Cheney Memoirs: "Darth Vader" Gives the Bush Warriors a Talking-To

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George W. Bush, Donald Rumsfeld, Colin Powell: Die meisten Protagonisten der 9/11-Ära haben schon Bücher veröffentlicht. Jetzt legt Ex-Vizepräsident Dick Cheney nach – selbstgefällig und realitätsfern. Seine Memoiren sind ein Rundumschlag gegen alle Widersacher, auch in den eigenen Reihen.

Dick Cheneys Memoiren haben 527 Seiten. Plus vier Seiten Würdigungen, sieben Seiten Fußnoten, 25 Seiten Personenindex und 36 Seiten Fotos. Der einstige US-Vizepräsident schreibt ausführlich über seine frühen Jahre, den ersten Golfkrieg, die Anschläge am 11. September 2001, den Afghanistan-Krieg, Guantanamo Bay, Folter, Hurrikan “Katrina”, sein krankes Herz und seinen Labrador Dave.

Dem schlimmsten Misserfolg seiner Regierung aber, der verpatzten Befriedung des Irak nach der Invasion 2003, widmet Dick Cheney gerade mal zwei Seiten: 433 und 434.

Cheney, von 2001 bis zum Ende der Ära George W. Bush 2009 im Amt, war nie ein Mann der Details, vor allem nicht der widrigen, und auch jetzt hält er sich damit nicht auf. Er holt lieber zum Rundumschlag aus, ohne Rücksicht auf lästige Realitäten.

Seine Gegner nannten ihn “Darth Vader”, “vierte Gewalt”, “Dr. Evil”, “Lord der Lügen”, “Strippenzieher”, “Folterkönig”. Diese Spitznamen trägt Cheney stolz wie Orden und versichert, dass er sich nicht verweichlichen lasse. “Wir haben”, prahlt er am Schluss seines Buchs, “unseren Mann gestanden.”

In diesem Sinn ist “In My Time: A Personal and Political Memoir”, das an diesem Dienstag in den US-Handel kommt, denn auch zu lesen. Nicht als introspektive Rückschau. Nicht als schonungslose Enthüllung. Nicht mal als Abrechung mit den Widersachern, auch wenn es davon reichlich gibt. Sondern als selbstgefällige, schnell ermüdende Rechtfertigung altbekannter und meist längst überholter Neocon-Positionen.

Cheneys bester Buddy, Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, hat das in seiner Autobiografie auch getan – doch weitaus kurzweiliger, trotz der Länge von 812 Seiten.

Kein Wunder, dass “In My Time” in den USA bisher kaum Staub aufgewirbelt hat. Sicher: Ex-Außenminister Colin Powell, den Cheney kräftig aufs Korn nimmt, verwahrt sich gegen dessen “herablassenden Ton”. Andere nehmen Powells Nachfolgerin Condoleezza Rice in Schutz, die ebenfalls schlecht wegkommt.

Die Zeit des Donnerhalls ist vorbei

Die meisten dürften aber nur noch mit den Schultern zucken. Cheney selbst freut sich zwar, seine Niederschrift werde “in ganz Washington die Köpfe explodieren lassen”. Doch damit überschätzt er sich und die Haltbarkeit seiner politischen Prosa. Die Zeiten, da Dick Cheneys Worte wie Donnerhall aufgenommen wurden, sind vorbei – das Echo auf seine Memoiren bleibt müde, vom Scharmützel mit Powell abgesehen.

Vielleicht liegt das daran, dass das PR-Getöse vor der Publikation im Wirbel um Hurrikan “Irene” unterging. Vielleicht sind es die Amerikaner aber auch leid, sich eine weitere Apologie der Bush-Jahre zuzumuten. Rumsfeld, Powell, Ex-CIA-Chef George Tenet und George W. Bush selbst haben das bereits ausgiebig erledigt. Cheney hat da kaum Erhellendes hinzuzufügen.

Die wenigen neuen Erkenntnisse dieses staubtrockenen Traktats:

Cheney will Bush 2007 dazu gedrängt haben, einen mutmaßlichen Atomreaktor in Syrien zu bombardieren: “Aber ich war eine einsame Stimme.”

Schon seit März 2001 habe er wegen seiner labilen Gesundheit ein fertig unterzeichnetes Rücktrittsschreiben parat gehalten, das er zu Hause in einer Kommode verwahrt habe.

Bei den “unbekannten Orten”, zu denen er oft geheimniskrämerisch verbracht wurde, habe es sich lediglich um den Präsidenten-Landsitz Camp David, seinen Amtssitz in Washington und seine Villa in Wyoming gehandelt.

Nach einer Herzoperation 2010 habe er “wochenlang” im Koma gelegen und dabei von einem “wunderschönen Ort in Italien” geträumt.

Ansonsten ergötzt sich Cheney im Wiederkäuen von Argumenten und Reizthemen, die in den heutigen Finanzkrisenzeiten nur noch historisch-akademischen Wert haben. Sein Weltbild scheint fest in den Erfahrungen der Stunden und Tage nach 9/11 zu wurzeln. Die allerersten Worte des Buchs: ” 11. September 2001.”

Innenansichten vom Katastrophentag

Dieses erste Kapitel ist das einzig packende, allein wegen der Innenansichten jenes Tages. So bestätigt Cheney, er habe den Befehl zum Abschuss aller weiteren Passagierjets gegeben, die im Verdacht stünden, entführt worden zu sein.

9/11 ist auch deshalb so akribisch ausgemalt, weil es alle darauffolgenden Handlungen Cheneys erklärt. Um weitere Anschläge zu verhindern, schreibt er, sei er stets willens gewesen, auch “die dunkle Seite” zu hofieren: “Das war damals wahr und ist es bis heute.”

In diesem Sinne hält er unverändert an dem geheimen, kontroversen Abhörprogramm der Spitzelbehörde NSA fest, das 2005 enthüllt – und dann revidiert – wurde: Es sei “eine der wichtigsten Erfolgsgeschichten in der Geschichte der US-Geheimdienste” gewesen.

Auch verteidigt Cheney das Gefangenenlager Guantanamo Bay: “Es ist eine vorbildliche Einrichtung – sicher, geschützt und human.” Die Häftlinge hätten Zugang zu TV-Programmen, Büchern, Zeitungen und Filmen, sie könnten nach Belieben Sport treiben und gesund essen. Nicht Guantanamo richte Schaden an, sondern die Kritiker. Etwa Bushs Nachfolger Barack Obama, der das Lager anfangs schließen wollte.

Zu den umstrittenen CIA-Foltermethoden gegen Terrorhäftlinge sagt Cheney ebenfalls nichts Neues: “Die Techniken funktionierten.” Nur deshalb habe es unter Bush keine weiteren Attentate in den USA gegeben, behauptet er und knöpft sich vor allem den kritischen Republikaner John McCain vor – ohne zu erwähnen, dass McCain im Vietnamkrieg selbst gefoltert worden war. Auch sonst lässt Cheney an McCain kein gutes Haar.

Leider versanden die Spitzen in staubtrockenem Stil. Chronologisch hakt Cheney die Ereignisse ab, wie in einem Tagebuch: “Am 6. Juli 2003 schrieb…”, “Am 30. September 2003 erklärte…”, “Am 28. Oktober 2008 wurde…”. Ghostwriterin war Cheneys Tochter Liz, wie er eine knallharte Aktivistin für erzkonservative Belange.

Märchen aus 1001 Nacht

Da überrascht es kaum, dass Cheney zwei Märchen aus dem Irak-Krieg neu auflegt – das von den Massenvernichtungswaffen und das von einer Verbindung zwischen Saddam Hussein und al-Qaida. In beiden Fällen verbringt er viele Seiten damit, längst Widerlegtes zu wiederholen.

Das Chaos nach der Irak-Invasion, das in einen langen, elenden Bürgerkrieg mündete, tut Cheney als “schwierige Tage” ab – und zeichnet lieber ausführlich nach, wie die Iraker die Amerikaner als “Befreier” begrüßt hätten. Der missratene Feldzug, schreibt er allen Ernstes, sei “mutig, eindrucksvoll und effektiv” gewesen.

Besondere Häme behält sich Cheney für Ex-Minister Powell vor: Der habe Differenzen lieber an die Medien herangetragen, statt sie diskret intern zu regeln. Auch habe Powell gewusst, aber verschwiegen, dass es sein Vize Richard Armitage war, der 2003 die CIA-Agentin Valerie Plame mutwillig enttarnt hatte – ein Skandal, der Cheneys Stabschef Lewis “Scooter” Libby später 30 Monate Haft bescherte.

Cheney will sich nicht verabschieden, ohne auch Obama kräftig einen mitzugeben: Dessen Anti-Terror-Politik habe die USA in den “Modus vor 9/11” zurückversetzt. Auch der US-Abzug aus Afghanistan werde “wahrscheinlich vernichtende Konsequenzen” haben.

Solche Sätze freuen Cheneys Fans – und geben den Gegnern neuen Stoff. “Eine vorhersehbare Mischung aus Mauern, Revanche und streng selektiven Erinnerungen”, verreißt die “New York Times” das Buch. Der “Atlantic” lästert: “Noch sind keine Köpfe explodiert.”

Und Cheney selbst? Schmerzt ihn solche Kritik? Im Gegenteil: Er liebt das Image des harten Machers. “Wir waren standhaft im Angesicht des Bösen”, schreibt er, “und haben auf selbstlose Weise der Geschichte getrotzt.”

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