Loss of Faith

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Den Glauben verloren

Von Konrad Kramar

Die Krise höhlt das seelische Fundament der Amerikaner aus – ihren Optimismus.

Optimismus der Amerikaner immer wieder erstaunlich. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die nicht der Staat oder ein Lotterielos herbeizaubern, sondern die man mit den eigenen Händen und viel Mut schaffen kann, scheint bei vielen US-Bürgern unerschütterlich.

Nicht mehr! Die Krise hat den Amerikanern nur noch deutlicher gemacht, wie weit sich die Armut bereits in die Kernzonen ihrer Gesellschaft hineingefressen hat. Jetzt, wo ihr auf Schulden aufgebautes finanzielles Fundament zusammenbricht, wird vielen Familien klar, dass sie sich trotz Arbeit ihr Leben nicht mehr leisten können. Fast jeder dritte Arbeitsplatz in den USA bringt nicht genug Geld, um damit das Auslangen zu finden. Das trifft auch jene untere Mittelschicht, die traditionell der Hauptträger des amerikanischen Traums ist. Das Vertrauen dieser Menschen darauf, dass sie es schaffen können, für sich und für ihre Kinder ein besseres Leben zu erreichen, ist erschüttert.

Zerstörtes Idyll

Armut gab es in den USA immer, und sie war schlimmer als in den Sozialstaaten Europas. Lange aber fand man sie nur in den Randzonen der Gesellschaft, schwarzen Gettos, Kleinstädten im Mittelwesten, denen ihr einziger Industriebetrieb abhanden gekommen war. Die Menschen ließen sie und ihre Vergangenheit hinter sich und zogen – ganz anders als die Europäer – der Arbeit und ihrer Zukunft hinterher.

Jetzt geht diese Armut auch in den Vorstädten um, dem Inbegriff des amerikanischen Idylls. Jetzt kann man auch dort die Krankenversicherung, die Raten fürs Haus nicht mehr bezahlen. Dieser Armut kann man nicht mehr entkommen, indem man wegzieht. Mit dem Vertrauen dieser Vorstadtbewohner aber steht und fällt die bewundernswerte Kraft der US-Gesellschaft, sich immer wieder von Neuem zu erfinden. Es wieder herzustellen, ist die erste Aufgabe des nächsten Präsidenten.

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