Totally Relaxed Across the Flatlands

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Tiefenentspannt übers platte Land

Von Beate Wild

26. August 2014

Ein Roadtrip in den USA versetzt einen schnell in die Welten von Tarantino und dem A-Team. Doch keine Angst vor den Kolossen der Straße – dann lässt es sich auf dem Highway fast schweben.

Die Liebe des Amerikaners zu seinem Auto ist unerschütterlich. Dass ohne die Blechkiste hier nichts läuft, konnte ich erst neulich wieder auf einem Roadtrip durch die Südstaaten eindrucksvoll erleben. Während man in San Francisco und New York noch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorankommt, geht in ländlicheren Regionen ohne Auto gar nichts. Auf dem platten Land in Mississippi, Alabama, Tennessee oder South Carolina ist man ohne Wagen geradezu isoliert. Die Distanzen sind einfach zu groß, Alternativen so gut wie nicht existent.

Und so kommt es, dass Amerikaner eigentlich immer ins Auto steigen, wenn sie das Haus verlassen. Jeder Meter wird gefahren. Das Benzin ist immer noch unverschämt günstig. Einmal Volltanken kostete bei unserem gemieteten Mittelklassewagen etwa 28 Dollar, das sind 21 Euro. Wobei die meisten hier bekanntlich keinen Mittelklassewagen fahren, sondern große Autos. Sehr große.

Stark vereinfacht lässt sich sagen, dass auf diesem Südstaaten-Trip vor allem drei Fahrzeug-Typen meinen Weg kreuzten: Typ “A-Team”, ein Mega-Van wie in der gleichnamigen Fernsehserie, Typ “Colt Seavers”, ein Pick-Up von beeindruckender Größe wie in der Serie “Ein Colt für alle Fälle”, und Typ “Stuntman Mike”, also Macho-Modelle wie Chevrolet Nova, Dodge Charger oder Ford Mustang, die man aus dem Tarantino-Film “Death Proof” kennt.

Alle natürlich mit abgedunkelten Scheiben, sodass sich nicht erkennen lässt, wer drin sitzt. Und “Stuntman Mike” meist in fiesen Farben lackiert, die schon Angst machen, bevor man den Fahrer überhaupt gesehen hat. Wer da mit einem zierlichen südkoreanischen Mietwagen auf dem Highway fährt, fühlt sich schon ein wenig in Bedrängnis, wenn ansonsten nur solch martialische Gefährte rollen.

Aussteigen? Nicht notwendig.

Vieles ist wie selbstverständlich auf die Autofahrer ausgerichtet. Geld abheben und ein paar Überweisungen bei der Bank abgeben? Kein Problem, einfach zum Drive Thru seiner Bank düsen, aussteigen nicht notwendig. Kaffee und Croissant am Morgen? Holt man sich beim Coffeeshop bei geöffnetem Wagenfenster an einem Schalter ab. Selbiges bei Burger und Pizza, versteht sich. Selbst der Drogeriemarkt und die Apotheke bieten diesen Service an.

Ein Highlight ist hier im Übrigen ein Fast-Food-Laden namens Sonic. Dort geht man beim “Drive In” essen. Man fährt mit seinem Auto auf einen Parkplatz, bestellt über eine Sprechanlage sein Menü und bekommt es in kurzer Zeit von einem Kellner in Uniform und Rollschuhen ans Wagenfenster gebracht. Gegessen wird das Zeug gleich an Ort und Stelle – im Auto.

Das Schönste am Autofahren in den USA ist aber das Tempolimit. Doch, wirklich. Während in Deutschland die meisten aufs Gas drücken und heizen, was die Kiste hergibt, ist das Fahren hier tiefenentspannt. Ein Dahingleiten, ein Vor-sich-hin-Tuckern, fast schon ein Schweben. Auf dem Highway fährt man maximal 70 Meilen pro Stunde, das sind 112 Stundenkilometer. Oft sind aber auch nur 45 oder 55 Meilen pro Stunde erlaubt, also 72 oder 88 Kilometer pro Stunde.

Keiner fährt schneller. Raser, die dicht auffahren und Stress mit der Lichthupe machen, gibt es hier nicht. Vor dem Tempolimit sind alle gleich. Punkt. Und wird einer mal übermütig, sorgt schon der Sheriff oder die Highway Patrol dafür, dass er wieder zur Vernunft kommt. Für solche Fälle haben pfiffige Anwälte gleich ihre riesigen Plakate am Straßenrand aufgestellt, auf denen sie mit Foto für ihre Dienste werben. Ein Problem mit der Polizei? Better call Saul, Breaking Bad lässt grüßen. Das Gesetz zwingt jeden zum Cruisen – auch “Stuntman Mike”.

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