With Migration, Trump Is Fighting Windmills

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Bei der Migration kämpft Trump gegen Windmühlen

Seit dem 19. Jahrhundert dominieren die Amerikaner ihren südlichen Nachbarn Mexiko. Darauf setzt auch Präsident Trump in der Migrationspolitik. Damit wird er aber keine nachhaltige Lösung erreichen können.

Präsident Donald Trump hat die Beendigung der Zuwanderung über die amerikanische Südgrenze zu einer Priorität seiner Politik gemacht. In seiner Rhetorik schreckt er nicht davor zurück, die Migranten mit drastischen Bildern zu zeichnen, als Kriminelle und als tödliche Gefahr für die amerikanische Nation.

In der gegenwärtigen Kontroverse um die Migration von Massen von Zentralamerikanern in die USA geht ganz vergessen, dass diese ursprünglich in die umgekehrte Richtung verlief. Zum Zeitpunkt der mexikanischen Unabhängigkeit vom spanischen Kolonialreich 1821 gehörten Texas und grosse Teile des heutigen Südwestens der USA zum Aztekenland. Angesichts der spärlichen Besiedelung – Historiker sprechen von weniger als 5000 Personen in ganz Texas – förderte die mexikanische Regierung gezielt die Einwanderung von Siedlergruppen. Diese war aber damals vor allem attraktiv für Angelsachsen aus den Vereinigten Staaten, während sich kaum Einwohner aus den Kernzonen von Mexiko zu einer solchen Migration bewegen liessen. Die mexikanische Regierung verlor rasch die Kontrolle über die Besiedelung, und bereits 1834 lebten laut Schätzungen viermal so viele Angelsachsen wie Mexikanischstämmige in Texas. Politische und kulturelle Differenzen mit der Zentralregierung liessen eine separatistische Bewegung entstehen. Nach einem kurzen Krieg erklärte sich Texas 1836 zu einer unabhängigen Republik. 1845 schloss es sich als 28. Staat den Vereinigten Staaten an.

Prägend für die ungleichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurde wenig später die schwere Niederlage der Mexikaner im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg von 1846 bis 1848, als es Truppen von US-Präsident James Polk gelang, bis nach Mexiko-Stadt vorzustossen. Im Friedensvertrag von Guadalupe Hidalgo musste Mexiko rund die Hälfte seines Territoriums an die Vereinigten Staaten abtreten – zusammen mit Texas auch die heutigen Teilstaaten Kalifornien, Arizona, New Mexico, Nevada und Utah.

Asymmetrie der Macht

Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern wird seitdem von einer Asymmetrie der Macht bestimmt. Die USA dominieren unbestritten die gegenseitige Beziehung, wobei heute die Wirtschaftskraft ausschlaggebend ist. Die Mexikaner sind sehr verwundbar durch amerikanische Zölle, denn 80 Prozent ihrer Exporte gingen 2018 in die USA.

Präsident Trump nutzte in den letzten Monaten die wirtschaftliche Abhängigkeit Mexikos und auch der kleinen zentralamerikanischen Länder geschickt, um sie mit Druck dazu zu bringen, den Strom der Migranten bereits vor der amerikanischen Grenze zu stoppen. Mexiko drohte er mit der Erhöhung der Zölle auf Einfuhren in die USA auf bis zu 25 Prozent. Guatemala, Honduras und El Salvador kürzte er die Unterstützungszahlungen.

Folgsames Mexiko

Die massiven wirtschaftlichen Drohungen von Trump taten ihre Wirkung. Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador – ein Linkspopulist und Nationalist, von dem Widerstand zu erwarten war – fügte sich pragmatisch den «Wünschen» von Trump. Die Mexikaner zogen Sicherheitskräfte von ihren Aufgaben etwa zur Bekämpfung der Drogenkriminalität im Landesinnern ab und schickten sie an die Südgrenze. Einem von Trump geforderten Sicheren-Drittland-Abkommen konnten sie sich bisher allerdings entziehen. Ein solches wäre im mexikanischen Kongress schwer durchsetzbar. Honduras, El Salvador und Guatemala unterzeichneten Rücknahmeabkommen, im letzteren Fall unter Umgehung der verfassungsmässigen Kompetenzen des Parlaments, was Trump offensichtlich nicht störte.

Die Entwicklung der Migrationszahlen scheint Trump bereits nach wenigen Monaten recht zu geben. Die Anzahl der an der amerikanischen Grenze festgenommenen Migranten fiel markant, von einem Maximum von 155 000 im Mai auf 51 000 im August. Allerdings ist dies immer noch wesentlich höher als die entsprechenden Zahlen der letzten drei Jahre. Seinen Wählern kann Trump dies als grossen Erfolg präsentieren. Doch wie nachhaltig ist seine Lösung?

Ursache der gegenwärtigen Migration sind nicht die schwierigen internen Verhältnisse in Mexiko oder die ungenügenden Grenzkontrollen des Landes. Die Migration von Mexikanern in die USA ist seit Jahren stark rückläufig. Die Grundursache der heutigen Wanderungsbewegung ist vielmehr die Tatsache, dass sich nur 2500 Kilometer südlich der prosperierenden Vereinigten Staaten in Zentralamerika eine der ärmsten und gewalttätigsten Regionen Lateinamerikas befindet. Als Katalysator wirkt zudem der Umstand, dass die langwierigen Asylverfahren in den USA die Migration finanziell interessant machen, selbst wenn das Asylgesuch letztlich abgewiesen wird.

Um die Situation nachhaltig zu verbessern, müsste Washington neben einer Reform des eigenen Asylverfahrens deshalb in erster Linie auf eine Verbesserung der Zustände in Zentralamerika hinwirken. Die Bevölkerung von Guatemala und Honduras, von wo zurzeit die meisten Migranten in die USA drängen, hat sich in den letzten dreissig Jahren von 13 Millionen auf über 26 Millionen Einwohner verdoppelt, ohne dass gleichzeitig die notwendige Zahl adäquater Arbeitsplätze entstanden wäre. Die Spirale von Armut und Gewalt überrascht deshalb nicht.

Autoritäre Tendenzen

Neben Hilfe zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Länder – die bei einem kurzsichtigen «America First»-Ansatz natürlich keine Priorität geniesst – müssten die Amerikaner auch Druck machen für eine gute Regierungsführung. Gerade Guatemala und Honduras haben in den letzten zwei Jahren schwere Rückschritte auf dem Weg zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie erlebt. So ist der Präsident von Honduras, Juan Orlando Hernández, vor zwei Jahren trotz dem Verbot in der Verfassung zur Wiederwahl angetreten. Zweifelhafte Umstände bei der Auszählung der Wahlzettel deuteten auf Wahlbetrug hin und führten zu tagelangen Strassenprotesten, die 33 Todesopfer forderten. Die amerikanische Justiz besitzt zudem deutliche Hinweise, dass Hernández und sein Bruder in den Drogenhandel verstrickt sind.

In Guatemala hat Präsident Jimmy Morales dieses Jahr die internationale Juristenkommission Cicig aus dem Lande geworfen, mit deren Hilfe in den letzten dreizehn Jahren grosse Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht worden waren. Gegen ihn selbst wurde ermittelt, er hat damit seine eigene Haut gerettet. Von der kürzlich abgehaltenen Präsidentschaftswahl wurde zudem die populäre frühere Generalstaatsanwältin Thelma Aldana, die für den Kampf gegen die Korruption steht, mit fadenscheinigen Gründen ausgeschlossen.

Rechtsstaatlichkeit kein Thema

Es wäre im längerfristigen Interesse der USA gewesen, wenn Trump gegen diese Vorkommnisse in Honduras und Guatemala ebenso viel Druck angewendet hätte wie zugunsten der Unterzeichnung von Rücknahmeabkommen. So wäre die Demokratie in diesen beiden Ländern heute wohl weniger beschädigt – und damit auch die Ausgangslage für die Bekämpfung der Armut besser. Regierungen, welche die Rechtsstaatlichkeit derart verletzen oder gar mit der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten, machen eine Besserung der Zustände in Zentralamerika unwahrscheinlich. Ein wesentlicher Faktor bei der Demokratisierung Lateinamerikas in den letzten dreissig Jahren war die Tatsache, dass nach dem Fall der Sowjetunion Diktaturen aller Art nicht mehr salonfähig waren und von den USA und Europa unter Druck kamen. Trump sind diese neuen autoritären Entwicklungen offensichtlich gleichgültig, zumindest solange es sich nicht um Linksdiktaturen wie Venezuela oder Kuba handelt.

Vielleicht ist es aber ohnehin unmöglich, die heutige Migrationsbewegung von Süd nach Nord aufzuhalten, wie im 19. Jahrhundert diejenige in umgekehrter Richtung. Das Wohlstandsgefälle auf dem amerikanischen Kontinent und die ständig besseren Reisemöglichkeiten lassen vermuten, dass die Migration langfristig weitergehen wird. So erleben wir bereits seit Jahrzehnten eine kontinuierliche Re-Hispanisierung der USA. Zwischen den Volkszählungen von 1970 und 2010 ist der Anteil der Hispanics an der Gesamtbevölkerung besonders in den südlichen Grenzstaaten markant angestiegen, beispielsweise von 14 auf 38 Prozent in Kalifornien und von 18 auf 38 Prozent in Texas. In beiden Teilstaaten bilden die nicht-hispanischen Weissen nur noch eine Minderheit. Trumps Politik der Drohungen dürfte die Migration zwar kurzfristig bremsen, aber gegen die langfristige Entwicklung dürfte sie wenig ausrichten können.

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