Longing for a Better World

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Wer hätte das für möglich gehalten? In den USA, dem Mutterland des Kapitalismus, wächst eine Protestbewegung, die sich gegen die freien Kräfte der Finanzmärkte erhebt.

Eine Bewegung, die nicht mehr hinnehmen will, dass Aktienhändler und Investmentbanker Millionen kassieren, während die Zahl der Arbeits- und Mittellosen sprunghaft steigt. Eine Bewegung, die nicht mehr tatenlos zuschauen will, wie der Finanzkapitalismus die Idee einer gerechteren Gesellschaft vollständig pervertiert.

Es brodelt auch in Europa, wo die Finanzmärkte ganze Staaten vor sich hertreiben. Die Angst vor Geldentwertung und Rezession lähmt viele Menschen. Sie fühlen sich den Entwicklungen schicksalhaft ausgeliefert, die scheinbar ungebremst in Richtung Abgrund führen und himmelschreiendes Unrecht produzieren.

Verwundern kann das nicht, denn die Finanzindustrie entkoppelt sich seit den 1990er-Jahren von der realen Wirtschaft. Spekulation und die Maximierung von Renditen gewannen die Oberhand. Befeuert wurde dies durch die Hüter des Geldes in den Zentralbanken, die die Zinsen nach unten trieben und so die Geldschleusen öffneten. Weil die gigantischen Geldmengen in der realen Wirtschaft nicht unterzubringen waren, wurde in großem Stil spekuliert – mit immer wilderen Konstruktionen und Risiken. Und wenn die Spekulationsblasen – wie 1999, 2001, 2008 – platzten, wurde eben frisches Geld in die Kreisläufe gepumpt, um den Kollaps zu verhindern.

Doch von Krise zu Krise wird die Sache brenzliger. 2008 wäre das System schon kollabiert, hätten die Staaten nicht Tausende Milliarden aufgewendet, um die Banken zu retten und die Konjunktur zu stützen. Und was macht der dankbare Finanzapparat? Er rechnet seinen Rettern vor, dass diese Aktionen verdammt teuer waren und so die Staatsschulden in unverantwortliche Höhen stiegen. Weshalb die Finanzwirtschaft nun gegen jene Staaten spekuliert, die sie zuvor gerettet haben – ein grotesker, ja selbstzerstörerischer Akt. Denn werden jetzt die Staaten ruiniert, gibt es definitiv keine Retter mehr, die in der nächsten Krise helfend einspringen können.

Und doch wäre es gerade jetzt fatal, den Glauben an die Zukunft zu verlieren. Gerade weil die Situation so ernst, ja brisant ist, darf man die positiven Signale nicht übersehen. Die Entwürfe für eine bessere und gerechtere Welt sind längst formuliert. Im Kleinen werden sie auch schon umgesetzt und mit Leben erfüllt. Was nottut, ist nachhaltiges Wirtschaften, schonender Umgang mit den Ressourcen. In der Wirtschaftswelt wächst die Überzeugung, dass ein Paradigmenwechsel unvermeidlich ist: weg von der kurzfristigen Gewinnmaximierung, hin zu nachhaltigem Wirtschaften. Viele Menschen haben instinktiv reagiert: Solidarität und Zusammenhalt wachsen in den Nachbarschaften und Regionen. Man zelebriert die Ursprünglichkeit des Landlebens. Dafür sind Menschen immer öfter bereit, materialistische Statussymbole und Karrieredenken zu opfern. Zeit ist vielen wichtiger geworden als Geld. Es wächst auch die Einsicht, dass die aktuellen Exzesse an den Finanzmärkten das finale Schlaglicht einer Zeitenwende sind: Die Epoche, in der jeder und jede immer mehr haben wollte und konnte, geht unwiderruflich zu Ende.

Dass dies mit einem großen Knall passiert, ist nur zu verhindern, indem die Staaten die Schuldenkrise bewältigen und die Finanzmärkte endlich bändigen. Die Entwürfe für zivilisierte Finanzmärkte braucht man nur aus den Schubladen zu holen: strenge Regulierung, ein Verbot hochspekulativer Transaktionen und Steuern auf Finanztransaktionen.

Zuletzt mehrten sich die Signale, dass selbst Europas politischer Elite bewusst wird, in welch erbärmliche Rolle sie sich treiben ließ. Jetzt muss sie hart durchgreifen. Auf den Märkten, aber natürlich auch in den eigenen Budgets. Es ist vermutlich die letzte Chance für den längst überfälligen Befreiungsschlag.

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