Americans Sway the Currency Framework

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Riesige Kapitalbewegungen: Die Amerikaner ziehen ihr Geld aus der ganzen Welt ab. Die Aktion könnte eine gefährliche Rezession auslösen.

Na gut, der Urlaub in den USA wird etwas teurer. Und vielleicht auch das Benzin. Aber für die deutsche Wirtschaft insgesamt scheint der sinkende Euro-Kurs genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen. Bis auf 1,31 Dollar je Euro ging es zu Beginn der Woche runter.

Am Freitag lag er zwar wieder bei knapp 1,34 Dollar, doch vor vier Wochen waren noch 1,45 Dollar zu bezahlen – ein satter Abschlag in kürzester Zeit. Das macht deutsche Exporte auf einen Schlag zehn Prozent billiger, sorgt für mehr Aufträge, erhöht die Gewinne. Und das kommt letztlich allen zugute – den Firmen, ihren Mitarbeitern und ihren Anlegern. Sollte man meinen.

Doch so einfach ist es leider nicht. Denn hinter den Bewegungen am Devisenmarkt steckt eine gigantische Umleitung der globalen Kapitalströme. Sichtbar ist diese für Anleger und Verbraucher bisher nur in dem leichten Rückgang des Euro-Kurses. Doch wie auch in der Natur kann eine solche Strömung schnell zu einem reißenden Fluss werden, der dann die Weltwirtschaft wie in einem Strudel mit nach unten zieht. Das wäre ein Debakel für die Unternehmen, ihre Mitarbeiter und die Anleger.

Die Finanzmärkte bewegen täglich Milliarden um die Welt. Mal geht der Trend in die eine Richtung, mal in die andere. In den vergangenen zwei Jahren war es angesagt, Geld außerhalb der USA anzulegen, denn der Staat häufte unablässig immer neue Schulden auf, und die Notenbank druckte wie wild Geld. Das untergrub das Vertrauen. „Der Euro war dazu eine Art ‚Anti-Dollar‘“, sagt Hans Redeker von der Investmentbank Morgan Stanley.

Anleger brachten ihr Geld nach Europa, vorzugsweise nach Deutschland. Doch seit einigen Wochen hat die Stimmung gedreht. Ein Grund dafür ist die nicht enden wollende Schuldenkrise in Europa. Doch das allein reicht nicht, denn diese schwelte auch schon zuvor. Hinzu kommt jetzt, dass die Weltwirtschaft insgesamt schwächelt. Und solche Entwicklungen treiben Amerikas Anleger jedes Mal nach Hause. Sie holen ihr Geld heim.

Zunächst stiegen sie aus ihren deutschen Aktien aus, was im August den deutschen Aktienindex (Dax) zusammenbrechen ließ. Denn damit hatten Amerikas Anleger besonders hohe Gewinne gemacht. Dann liquidierten sie nach und nach weitere Anlagen.

Börsen in Asien brechen ein

Zuletzt waren beispielsweise Aktien aus Indonesien und Thailand an der Reihe, die sich lange noch gut gehalten hatten. In den vergangenen vier Wochen, in denen der Dax mehr oder weniger seitwärts lief, brachen die Börsen in Jakarta und Bangkok um rund 20 Prozent ein.

So geht es seit Wochen, Börse um Börse bricht ein, US-Anleger verkaufen und holen ihr Geld heim. Dabei geht es um gigantische Summen. So wurden allein in der letzten Septemberwoche rund drei Milliarden Dollar aus Fonds abgezogen, die in Aktien aus Schwellenländern investieren, wie Zahlen des Fondsdatenlieferanten EPFR zeigen. Das ist der höchste Wert, der jemals gemessen wurde. Fonds, die in Anleihen aus diesen Staaten investieren, verkauften weitere drei Milliarden Dollar – macht sechs Milliarden Dollar in einer Woche. Und die Verkaufswelle geht weiter.

Doch wohin geht das Geld? Auch das zeigen die Daten von EPFR. Fonds, die in US-Anleihen investieren, konnten sich Ende September über die höchsten je gemessenen Zuflüsse freuen, bei sogenannten amerikanischen Kommunalanleihen war es immerhin ein 54-Wochen-Hoch. Die Amerikaner holen ihr Geld aus der ganzen Welt nach Hause und stecken es in Anleihen des eigenen Staates, denn diese gelten für sie als der einzige sichere Hafen in den stürmischen Zeiten, wie sie derzeit herrschen.

Dies wiederum lässt den Dollar-Kurs seit Wochen drastisch steigen – und im Gegenzug den Euro-Kurs, aber auch die Kurse vieler anderer Devisen im Vergleich zum Dollar drastisch sinken. Der russische Rubel gab über zehn Prozent nach, der südafrikanische Rand rund 15, der brasilianische Real sogar 20 Prozent – und all das innerhalb von gerade mal vier Wochen. Die einzige Währung, die dem Trend derzeit noch widerstehen kann, ist der japanische Yen.

Dies liegt daran, dass Japan eine relativ breite Basis einheimischer Investoren hat und nicht so abhängig von den Dollar-Investoren ist. Ganz anders dagegen die Schwellenländer, die es daher auch besonders hart getroffen hat.

Kapital wird weltweit abgezogen

So verständlich diese Entwicklung aus Sicht eines amerikanischen Investors auch ist: Die Herde, die kollektiv in eine Richtung trabt, droht dabei auch manches zu zertrampeln, was wertvoll ist. So hat der Internationale Währungsfonds vor einigen Monaten in einer Studie gezeigt, wie der Kapitalzufluss aus dem Ausland in den Schwellenländern zu einer erhöhten Kreditvergabe der Banken führt und so wiederum das Wachstum fördert. Damals war das Augenmerk hauptsächlich darauf gerichtet, dass durch die enormen Kapitalzuflüsse die Konjunktur überhitzt und die Inflation befeuert wird.

Doch nun geht es genau in die andere Richtung. Jetzt droht ein abruptes Abziehen des Kapitals die Kreditvergabe zusammenbrechen zu lassen, was wiederum das Wachstum dieser Länder beeinträchtigt. Dabei ist gerade die Konjunktur in den Schwellenländern die letzte Hoffnung für die lahmende Wirtschaft der Industriestaaten. Wenn jedoch nun das Wachstum in diesen Ländern auch noch einbräche, dann würde dies zu noch stärkeren Kapitalabflüssen führen und ließe den Dollar noch weiter steigen – ein Teufelskreis käme in Gang.

Das einzige Land, das von diesen Zu- und Abflüssen deutlich weniger abhängig ist, ist China. Peking kann seine Banken per Befehl anweisen, Kredite zu vergeben oder es zu unterlassen. Hier droht also für die Wirtschaft des Landes keine Gefahr. Sie kommt jedoch aus anderer Richtung. Denn der starke amerikanische Dollar hat in den vergangenen Wochen auch den Wechselkurs zum chinesischen Yuan beeinflusst.

Seit Jahren klagen die Amerikaner darüber, dass China seine Währung künstlich schwach halte. In den vergangenen zwei Jahren ließ das Reich der Mitte den Yuan jedoch langsam, aber stetig aufwerten, allein in den vergangenen zwölf Monaten um rund sieben Prozent. Doch seit der Dollar neu erstarkt ist, ist diese Entwicklung zum Stillstand gekommen.

Droht ein neuer Handelskrieg?

Prompt hat der amerikanische Senat in der vergangenen Woche ein Gesetzgebungsverfahren angestoßen, das Chinas Exporteure mit Strafmaßnahmen belegen soll. Peking wiederum reagierte mit harschen Tönen. Die Vereinigten Staaten riskierten einen Handelskrieg, verkündeten prompt die Zentralbank sowie diverse Ministerien – allein die Reaktion mehrerer staatlicher Stellen gleichzeitig zeigt, wie besorgt man im Reich der Mitte ist.

Ein Abwürgen der Kreditvergabe, ein neuer Handelskrieg – auf diese Weise könnte die Weltwirtschaft endgültig in die Rezession getrieben werden. Und all dies ausgelöst von den Milliardensummen, die amerikanische Großinvestoren hin und her bewegen. Sie haben es daher in der Hand, diese Folgen zu verhindern.

Ende vergangener Woche sah es so aus, als kämen sie vielleicht doch allmählich zur Vernunft. Der Euro-Kurs stabilisierte sich wieder. Neueste Zahlen von EPFR zeigten, dass zuletzt „nur“ noch 4,8 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern abgezogen wurden, etwas weniger als in der Vorwoche.

Doch das ist eben noch lange keine Trendumkehr. Deutsche Anleger sollten daher die nächsten Wochen lieber auf der Seitenlinie verharren und Anlagen in Schwellenländern meiden, seien es Aktien oder Anleihen. Denn von der Herde der Großinvestoren würden sie glatt überrannt, wenn diese wieder zur Stampede ansetzt.

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