicht so, hallt es fast unisono in Deutschland. Ja, das Vorgehen der USA ist höchst problematisch. Freiheit und Sicherheit dürfen einander nicht ausschließen. Das ist die unumstößliche Norm der Demokratie an sich. Doch braucht die älteste Demokratie der Welt deutsche Nachhilfe?

Bitte mehr Bescheidenheit, liebe Landsleute. Auch Dankbarkeit. Ohne die USA gäbe es keine bundesdeutsche und demokratische Republik. Ohne die USA wäre Hitler nicht besiegt worden, und ohne die USA wären wir nach 1949 zwar nicht tot, aber rot und nach 1989 nicht wiedervereinigt worden.

Man bedenke bitte zudem, dass Amerika, wie Israel, als globale Terrorzielscheibe Nummer eins Sicherheit größer schreibt als wir – und dass auch wir von dieser Sicherheitsorientierung profitieren.

Enttäuscht von den Deutschen

Oder wollen wir den Kuchen gleichzeitig bewahren und ihn essen? Das US-Misstrauen ist weder rechtens noch richtig. Ist es berechtigt? Ist es Ergebnis jahrzehntelanger Enttäuschungen über West-Europa sowie besonders über Deutschland?

Wirkliche westdeutsch-amerikanische Freundschaft gab es in den Jahren 1948 bis 1963. Ihren Anfang markierten die menschliche Besatzungspolitik, Care-Pakete und 1948/49 die aufopferungsvolle US-Luftbrücke ins sowjetische blockierte West-Berlin. Höhe-, Wende- und Endpunkt dieser deutsch-amerikanischen Herzens-und-Seelen-Freundschaft war der Kennedybesuch im Juni 1963.

Seit der Eskalation des Vietnamkrieges unter US-Präsident Lyndon B. Johnson (Sommer 1964) wurde aus der einstigen Liebes- eine Vernunftbindung. Die USA blieben Schutzmacht westdeutscher und westeuropäischer Freiheit.

Uneigennützig war das nicht, denn auf diese Weise hatten die USA einen Kontinentalpuffer zu ihrer Ostküste, und ein Krieg hätte zunächst auf europäischem, nicht US-Territorium stattgefunden. Er fand nicht statt, weil die USA sich selbst und uns durch Abschreckung schützten.

Undankbare Europäer, undankbare Deutsche

Gedankt hat es ihnen die europäische und deutsche Öffentlichkeit seit Mitte der 1960er Jahre nicht. Die dauerhafte Distanz zu den USA spiegelt sich auf der gesellschaftlichen Ebene seitdem deutlich in Umfragen wieder.

“Die” Deutschen liebten Gorbi und verabscheuten Ronald Reagan, auch Bush Vater. Beiden hatten sie viel zu verdanken: die Ouvertüre und Vollendung der Wiedervereinigung. Bush junior hassen sie geradezu. Obama verehrten sie auf Vorschuss blind als Quasi-Messias, jetzt ist auch er Beelzebub.

Amerika-Kritik, ja, Antiamerikanismus, gehört längst auch in feiner Gesellschaft zum “guten Ton”. Die Klischees sind bekannt, einige seien benannt: Hire and fire, miese Sozialpolitik, verheerendes Gesundheitssystem, Medienmist, Politik als Schau ohne Substanz.

Feindliche Dummheiten und Verschwörungsfantasien

Jenseits der Umfragen gibt es seit knapp 50 Jahren feindliche Dummheiten: “USA-SA-SS”. Diese Ungeheuerlichkeit wurde um 1968 aus Frankreich importiert. Sie war ein beliebter “Schlachtruf” der neulinken 68er, wenn sie Steine werfend gen Amerika-Häuser zogen und US-Flaggen verbrannten.

Aus dem Volk der beschützten Deutschen mussten die beschützenden Amerikaner seit den 1970er Jahren immer häufiger mit terroristischen Anschlägen rechnen. US-Einrichtungen in Deutschland gleichen seitdem, wie israelische und jüdische, Hochsicherheitsanlagen.

Schließlich kam, von deutschen “Sicherheits”behörden unbemerkt, der Kern der Massenmörder des Attentats vom 11. September 2001 aus der Hamburger Terrorzelle.

Andreas von Bülow (SPD), ehemals Staatssekretär der Verteidigung und Bundesminister für Forschung und Technologie unter Helmut Schmidt, nennt die Schuldigen: Die Terroranschläge vom 11. September 2001 seien von der US-Regierung geplant und von CIA sowie dem israelischen Mossad ausgeführt worden. Haben die USA und Israel auch spätere Dschihad-Touristen aus Deutschland und Westeuropa mobilisiert?

Jene sicherheitsdefizitären Liebesbekundungen Deutschlands und Europas sollten Politik, Medien und Gesellschaft der USA nicht wahrgenommen haben? Haben wir erwartet, dass sie uns oder gar den bei uns aufgewachsenen Terroristen die zweite Wange hinhalten und bezüglich ihrer Sicherheit mehr als sich selbst uns vertrauen?

Schwierige Bündnispartner

Schauen wir auf die Regierungsebene. Die Ostpolitik von Willy Brandt (SPD) und Walter Scheel (FDP) befürwortete die Nixon-Administration im Prinzip. Sie misstraute jedoch besonders dem Brandt-Vertrauten Bahr. Sie fürchtete, er, und in seinem Gefolge Westdeutschland, strebe über die Entspannung eine Entkoppelung der Bundesrepublik vom Westen an.

Als die USA im Oktoberkrieg 1973 auch aus der Bundesrepublik lebensrettende Waffen nach Israel transportieren wollten, widersetzte sich die Regierung Brandt/Scheel. Sie wollte den USA verbieten, ihre eigenen Waffen aus Deutschland zu verlegen und kassierte von Henry Kissinger den Vorwurf mangelhafter Bündnistreue.

Helmut Schmidts Schelte für Jimmy Carter

Das Veto Bonns kam genau zu dem Zeitpunkt, als Washington eine atomare Konfrontation mit der Sowjetunion befürchtete. Kanzler Helmut Schmidt (SPD) ließ keine Gelegenheit aus, um US-Präsident Jimmy Carter nicht nur wirtschaftspolitisch zu schelten und bloßzustellen. Im Herbst 1980, kurz vor den Bundestagswahlen, drohte der islamistische Iran, die Straße von Hormuz für Ölexporte zu sperren.

Carter wollte das durch eine nicht schießende internationale Flotte verhindern und bat um Hilfe. Der Kanzler verweigerte sie rüde und weltöffentlich.

Kanzler Kohl (CDU) ist Bush senior bis heute dankbar, dass er nach dem Fall der Mauer die Wiedervereinigung förderte. Aber im Golfkrieg ließ er Anfang 1991 die USA im Stich.

Nach dem 11. September 2001 gelobte Kanzler Gerhard Schröder gegenüber den USA “uneingeschränkte Solidarität”. Bald danach steuert er mit seinem Freund Putin, dem “lupenreinen Demokraten”, und Frankreichs Präsidenten Chirac nicht nur im Irakkrieg einen Anti-US-Kurs.

“Abhören von Freunden, das geht gar nicht”, erklärt jetzt der Sprecher von Kanzlerin Merkel. Sie ist eine echte Freundin der USA. Wer noch in Deutschland und Kontinental-Westeuropa? Ergeben eine Merkel und ein Cameron deutsch-europäisch-amerikanische Freundschaft? Rechtens handelten die USA nicht. Ist ihr Handeln berechtigt? Und wenn nicht berechtigt, so doch verständlich…?

Michael Wolffsohn ist Historiker an der Bundeswehruniversität München und Autor der Bücher “Wem gehört das Heilige Land?” und “Juden und Christen”

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