The Combat Drone: A Dangerous Concept

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Wie bei den Atomwaffen darf der Einsatz von Drohnen als Waffe nicht die Kriegsschwelle senken. Es braucht daher einen ethischen Blick auf die Tatsache, dass Individuen, nicht Staaten gemeint sind.

Ob die Aufklärungsdrohne “Eurofalke” die Bundeswehr je mit Bildern beliefern wird, steht in den Sternen. Aber ihr Schicksal bedeutet nicht, dass Deutschland auf militärische Drohnen verzichtet. Thomas de Maizière hat sich für die Beschaffung solcher bewaffneten Flugroboter ausgesprochen, und zwar aus demselben Grund wie Barack Obama. Drohnen seien nicht anders zu bewerten als Bomber, aber womöglich ethisch im Vorteil, weil eigene Soldatenleben nicht gefährdet würden.

Gezielte deutsche Tötungseinsätze schließt der Minister aus. Es wird also ferngesteuerte Maschinen mit dem Balkenkreuz geben. Die Frage ist nur, ob das geschieht, bevor die ethische Dimension solcher Einsätze geklärt worden ist.

Kampfdrohnen gelten als ideale Distanzwaffe im Krieg mit Gegnern, die sich nicht an das Kriegsvölkerrecht halten. Drohnen zu schicken bedeutet, die eigenen Soldaten vor einem mitleidlosen Feind zu schützen. Der enorme Anstieg dieser Einsätze gegen al-Qaida unter Barack Obama hatte darin seinen Hauptgrund.

Automatisierung des Krieges

Die Automatisierung des Krieges sah aus wie die Erfüllung einer Obhutspflicht für das eigene Militär. Das nutzte das Weiße Haus sogleich, um die rechtliche Definition des Krieges neu zu umreißen: Drohnenflüge über Libyen wurden dem Kongress nicht mehr zur Genehmigung vorgelegt. Amerikanische Menschenleben, hieß es, seien ja nicht gefährdet. Deshalb seien solche Unternehmen kein zustimmungspflichtiger Kriegseinsatz im Sinne des Gesetzes.

Kritiker der Drohnentechnologie fürchteten von Anfang an, dass der automatisierbare Krieg identisch sei mit einem leichthin vom Zaun gebrochenen Krieg. Der Fall Libyen scheint das zu bestätigen. Doch dieselben Ängste gab es bereits nach dem Ersteinsatz der Atombombe. Auch damals schien es, als sei nun die endgültige Abstandswaffe erfunden worden, deren Kontrolleure fernab des Schlachtfelds im sicheren Bunker säßen.

Die Befürworter wogen die Obhut für Hunderttausende US-Soldaten gegen den Einsatz der Bombe in Japan ab und beschlossen, auf die Wirkung der Bombe zu setzen. Die Kritiker sahen diese Wirkungsmacht und die niedrige Einsatzschwelle und fanden, Kriegslüsternheit werde nun zu einem brandgefährlichen Geisteszustand.

Ethische Fragen

Es ist anders gekommen, und es wird auch mit den Drohnen anders kommen. Bei den Atomwaffen war freilich zweierlei die Bedingung dafür. Erstens besaßen bald genügend Länder diese Technik, um das kurzzeitige Überlegenheitsgefühl der USA wieder aufzuheben.

Zweitens stellten die Entscheider sich rechtzeitig die moralischen Fragen, die mit der neuen Waffe aufgetaucht waren. Der Blick auf die Bombe als interkontinentaler Artillerie wich dem Blick auf sie als komplexem politisch-philosophischem Problem. Dasselbe ist bei den Kampfdrohnen notwendig, um zu verhindern, dass die Kriegsschwelle sinkt.

Die erste Voraussetzung für einen nüchternen ethischen Blick ist schon gegeben. Kampfdrohnen sind kein Monopol der USA mehr. Washington verfügt zwar über das beste Führungssystem für solche Waffen. Doch Länder wie Russland oder China werden den Anschluss finden.

Die zweite Bedingung, um die neue Technologie als komplexe Herausforderung zu begreifen, ist allerdings nicht erfüllt. Ihre moralische Problematik wird noch vom Blick auf ihre militärische Wirksamkeit überlagert.

Krieg gegen Individuen

Die Drohne als Kampfmittel entstand kurz nach dem Weltkrieg als ferngelenktes Übungsflugzeug für US-Flaksoldaten. Diese Maschinen waren zu nichts anderem nutze und trugen bienenähnliche schwarze Streifen, daher der Spottname. Aus Spott ist Ernst geworden. Die lenkbaren nuklearen Cruise missiles der 80-er Jahre und ihre konventionelle Variante, mit der die USA 2003 Saddam Hussein gezielt zu töten versuchten, waren Vorläufer heutiger Geräte.

Die Atomversion war aber nicht zielgenau genug für Angriffe auf neuralgische Punkte eines Gegners und die konventionelle Variante nicht präzise genug für chirurgische Angriffe auf Einzelpersonen. Denn das sind die heutigen Kampfdrohnen: Es sind Waffen für den Krieg nicht mehr gegen Staaten, sondern gegen Individuen. Thomas de Maizière hat zwar andere Einsatzfelder im Blick. Aber die Wirk- und Sogmacht der Drohnen besteht darin, Einzelpersonen ohne Vorwarnung ausschalten zu können.

Sie sind eine ideale Waffe für den Krieg aus dem Hinterhalt — einem Hinterhalt ohne Chance auf Gegenwehr. Die risikofreie, absolut tödliche Falle gegen mitleidlose Feinde ist eine militärisch und politisch verführerische Idee.

Hinterhalt statt Diplomatie?

Die Kampfdrohne ist deshalb ein potenziell gefährliches Konzept. Erstens könnte sie dem geltenden Kriegsvölkerrecht widersprechen. Die Übereinkünfte verbieten Sprengfallen und Waffen mit hundertprozentiger Tötungswirkung. Kampfdrohnen lassen sich möglicherweise als solche Instrumente definieren.

Zweitens verändert der Krieg gegen Individuen das Verständnis der Gefechtsfeldaufklärung – und zwar umso mehr, je stärker ein Befehlsgeber sich an das Kriegsvölkerrecht gebunden fühlt. Ein Drohneneinsatz, der zweifelsfrei identifizierte Gegner treffen soll, erfordert die totale Aufklärung des Denkens, Wollens und Tuns einzelner Menschen.

Beim Luftschlag auf die Tanklaster von Kundus hat die Bundeswehr das schmerzlich erfahren. Wer Drohnen gegen Individuen einsetzt, muss jede Menschenseele in diesem Umfeld kennen, um keine Unschuldigen zu treffen. Der Einsatz von Kampfdrohnen ähnelt nicht einem computergesteuerten Hammer. Er ähnelt einer gewaltigen Zange, mit der jede Privatsphäre geknackt wird, bevor ein Staat den Hinterhalt auslöst.

Drittens schwindet mit diesem Hinterhalt der Anreiz, Risiken mit zeitraubenden diplomatischen Mitteln zu beseitigen. Der Effekt war bereits nach der Erfindung der Atombombe kurzzeitig spürbar. Nur die Massenmordwirkung der Bombe hat die USA im Koreakrieg vom Einsatz abgehalten.

Als die Komplexität der Atomwaffe dann ins Bewusstsein sank und die Obhutspflicht für Soldaten durch eine solche für den Weltfrieden abgelöst wurde, gebar die Atombombe die komplexesten diplomatischen Verhandlungen, die es je gegeben hat. Ein solcher Bewusstseinswandel ist auch mit dem Blick auf Kampfdrohnen notwendig, bevor der fliegende Hinterhalt allzu viele Regierungen verführt.

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