The Alliance Must Rethink

<--

Das US-geführte Bündnis wird die Terrormiliz des IS nur dann zurückdrängen können, wenn es sein militärisches Vorgehen politisch und wirtschaftlich ergänzt. Der Leitartikel.

Die US-geführte Allianz kann den Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ nicht stoppen. Zwar versichern die Regierungen in Washington und Bagdad, sie würden den IS schon bald wieder aus Ramadi vertreiben. Doch das glauben nur wenige. Tausende flüchteten dieser Tage aus der westirakischen Stadt aus Angst vor den IS-Gräuel und vor den bevorstehenden Kämpfen. Beides erinnert an die kurdische Stadt Kobane, die nach der Rückeroberung fast völlig zerstört war.

Geflohen sind sie aber auch, weil sie den Versprechen der Politiker und der Militärs nicht glauben. Denn die Niederlage der Armee in Ramadi ist ein Rückschlag für die USA und den Irak. Seit Monaten bombardieren die US-Luftwaffe und ihre Verbündeten IS-Stellungen im Irak. Trotzdem konnten die Dschihadisten nach einer nur wenige Tage dauernden Offensive die strategisch wichtige Provinzhauptstadt einnehmen und ihre schwarze Flagge auf allen Regierungsgebäuden hissen.

Ähnliches gilt für die syrische Stadt Palmyra, die die Islamisten ebenfalls einnahmen und damit nicht nur eine weitere bedeutende historische Stätte, sondern nun etwa die Hälfte des Bürgerkriegslandes Syrien beherrschen. Nimmt man die Regionen hinzu, die der IS im Irak kontrolliert, wird deutlich: Die Islamisten haben trotz der Angriffe ihrer Gegner ihre Machtbasis erheblich ausbauen können.

Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass die Kämpfe noch lange dauern und noch viele Menschen auf beiden Seiten sterben werden. Von Anfang an war klar: Mit militärischen Mitteln alleine lässt sich eine Aufstandsbewegung nicht aufhalten. Dies ist eine Lehre aus anderen Einsätzen wie in Afghanistan. Am Hindukusch hieß es Anfangs auch, das internationale Bündnis werde die Taliban schon bald militärisch besiegen. Viel zu viele tote Soldaten und Zivilisten später ist aber klar geworden, dass es in Afghanistan Fortschritte erst gab, als die internationale Allianz gemeinsam mit Afghanen staatliche, politische und ökonomische Strukturen aufbaute. Diese Resultate sind nach wie vor gefährdet, viele halten sie gemessen an dem immensen Einsatz der Mittel für zu gering. Dennoch wird deutlich: Das US-geführte Bündnis wird den IS nur dann zurückdrängen können, wenn es sein militärisches Vorgehen politisch und wirtschaftlich ergänzt.

Dreiteilung des Irak

Schließlich fußt ein Teil des Erfolgs der Islamisten auf den Fehlern der heutigen Gegner. Die US-Amerikaner haben nach dem Sieg über das Regime von Saddam Hussein gezeigt, dass sie keine Spezialisten für den Aufbau eines Staates sind. Sie haben es nicht vermocht, mit Irakern zusammen in Bagdad eine Regierung zu schaffen, in der Sunniten, Schiiten und Kurden gemeinsam über die Geschicke des Landes bestimmen. Stattdessen sicherten sich die Schiiten mehr Macht in Bagdad und schränkten den Einfluss der Sunniten ein. Viele Sunniten unterstützen nun den radikalsunnitischen IS.

Die Islamisten ihrerseits haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten staatsähnliche Strukturen geschaffen. Sie haben Gouverneure und Richter ernannt. Sie sorgen teilweise für Strom, Trinkwasser und ihre Art der Bildung. Vor Ort haben die IS-Terroristen gezeigt, dass sie eben nicht nur aggressive Ideologen sind. All das dient aus westlicher Sicht einem falschen Ziel. Schließlich will der IS ein Kalifat erschaffen, das von Menschenrechten nichts wissen will, in dem Andersgläubige nicht vorkommen. Doch die betroffenen Iraker müssen in diesem Umfeld überleben. Sie können sich nicht frei entscheiden.

Ändert das US-geführte Bündnis nicht seine Strategie, rückt eine Dreiteilung des Irak näher, wird das Land weiter zerfallen. Die Kurden dominieren weiter den Norden, die Schiiten den Süden und der IS den Westen. Das bedeutet aber nicht das Ende der Kämpfe. Verschiedene schiitische Milizen stehen bereits zu Tausenden vor Ramadi, wo sie mit der irakischen Armee die Stadt zurückerobern sollen.

Die Europäische Union könnte einen Strategiewechsel mit einleiten. Doch nach dem Abenteuer Afghanistan ist der Wille weder bei den Regierungen noch bei den jeweiligen Bevölkerungen der EU-Mitgliedsstaaten besonders ausgeprägt, sich all zu sehr in den Konflikt im Irak hineinziehen zu lassen. Deutschland und die Nachbarn kümmern sich vor allem um ihre eigene Sicherheit. Sie wollen verhindern, dass Dschihadisten aus Europa nach Irak reisen und radikalisiert zurückkehren.

Ähnliches gilt für Syrien, das bereits seit einiger Zeit zerbröselt. Das Assad-Regime kontrolliert den Süden, der IS den Norden des Landes. Zwischendrin bekämpfen beide andere Aufständische. Die internationale Politik hat sich von diesem Konflikt längst verabschiedet, nachdem Russland und China einige Male eine mögliche Intervention der UN blockierten.

Alles in allem sind das keine guten Nachrichten – weder für die Menschen in der Region noch für die internationale Politik, die keine befriedende Antwort gefunden hat. Letzteres lässt für andere Konflikte wie in Nigeria Schlimmes befürchten.

About this publication