Fighting by Computer

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Die USA nutzen im Antiterrorkrieg verstärkt Drohnen – das wirft ethische Fragen auf. Auch die rechtlichen Grundlagen für solche Angriffe sind umstritten.

Seit Stunden hat das unbemannte Flugzeug das Zielgebiet umkreist. Kameras und Sensoren sind auf den Mann programmiert, der irgendwann zu seinem Haus kommen wird. Das Fluggerät kennt dessen Größe, Gesichtszüge und Kleidung. Es weiß, wie viele Kinder der Verdächtige hat und wie groß sie sind. Als die Autotür sich öffnet, geht alles blitzschnell. In Sekundenbruchteilen ist das Personenprofil gescannt und mit den gespeicherten Informationen verglichen. Genauso schnell läuft ein weiterer automatischer Check: Es sind keine Kinder in der Nähe. Der Computer gibt den Schuss frei. Die Lotsen im fernen Kommandobunker in den USA haben dabei nur zugeschaut.

Enorme Distanz

Noch gibt es keinen solchen vollautomatischen Killer-Roboter. In die am vergangenen Freitag bekannt gewordene Tötung eines Drahtziehers von Al Kaida im Jemen waren noch Menschen involviert. Doch das Team aus einem Piloten und zwei Datennavigatoren, das sich mit einer Drohne vermutlich schon seit Tagen an die Fersen des Terroristen Anwar al-Awlaki geheftet hatte, saß höchstwahrscheinlich in der Luftwaffenbasis von Creech in Nevada, USA, mehrere tausend Kilometer entfernt. Für die Amerikaner ist Awlaki, der Mann, der bis 2002 im Umland der US-Hauptstadt lebte und dessen Predigten das Massaker auf dem Militärstützpunkt Fort Hood im November 2009 inspirierten, ein Strich auf einer langen Liste. Auch in Pakistan gab es am Freitag einen Drohnenangriff (siehe Spalte rechts).

US-Präsident Obama hat in Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen und Somalia schon mehr als 1800 solcher Tötungen angeordnet – darunter waren auch US-Staatsbürger, was rechtlich besonders umstritten ist. Bis zum vollautomatischen Abschuss ist es nur noch ein kleiner Schritt. Das Pentagon testet laut einem aktuellen Bericht der Washington Post zurzeit Drohnen, die als autonome Kampfmaschinen agieren. Moralische Kriterien, wie der Schutz von Kindern, könnten ja dann einprogrammiert werden – so behaupten das US-Militärs. „Die Aussicht, dass Maschinen in der Lage sein werden, auf sich selbst gestellt eine Umgebung zu erfassen, Entscheidungen zu treffen und selbstständig zu handeln ist eine Herausforderung für das gegenwärtige Verständnis des humanitären Kriegsrechts“, schreibt die Washington Post.

Zielobjekte ähneln Figuren in Computerspiel

Schon heute ist die Distanz zwischen denjenigen am Abzug und ihren Opfern enorm. Diesen Abstand gibt es zwar, seit Fernwaffen erfunden wurden. Doch für Piloten der unbemannten Flugzeuge, die selbst kein Risiko eingehen, ähneln die Zielobjekte den Figuren in einem Computerspiel. Sie operieren mit Joysticks vor Monitoren. Auch für Politiker ist das verführerisch: Der Krieg ohne Opfer fürs eigene Land rückt näher.

Seit einem halben Jahrhundert experimentieren die USA mit unbemannten Fluggeräten, den „Unmanned Aerial Vehicles“, kurz UAV. Bereits im Vietnamkrieg flogen unbemannte Aufklärer, die so genannten Firebees. Doch seit Mitte der 90er-Jahre sind die immer raffinierteren Drohnen zu Tötungsmaschinen geworden – und erst seither nimmt eine breitere Öffentlichkeit von ihnen Notiz. Schätzungsweise 7000 unbemannte Flugzeuge der verschiedensten Typen sind heute im Arsenal der USA. Vor zehn Jahren waren es noch weniger als 50.

Immer noch haben die USA einen enormen technischen Vorsprung. Barack Obama nutzt dieses Instrumentarium intensiv. Allein im ersten Amtsjahr hat er mehr Angriffe mit Drohnen befohlen als George W. Bush in seiner gesamten Amtszeit. Drohnen passen perfekt zu der Art, wie Obama seine Kriege führen will. Ohne Pathos, ohne US-Opfer – aber effizient. Der Glaube an die eigene Technologie geht so weit, dass die CIA, die mehr noch als das Militär hinter den Operationen steht, im August allen Ernstes behauptete, bei Drohnenangriffen seinen binnen eines Jahres in Pakistan 600 mutmaßliche Terroristen und Talibankämpfer getötet worden, ohne dass es ein ziviles Opfer gegeben habe.

Vielfältiges Arsenal

Alle Zeichen stehen auf Expansion. Die Drohnen sind inzwischen so effizient, dass den USA laut einem Bericht der New York Times in Afghanistan die hochrangigen Ziele ausgehen. Immer öfter würden auch einfache Kämpfer der Taliban attackiert.

Im Libyen-Konflikt ermöglichten Drohnen den USA auch dann noch Einsätze, als sie sich offiziell aus der Militäraktion zurückgezogen hatten. Erst vor wenigen Tagen berichteten die Washington Post und das Wall Street Journal, dass neue Stützpunkte auf den Seychellen und auf der arabischen Halbinsel inzwischen einen großen Teil Arabiens und des Indischen Ozeans zum Operationsgebiet machen. Doch die Drohnen krempeln nicht nur den Antiterrorkampf um. Von Langstreckenaufklärern wie dem „Global Hawk“ bis hin zu winzigen, mit Kameras ausgerüsteten Fluggeräten in Vogel- oder gar Insektengröße wird das Arsenal immer vielfältiger.

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