Outlandish Drivel about the USA as Global Cop

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Der sonderbare Geifer gegen den Weltpolizisten USA

Von Martin Engelberg

14.03.2016

Wehe, man wagt es heute, die Ordnungsfunktion der Vereinigten Staaten in einer chaotischen Welt zu loben. Da kommt es augenblicklich knüppeldick zurück.

Die Vereinigten Staaten als Weltpolizist zu bezeichnen oder gar zu loben – das kommt hierzulande bei so manchen gar nicht gut an. Jedes Mal erhebt sich geifernde Kritik. Und augenblicklich macht sich eine unfassbare Amnesie über die vielen weltgeschichtlich bedeutsamen Interventionen der USA breit.

Die USA hätten immer und überall nur verbrannte Erde hinterlassen; man solle auch nur ein einziges Land nennen, für das eine militärische Intervention der USA in den vergangenen 30 Jahren positiv ausgegangen sei: So war der Tenor der Reaktionen auf diese Kolumne vor zwei Wochen. Dabei waren das eher noch die vernünftigeren Repliken. Ähnliches hört man ja auch immer wieder in Gesprächen mit gebildeten Zeitgenossen.

Fangen wir also an, gehen wir 30 Jahre zurück ins Jahr 1986. Welche Bedeutung gerade diese Zeitspanne haben soll, bleibt schleierhaft, aber bitte. Wie wäre es mit der Befreiung Kuwaits von den irakischen Besatzern im Zuge des Golfkriegs im Jahr 1991? Wäre es denn besser gewesen, die US-Amerikaner hätten nicht interveniert?

Offensichtlich ist auch schnell in Vergessenheit geraten, dass es die Amerikaner waren, die 1995 durch ihr militärisches Eingreifen in Bosnien endlich Frieden erzwangen. Dadurch wurde das jahrelange Morden beendet, wozu die Europäer – in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft – nicht imstande waren. Sogar UNO-Soldaten sahen tatenlos zu, als in Srebrenica zuvor über 8000 bosnische Männer und Burschen massakriert wurden. Alles schon vergessen? Vier Jahre später waren es wieder die USA und nicht die Europäer, die am Balkan eingriffen, um im Kosovo die Albaner vor serbischen Aggressoren zu schützen.

Die Empörung über die US-Intervention im Irak 2003 ist besonders groß. Den USA wird in diesem Zusammenhang auch angelastet, damit die heutigen Flüchtlingsströme losgetreten zu haben. War denn der Irak bis 2003 eine blühende Demokratie und ein Rechtsstaat? Oder wurde dort nicht vielmehr ein Despot und seine Clique gestürzt, die 24 Jahre lang ein Schreckensherrschaft ausgeübt hatten, die mit jener Hitlers, Stalins und Pol Pots verglichen wurde?

Gab es im benachbarten Syrien nicht ausreichend Gründe für einen Aufstand der Bevölkerung gegen das Regime der Assads? Sind es nicht oft dieselben Leute, die sich über Interventionen der USA aufregen, die zugleich beklagen, Washington habe nicht rechtzeitig im syrischen Bürgerkrieg interveniert? Der hat bisher – ohne Eingreifen des Weltpolizisten – schon über 300.000 Tote gefordert.

Merkwürdig auch, dass in einem Posting die Geschichtsschreibung so gar nicht bis zum Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Vielleicht liegt genau hier das Problem begraben: Zu unangenehm ist wohl die Erinnerung daran, dass wir Freiheit, Demokratie und Wohlstand dem verlustreichen Kampf der US-Amerikaner für die Befreiung Europas zu verdanken haben. Offensichtlich ist die Tatsache, was und wie viel wir unmittelbar den USA zu verdanken haben, so schambesetzt, dass man die Amerikaner jetzt ständig für alles verdammen muss.

Sigmund Freud forderte 1932 in seinem Briefwechsel mit Albert Einstein die Einsetzung einer Zentralgewalt zur Verhütung von Kriegen. So wie damals der Völkerbund taugt auch die heutige UNO nicht für diese Aufgabe. Wir konnten daher eigentlich nur dankbar sein, wenn die USA diese Funktion übernahmen. Dies umso mehr, als Österreich einerseits zu den größten Nutznießern des US-Engagements gehörte, weil es das Privileg hatte, in der westlichen Welt zu leben, und weil es andererseits praktisch keine Leistung dafür erbringen musste.

Diese Ära geht langsam zu Ende. Europa wird selbst in die Rolle eines (Hilfs-) Sheriffs treten müssen und dabei seine narzisstische Unschuld verlieren. Diese Erkenntnis ist für manche aber anscheinend so schmerzhaft, dass wichtige Abschnitte der Geschichte Europas und des Wirkens der USA verdrängt werden.

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