Yes We Can?

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Barack Obamas Demokraten werden heute die Kongresswahl verlieren. Nach sechs Jahren Amtszeit muss der Präsident erkennen: Mit dem „Wir“ in seinem Wahlspruch ist er gescheitert.

„Yes we can“ ist der Satz, den wir, den jeder auf immer mit dem ersten schwarzen Präsidenten der USA verbinden wird. Barack Obama hat schon allein wegen seiner Hautfarbe Geschichte geschrieben. Sein Verdienst aber wird bleiben, wegen dieses Satzes gewählt worden zu sein. Er hat den US-Amerikanern und auch der Welt gesagt, es gebe Hoffnung, die Gegenwart zum Besseren zu verändern. Er steht für die Überzeugung, diese Hoffnung sei allemal wertvoller als der zynische Blick auf eine Welt, die angeblich nicht zu verändern sei und in der es nur darum gehe, das Beste für sich selbst herauszuholen.

Heute, bei den sogenannten Midterm Elections in der Mitte der zweiten und verfassungsgemäß letzten Amtsperiode des Präsidenten Obama, steht seine Demokratische Partei mit dem Rücken zur Wand. Ein Drittel des Senats, das gesamte Repräsentantenhaus und etwa zwei Drittel der Gouverneursämter werden neu gewählt. Midterm Elections gehen erfahrungsgemäß immer zulasten der Regierungspartei, aber diesmal könnte es für die Demokraten ganz übel enden. Sie kämpfen verzweifelt darum, ihre Wähler zu mobilisieren, also zur Stimmabgabe zu bewegen – und sie kämpfen oft ohne Obama. Nicht, weil der nicht wollte, aber, so heißt es, der eine oder andere demokratische Kandidat meide Obamas Nähe aus Furcht, dessen schlechtes Image könne abfärben.

Obama ist grau geworden im Amt. Buchstäblich. Sechs Jahre Präsidentschaft haben sichtbare Spuren hinterlassen – ihm sieht jeder an, dass sein Amt eine schwere Bürde ist. In der zweiten Hälfte seiner letzten Legislaturperiode vor dem Ende der Amtszeit gilt jeder Präsident als lame duck, als lahme Ente, weil sich die politischen Gegner, aber auch die eigene Partei schon neu orientieren. Obama aber ist eine ganz besonders lahme Ente. Er hat die USA nicht verändert und die Welt schon gar nicht, obwohl er den US-Bürgern und uns so viel versprochen hatte. Die Welt ist nicht friedlicher geworden, auf die Bedrohung durch die IS-Terroristen oder etwa den Ukrainekonflikt hat Obama bisher keine überzeugenden Antworten gefunden. Das liegt vor allem daran, dass es diese einfachen Antworten nicht gibt, angelastet wird ihr Fehlen dennoch dem Präsidenten.

US-Bürger fühlen sich bedroht

Aber US-Bürger interessieren sich in der Regel noch weniger für Außenpolitik, als wir es uns vorstellen. Das spricht eigentlich für die Demokraten, denn den USA geht es innenpolitisch nach landläufigen Kriterien gut. Die Wirtschaft wird 2014 um etwa 3,5 Prozent wachsen, die Arbeitslosenquote ist auf einen respektablen Wert unter sechs Prozent gefallen und die Energiepreise sinken stetig. Dennoch fühlen sich viele US-Bürger nicht gut. Sie fühlen sich bedroht. Sie glauben dem, was ihnen die Republikaner unentwegt sagen, in Wahlreden wie in Wahlspots. Unterstützt zuallererst von dem TV-Sender Fox des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch.

Wir kennen Fox als Sender, der die Simpsons oder Dr. House erfunden hat. US-Bürger kennen ihn als den Sender, der ihnen im Verein mit den Republikanern einredet, sie seien bedroht. Vom Islamischen Staat, der Terroristen über die mexikanische Grenze schleuse, von illegalen Einwanderern, von Ebola, von Verbrechern, und vor allem vom Sozialismus. Für sämtliche Übel seien die Demokraten und ihr Präsident verantwortlich. „Obamacare“, die öffentliche Krankenversicherung für alle Bürger der USA, eigentlich ein überfälliger Meilenstein des sozialen Fortschritts, wurde von der unheiligen Allianz aus Republikanern und Fox wechselweise als Einstieg in den Sozialismus oder den Faschismus, sicher jedoch als Ende der freien Welt gegeißelt. Mit den gleichen Argumenten werden höhere Steuern für Besserverdienende und überhaupt jede Bemühung um sozialen Ausgleich diffamiert. Von all dem, was Obama einmal umschrieben hat mit einer Politik der Hoffnung für alle Bürger, ist sehr wenig geblieben.

Das liegt auch an Obama selbst, der gerade bei der Krankenversicherung sich von Kompromiss zu Kompromiss hat treiben lassen. Es liegt sicher auch an der konsequenten Verweigerungspolitik der Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus, insbesondere nachdem sie dort 2010 die Mehrheit bekamen.

Vor allem aber ist der Traum gescheitert, den Obama immer noch so beredt zu beschwören vermag, weil die Menschen leichtfertig vergessen haben, was er ihnen wirklich zugerufen hat. „We can“, wir können. Es ist vielleicht die bitterste Erkenntnis auch des Präsidenten in der Rückschau auf sechs Jahre im Amt, dass immer, wenn es um Sozialpolitik ging, sich viel zu wenig Bürger und auch demokratische Politiker zu diesem „Wir“ bekannt haben.

Die Demokraten werden ihre Mehrheit auch im Senat verlieren, von ihrer eigenen Politik haben sich ohnehin schon viele ihrer gewählten Vertreter abgewandt. So wird es wieder nur einen geben, der in den kommenden zwei Jahren den US-Bürgern sagen kann, welche Politik gut für alle und nicht nur für wenige ist. Der ihnen sagt, was es bedeutet, Hoffnung über Zynismus zu stellen. Barack Obama.

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