Der Standard,
Austria
Saddam: A Very 'Dangerous Martyr'
“The execution of Saddam Hussein will not strengthen America's chances of success in the Iraq.”
By Jurgen Gottschlich
Translated By Armin Broeggelwirth
December 29, 2005
Austria - Der Standard - Original
Article (German)
The
execution of Saddam Hussein will not strengthen America's chances of success in
the Iraq.
Saddam
Hussein's predications may be proven deadly correct: With his execution, he
will sooner or later become a martyr. This happens periodically in the Arab
world. The cases of Yassir Arafat and Basil al-Assad come to mind. But Arafat
died in his bed and Basil al-Assad died in a car accident. With the way the
former Iraqi dictator met his fate, his status as a martyr will likely prove
incalculable.
For this is one "martyr" that has a high degree of potential
to mobilize those who regard him as such. One would like to hope that Iraq's Baathist-Sunni
insurgency is already operating at full tilt and won't manage to find the means
to escalate the violence still further. For at the moment, it isn't only a
further deterioration of the security situation that we have to fear, but
rather the loss – perhaps through self-sabotage – to grasp perhaps the last
opportunity to get a handle on the situation
Because in the coming weeks, new plans for the pacification of Baghdad
are expected. And
if the additional resources are used only to prevent an increase in attacks,
the second goal of clearing the city of armed militias will be far more
difficult to achieve.
Both the
USA and Iraqi government don't seem to have taken this into account, otherwise Saddam's
death sentence, which they wouldn't confirm or put a time limit on, would have
been delayed. And one cannot pretend that this is the work of an independent
judiciary, since we have already witnessed numerous political interventions in
the process.
Now
Saddam Hussein is to be executed for a case which was chosen when the process
began because it would be comparatively simple to prosecute.
This will
contribute to an increase in conspiracy theories throughout the Arab world,
about how Saddam needed to be silenced, before he could implicate others in the
murder of the Kurds during the 1980's.
At his
trial over recent days, Saddam had accused Turkey of committing certain crimes
against the Kurds. Prime Minister Nuri al-Maliki made no secret of his desire
for a speedy execution.
Apart from
his personal position on the issue, al-Maliki is under pressure from his Shiite
clientele: among the Shiites, many believe the Saddam could return to power,
with American approval.
In a case
that cannot be called comparable, Electricity Minister and Iraqi-American Ayham
al-Samaraie - after being convicted of corruption by the interim Allawi
government - managed to escape prison in Baghdad and flee to Amman. This
incident did not strengthen confidence in the U.S. or the Iraqi government.
The
relationship will remain strained however, even after the execution of Saddam. For
the moment, the main focus of U.S. attention will be on the Shiite militias.
Over the
next few months, the U.S. army will try to use its existing troop strength to accomplish
tasks that are no longer deemed possible with fewer troops - above all the
destruction of Muktada al-Sadr's Mahdi Army .
Abdulaziz al-Hakim meets
President Bush
at the
White House, Dec. 4.
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In
addition, the United States seems to have lost its inhibitions in regard to
their Shiite allies, as was demonstrated by the arrest of two Iranians at the
house Abdul Aziz al-Hakim , the leader of the strongest Shiite party and the
ruling Shiite coalition. This pushed the situation to the brink: The Iranians
were invited guests of President Jalal Talabani . We can see the beginning of
perhaps the largest U.S. offensive in Iraq yet.
It may
even be an advantage that Saddam Hussein has been taken out of the game, as it
will end speculation over his return to power. But whether the situation
develops as forecast is uncertain, since nothing yet has played out as expected.
German Version Below
'Gefährlicher
'Märtyrer''
von Gudrun Harrer
Die
Hinrichtung Saddam Husseins wird die US-Erfolgschancen im Irak nicht stärken -
Ausgabe vom 29.12.2006 Wien (OTS) –
In einem
hat Saddam Hussein fatalerweise Recht: Wenn er hingerichtet wird, und das ist eher früher als später zu erwarten, wird er zum
"Märtyrer". Das ist man zwar bald einmal in
der arabischen Welt (man denke an den im Bett verstorbenen Yassir Arafat oder
an den bei einem Autounfall umgekommenen Basil al-Assad, beide Träger des
Titels), aber selten mit so unabschätzbaren Folgen wie im Fall des irakischen
Exdiktators.
Denn
dieser "Märtyrer" hat ein hohes Mobilisierungspotenzial unter denen, die ihn dafür halten. Man möchte sich wünschen, dass
die baathistisch-sunnitischen Aufständischen im Irak bereits auf höchstmöglichem
Niveau operieren und ihnen nicht noch größere Eskalationsmöglichkeiten zur
Verfügung stehen. Denn es ist zurzeit nicht "nur" eine weitere
Verschlechterung der Sicherheitslage zu befürchten, sondern das Scheitern - die
Eigentorpedierung – der nächsten, vielleicht letzten Chance, die Lage noch in
den Griff zu bekommen.
Für die
kommenden Wochen sind neue Konzepte für die Befriedung
Bagdads zu erwarten. Wenn die zu diesem Zweck neu geschaffenen Ressourcen
allein dafür aufgehen, eines Anstiegs von Anschlägen Herr zu werden, wäre das
zweite Ziel, die Säuberung der Stadt von Milizen, noch schwerer zu erreichen.
Aber
sowohl die USA als auch die irakische Regierung
scheinen das in Kauf zu nehmen, sonst hätten sie dafür gesorgt, dass die
Bestätigung des Todesurteils, für die es keine Frist gab, hinausgezögert wird.
Man komme
hier nicht mit dem Argument unabhängiger Justiz: Es hat im Prozess genügend
andere politische Interventionen gegeben.
Nun wird
Saddam Hussein also hingerichtet werden für einen Fall, der für den Start der
Prozessserie ausgewählt wurde, weil er vergleichsweise
einfach war. Das wird zum Anwachsen der Verschwörungstheorien in der arabischen
Welt beitragen, dass Saddam zum Schweigen gebracht werden sollte, bevor er
Verwicklungen anderer in die Kurdenmorde in den 80er-Jahren auf den Tisch legen
konnte. Er hatte in vergangenen Prozesstagen ja bereits damit begonnen (indem er eine - reichlich krause - Sache gegen die
Türkei vorgebracht hatte).
Premierminister Nuri al-Maliki hat aus seinem Wunsch nach einer möglichst
raschen Hinrichtung nie ein Hehl gemacht. Abgesehen von seiner persönlichen Position steht
er unter Druck seiner schiitischen Klientel: Gerade unter irakischen Schiiten ist die Überzeugung vorhanden, Saddam werde es sich noch
einmal richten können, und zwar mit Billigung der USA. Der Fall ist zwar nicht vergleichbar, aber dass der US-irakische
Doppelstaatsbürger Ayham al-Samaraie, wegen Korruption verurteilter
Elektrizitätsminister der Regierung Iyad Allawi, gerade aus einem Gefängnis in
Bagdad nach Amman fliehen konnte, hat das Vertrauen nicht gerade gestärkt.
Das Verhältnis wird jedoch auch nach der Hinrichtung Saddams angespannt
bleiben. Den schiitischen Milizen scheint im Moment das Hauptaugenmerk der
USA zu gelten. Die US-Armee wird ihre noch vorhandene Truppenstärke in
den nächsten Monaten zu nützen versuchen, um Aufgaben zu erledigen, die mit
weniger Soldaten nicht mehr bewältigbar sind, vor allem die Zerstreuung der
Mahdi-Armee Muktada al-Sadrs.
Aber auch
ihren schiitischen Verbündeten gegenüber scheinen die USA keine Hemmungen mehr
zu haben, wie die Verhaftung zweier Iraner ausgerechnet im Haus Abdulaziz
al-Hakims, des Führers der stärksten schiitischen Partei, Sciri, und zugleich
des schiitischen Koalitionsblocks, zeigt. Pikanterie am Rande: Die Iraner waren
Gäste von Präsident Jalal Talabani, wie er selbst beteuert.
Wir sehen
gerade den Beginn der vielleicht letzten großen US-Offensive im Irak. Es mag
sogar Vorteile haben, wenn Saddam Hussein in diesem Moment als Figur aus dem Spiel genommen wird, wenn es keine Spekulationen über seine
Reinstallation mehr geben kann.
Aber ob
sich die Rechnung ausgeht, ist unsicher. Bisher ist sie sich noch nie ausgegangen.