The True Speculators Are the Politicians Themselves

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Unter Beifall der Regierungen formiert sich weltweit Protest gegen die Macht der Finanzinstitute. Mit der Hatz auf die Banker stiehlt sich die Politik aus der Verantwortung.

Die Banker sind die Sündenböcke unserer Zeit. Ob der christdemokratische Finanzminister Schäuble oder Linken-Fraktionschef Gysi, ob EU-Kommissionspräsident Barroso oder US-Präsident Obama – sie alle sympathisieren mit den Demonstranten, die seit Wochen nahe der Wall Street, dem mächtigsten Finanzzentrum der Welt, campieren.

Auch Filmstars und Musiker lassen sich hier gerne blicken. Die Anti-Banken-Bewegung ist bis tief ins bürgerliche Milieu hinein en vogue. Mit ihrer „Gier“ und „Zockerei“ hätten die Finanzinstitute die Welt an den Abgrund geführt und die Steuerzahler müssten nun für die Sünden der Reichen bluten, lautet der Vorwurf, der generell allen Geldinstituten gemacht wird.

Inzwischen sind die Proteste auch nach Europa geschwappt. In der Londoner City sieht man ebenso Zelte wie im Frankfurter Bankenviertel. Und die Politiker folgen dem Zeitgeist. „Wir haben die Botschaft verstanden“, versichert EU-Präsident Barroso. Obama verspricht schon mal höhere Steuern für „die Reichen“, und die Regierung in London ist bereits dabei, die Banken in Kredit- und Investmenthäuser aufzuspalten.

Linksorientierte Organisationen wie Attac oder „Occupy Frankfurt“ hoffen darauf, dass aus den überschaubaren Demonstrationen eine Massenbewegung wird. Angesichts der großen Aufmerksamkeit, die Medien und Politik den Protestlern schenken, ist eine Ausbreitung der Bewegung sehr wahrscheinlich. Zumal Banken-Hetze in schwierigen Zeiten so alt ist wie das Geldgeschäft selbst.

Das Vorurteil der “unehrlichen Zinsen”

Schon im Griechenland der Antike waren Geldverleiher im Volk vielfach verpönt. Der Zins galt als Wucher. Dabei stach schon damals kein Handelsschiff in See ohne die Mitwirkung der Banken. Und wer konnte, brachte sein Erspartes zu den Geldhäusern, um Zinsen zu bekommen.

Im Mittelalter rief die Kirche zur Hatz auf die Geldverleiher. Juden, denen der Zugang zum Handwerk oder zu öffentlichen Ämtern über Jahrhunderte versperrt war, blieb oft nur das Kreditgeschäft.

Immer wieder kam es zu Pogromen, weil hoch verschuldete Herrscher oder Bürger gegen die angeblichen Wucherer Stimmung machten, um sich auf diese Weise um die Rückzahlung ihrer Kredite zu drücken.

Bis in die heutige Zeit hat das auch von Karl Marx bediente Vorurteil von der „ehrlichen Arbeit“ als Gegensatz zu den „unehrlichen Zinsen“ überdauert. Die Banker als Schmarotzer, die von der Hände Arbeit anderer Menschen leben – dieses Zerrbild wird auch jetzt wieder beschworen, ganz nach dem Spruch Bertold Brechts, „Was ist das Ausrauben einer Bank gegen das Gründen einer Bank?“.

Politische Entscheidungen waren der Ausgangspunkt

Den Politikern in Europa und in den USA ist es mehr als recht, wenn die Bürger die Banken als Verursacher der aktuellen Finanzkrise geißeln. Denn diese Kritik kaschiert, dass es in Wirklichkeit politische Entscheidungen waren, die zu den jetzigen Turbulenzen geführt haben.

Seit Jahren – und schon lange vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2008 – häuften Staaten wie Griechenland oder Italien immer mehr Schulden auf. Auch in den USA werden die öffentlichen Ausgaben in die Höhe getrieben, als gäbe es kein Morgen.

Und hierzulande wird ebenfalls inzwischen so getan, als sei es egal, wie viele Bürgschaften die Bundesregierung im Namen der Euro-Rettung gewährt. Doch aus Garantien drohen schnell Staatsschulden zu werden, wenn die Begünstigten so schwach sind wie die Hellenen oder Portugiesen.

Sollte dieser Gau eintreten, wird die Politik wohl wieder mit dem Finger auf die Banker zeigen, die dann erneut an allem Schuld sein sollen.

In Wirklichkeit aber sind die wahren Spekulanten die Politiker selbst, die uns seit eineinhalb Jahren weismachen wollen, dass sie mit ihren immer neuen, immer gewagteren Rettungsmanövern die Krise bewältigen werden.

Wenn die Demonstranten gegen die Macht der Banken wettern, vergessen sie, dass nur überschuldete Staaten ihren politischen Handlungsspielraum verloren haben, nicht jedoch solide wirtschaftende Länder.

Die Finanzmarktakteure arbeiten im Regelfall nicht auf eigene Rechnung, sondern mit dem ihnen anvertrauten Geld der Kunden. Wenn Banken Griechenland nicht länger freiwillig Kredit gewähren, zeugt das von einem nüchternen Risiko-Rendite-Kalkül und keineswegs von einer Verschwörung gegen das Land oder den Euro.

Risiken wurden unterschätzt

Wahr ist, dass die Finanzinstitute in der Vergangenheit Risiken oftmals unterschätzt haben. Vor allem französische Banken, die besonders viele südeuropäische Staatsanleihen aufgekauft haben, stecken deshalb in ernsten Schwierigkeiten.

Auch deutsche Institute müssen möglicherweise durch den Staat gestützt werden, sollte es etwa zu einer Umschuldung Griechenlands kommen. Dies wird eine heftige politische Debatte über eine neuerliche Bankenrettung zur Folge haben, die der Protestbewegung noch Auftrieb geben dürfte.

Die Gefahr ist, dass der populistische Ruf nach einer Zerschlagung oder gar Verstaatlichung der Banken immer lauter wird. Doch die Finanzkrise hat gezeigt, dass sich hierzulande vor allem die staatlichen Landesbanken verspekuliert hatten und nun die Steuerzahler teuer zu stehen kommen.

Dass die Geldinstitute zudem für Staatsanleihen anders als für alle anderen Kredite keinerlei Sicherheiten hinterlegen müssen, zeigt ein weiteres politisches Versäumnis.

Schwarze Schafe im Finanzsektor

Wie in jedem anderen Wirtschaftszweig gibt es auch im Finanzsektor schwarze Schafe. Notwendig ist deshalb aber nicht die Knebelung der ganzen Branche. Wenn die Linken fordern, nur noch Sparkassen und Genossenschaftsbanken zuzulassen, zeigen sie, dass sie nichts von den Bedürfnissen global vernetzter Konzerne verstehen.

Dringend notwendig ist es indes, ein Verfahren zu entwickeln, damit schlecht wirtschaftende Banken ebenso wie marode Schuldenstaaten pleite gehen können, ohne dass dies die Weltwirtschaft erschüttert. Derzeit gelten nicht nur die großen Geldinstitute, sondern auch alle Euro-Staaten als „systemrelevant“ und werden deshalb von den Steuerzahlern immer wieder rausgepaukt.

Es ist Sache der Politik, ein solches Insolvenzverfahren zu entwickeln. Ansonsten wird das gefährliche Pokerspiel weitergehen.

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