The West Helpless between the Fronts

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Im syrischen Bürgerkrieg gibt es keine klaren Fronten. Der Westen kann kaum mehr tun, als auf die Erschöpfung der Parteien zu warten. Das gemeinsame Interesse: den Syrern die Chemiewaffen zu nehmen.

In Monty Pythons Film “Das Leben des Brian”, der in Palästina zur Zeit Jesu spielt, kämpft die Judäische Volksfront gegen die römischen Besatzer und gleichzeitig gegen die Volksfront von Judäa. Sie ist wiederum eine Abspaltung der Populären Volksfront von Judäa. Fast überflüssig zu erwähnen, dass auch die Populäre Volksfront von Judäa mit der Volksfront von Judäa verfeindet ist und die Judäische Volksfront ebenfalls nicht leiden kann. Alles klar? Es lebe der “Narzissmus der kleinen Differenzen” (Sigmund Freud)!

Im Syrien der Gegenwart ist die Lage ähnlich verwirrend. Dort trifft der Syrische Nationalrat, in dem Muslimbrüder, Liberale, Nationalisten und Islamisten mühselig um Eintracht ringen, auf die Freie syrische Armee, das Nationale Komitee für den demokratischen Wandel, in dem Kurden, Sozialisten und Marxisten miteinander zähneknirschend glücklich sind, die Örtlichen Koordinierungskomitees, die Syrische Koalition säkularer und demokratischer Kräfte sowie den Syrischen Revolutionsausschuss.

Damit nicht genug, erhebt auch die Volksfront für Wandel und Freiheit ihre Stimme. Wichtig findet sich zudem auch die rechtsextreme Syrisch Soziale Nationalistische Partei, die wiederum vom Hohen Kurdischen Rat nicht wirklich ernst genommen wird – von Al-Qaida zu schweigen. Al-Qaida wünscht nicht nur das Regime, sondern auch alle anderen Gruppierungen zwischen Damaskus und Homs, Aleppo und Latakia zum Teufel und strebt zielbewusst an die Macht, auch wenn ihre Kämpfer gering an Zahl sind. Mit anderen Worten: Es gibt keine einheitliche syrische Opposition. Wenn man “die” Rebellen oder “die” Freiheitskämpfer aber nicht zu fassen bekommt, wen soll der Westen im Bürgerkrieg dann unterstützen?

“Unsere Revolutionäre” – mag eine Antwort sein. Dagegen sprechen jedoch die Erfahrungen in Afghanistan. Während der sowjetischen Besatzung versorgten die Amerikaner die Aufständischen mit Waffen. Wenig später mussten sie erleben, wie sich ihre wackeren Widerstandskämpfer zu Terroristen vom Schlag der Taliban verwandelten. Zbigniew Brzezinsky könnte davon erzählen. Der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter gilt als der Raketenlieferant der Taliban. Heute möchte er lieber nicht daran erinnert werden.

In Afghanistan wurden aus Freiheitskämpfern Taliban

Gut dreißig Jahre später könnte in Syrien ähnliches wie 1980 am Hindukusch geschehen. Hinzu kommt: Die westlich orientierten Gegner des syrischen Regimes bilden eine Minderheit im Lager der Oppositionellen. Ob sie sich jemals durchsetzen werden, ist fraglich. Der Westen ist also gut beraten, sich zu zügeln, wenn er wieder einmal darüber nachdenkt, in den syrischen Bürgerkrieg einzugreifen. Ein guter Wille ist nicht immer auch gleich eine gute Politik.

Eigene Soldaten zu schicken, die Syrien Ruhe und Ordnung verschafften, wäre außerdem möglich. Doch die Auseinandersetzungen im Irak und in Afghanistan haben gezeigt: Der Westen ist zu Ordnungskriegen nicht in der Lage. Nach jahrelangen heftigen Gefechten müsste Syrien für Jahrzehnte besetzt werden. Weder Amerikaner, Franzosen und Briten noch die Deutschen haben die Kraft, den Willen und das Geld dafür. Zusammen mit den Russen spielen sie auf Zeit und hoffen auf den friedensbringenden Segen einer internationalen Syrienkonferenz, deren Aussichten auf Erfolg so gering sind wie ein Wintereinbruch in der syrischen Wüste.

Was also ist zu tun? Der Westen ist gut beraten, sich nicht in ein bestimmtes Lager der Bürgerkriegsparteien zu begeben. Die Folgen sind nicht abzusehen und könnten blutig werden. Es wird ihm nichts weiter übrig bleiben, als so lange abzuwarten, bis die Bürgerkriegsparteien erschöpft nach einer Lösung für den Waffenstillstand suchen. Dennoch haben Amerikaner und Europäer ein gemeinsames Interesse: den Syrern die Chemiewaffen aus den Händen zu schlagen. Die riesigen Bestände an chemischen Massenvernichtungsmitteln – von Sarin bis Tabun – bedrohen nicht nur das Land und seine Menschen, sondern den gesamten Nahen Osten. Darüber hinaus könnten sie in den Besitz von Al-Qaida oder der Hisbollah gelangen und als schmutzige Bomben in Boston, Berlin oder Bristol zum Einsatz kommen.

Der Chemiewaffen habhaft zu werden wird schwierig und bedarf militärischer und politischer Initiativen. Amerika und seine Verbündeten werden nicht darum herumkommen, einige Waffenlager in Syrien von der Luft aus zu bombardieren; andere müssten wohl durch Eingreiftruppen unschädlich gemacht werden, die nach erfolgreicher Mission sofort den Einsatzort verlassen. Glaubt man den Angaben einiger westlicher Geheimdienste, üben amerikanische Spezialkräfte solche Einsätze bereits in Jordanien.

Das Interesse der russischen Regierung

Außerdem sollten die Rebellen, welche schon über chemische Kampfstoffe verfügen, politisch unter Druck gesetzt und ihnen nur dann Hilfe gewährt werden, wenn sie bereit sind, diese Waffen abzugeben. Die russische Regierung wird daran ein ähnlich großes Interesse haben. Moskau fürchtet gegenwärtig nichts mehr als eine islamistische Unterwanderung seiner muslimischen Landesteile.

Mit dem Blick auf alle weiteren Risiken, die sich aus dem syrischen Bürgerkrieg und den Beständen an Chemiewaffen ergeben, kann es den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten jedenfalls nicht behagen, allein Israel die nötige Drecksarbeit zu überlassen und Jerusalem hinterher dafür auch noch anzuklagen. Der Iran achtet gegenwärtig genau darauf, welche “roten Linien” der Westen zeichnet und was er tut, wenn diese überschritten werden. Zur Zeit tut er nichts. Eine Torheit, die schwere Folgen nach sich ziehen könnte.

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