Obama’s Farewell Tour: The Feel-Good President

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Er verwandelt Politik in Comedy: US-Präsident Barack Obama ist immer für einen Gag gut. Nicht so witzig dürfte das Resümee seiner Amtszeit ausfallen. Dazu hat er zu viele Hoffnungen enttäuscht.

Barack Obama ist der Comedian-in-chief, der Präsident als Entertainer – und wenn man gerade wieder gesehen hat, was für ein begnadeter Performer er ist, könnte man denken, dass es das ist, was von seiner Ära bleibt: die Verwandlung von Politik in Stand-up.

Beim White House Correspondents Dinner war es, als er mit einer selbstverständlichen Lässigkeit seine Pointen platzierte. Kleine, Bosheiten, die nie gehässig waren oder wirklich verletzend, vorgetragen mit dem Charme eines schlacksigen Mannes, gegen dessen Timing, Rhetorik und Selbstironie Angela Merkel bei ihren Auftritten wirkt wie ein Stück Duplo. Und Anton Hofreiter wie ein Ballon, dem die Luft ausgeht und der wild pfeifend durch den Raum schießt.

Aber die Frage, warum es in Deutschland solche Politiker nicht gibt, die stellt sich gar nicht, weil die Antwort so evident ist: Da könnte man auch fragen, warum dieses Land keinen Duke Ellington hat, keinen Miles Davis, keinen Prince und keine Beyoncé.

Die Frage ist eine andere: War es das? Oder war da noch was?

Die Frage also danach, was von diesem Präsidenten bleibt, dessen Wahl schon das Wunder war, so schien es damals. Und was soll nach Wundern schon noch passieren? Sie haben die Wirklichkeit scheinbar schon verändert, und wenn man dann aufwacht und sich erinnert, dass es keine Wunder gibt und die Wirklichkeit ein harter Keks ist, dann ist es meistens zu spät und es bleibt einem nicht viel mehr, als anderen bei der Abwicklung der eigenen Wunschvorstellungen zuzuschauen.

Lichtgestalt mit miserabler Außenpolitik

Das war auch bei Obama so, und die Hartnäckigkeit, mit der viele an dem Traum festhielten, dass dieser Mann sein Land und die Welt vom Trauma der Bush-Baggage befreien könnte, zeugt davon, wie unten die USA waren, als Obama kam. Politisch, moralisch, wirtschaftlich. Allein auf diesem Level hat dieser Feel-good-Präsident ja vieles erreicht, und vielleicht ist innenpolitisch sogar die Rettung vor einer neuen Großen Depression nach 2008 das, was die Historiker als sein Erbe ansehen werden.

Außenpolitisch schaut es dagegen nicht so gut aus, man könnte auch sagen: verheerend. Da ist Guantanamo, das er nicht geschlossen hat; da ist das falsche, weil unentschlossene Eingreifen in Libyen; da ist das Nicht-Eingreifen in Syrien, das den Bürgerkrieg und schließlich das Raubtierwesen Daesh erst ermöglicht hat; da ist der kontroverse Deal mit dem Iran, der Israel beunruhigt, dem Obama kein besonders guter Partner war; und da ist vor allem der Drohnenkrieg, den Obama radikal ausgeweitet hat, und auch das harte Vorgehen gegen Whistleblower. Obamas Erbe, so stand es gerade in “Time”, sei “Krieg ohne Ende”.

Aber trotz all dem, trotz TTIP und all dem anderen, gibt es einen gewissen Widerwillen, Obama und seine Präsidentschaft allzu negativ zu sehen. Das hat oft mit den eigenen Hoffnungen zu tun, die man nicht so leicht aufgeben will. Das hat aber auch damit zu tun, dass Obama im Vergleich zu dem, was die Republikaner während seiner Amtszeit an Politikvernichtung veranstalteten, wie eine Lichtgestalt klassischer, konstruktiver Politik erschien. Eine Erinnerung an eine Zeit, als Politik noch geholfen hat.

Und es hat vor allem damit zu tun, was nach ihm droht, als Folge der Radikalisierung der Rechten, die Obama gerade verhindern wollte. Hier, kann man sagen, ist er gescheitert, was nicht sein Versagen ist. Es gibt einen Teil der amerikanischen Gesellschaft, die es bis heute nicht ertragen kann, dass ein Schwarzer Präsident ist, und immer noch und immer wieder mit der Frage kommen, wo Obama eigentlich geboren ist und ob er nicht doch ein Strohmann für die muslimische Weltverschwörung ist.

Er wollte der Versöhner sein in einer Ära des Hasses – und bekam erst die Tea Party mit ihrer politischen Radikalverweigerung und dann “the Trump”, der Politik nach der Logik eines Comics betreibt, Zack Bumm Päng. Beide sind klassische reaktionäre Phänomene, weil sie die Angst bestimmter gesellschaftlicher Gruppen vor zu großer Veränderung repräsentieren und eine direkte Reaktion auf die Wahl 2008 darstellen. Obamas Wahl war symbolisch ein großer Schritt ins 21. Jahrhundert; viele Wähler fühlen sich im 20. Jahrhundert aber wohler.

Die Verzweiflung der Mittelschicht

Der Blick auf Obamas Präsidentschaft wird damit stark davon abhängen, wer sein Nachfolger wird, Trump oder Clinton. Und auch der Erfolg von Bernie Sanders hat mit ihm zu tun: mit der Enttäuschung vieler Wähler, dass sie von ihm nicht das bekommen haben, was sie sich erhofft hatten – eine gerechtere Gesellschaft. Neal Gabler hat gerade in einer Titel-Geschichte für die Zeitschrift “The Atlantic” den “geheimen Scham der Mittelklasse” beschrieben und die Tatsache, dass fast die Hälfte aller Amerikaner nicht in der Lage wären, mal schnell 400 Dollar aufzutreiben, wenn sie es müssten.

Wer in diesem Zusammenhang die extrem vernunftgetriebene Politik von Bernie Sanders als links oder “rot” beschreibt, hat immer noch nicht verstanden, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Die Enteignung, die Perspektivlosigkeit, die Verzweiflung weiter Teile der Mittelschicht sind vielleicht das zentrale Problem der heutigen westlichen Demokratien, daran wird sich ihr Überleben entscheiden. Es geht hier nicht um links oder rechts, es geht eine offensichtliche Gerechtigkeitslücke und die Skepsis vieler gerade junger Wähler, dass eine Frau der Vergangenheit wie Hillary Clinton diese Probleme anpacken wird.

Obama hat es nicht geschafft und nicht mal gewagt, die zentralen systemischen Fragen anzugehen. Seine Gesundheitsreform wirkt eher wie ein Versuch, die 1970er Jahre nachzuholen. Clinton verspricht Kontinuität in diesem Sinn, mit Trump droht Chaos und Krieg, gesellschaftlich wie generell. Obama also, den manche nicht ganz zu Unrecht mit Jimmy Carter verglichen haben, wird damit wohl so oder so in der Erinnerung noch wachsen. Die Verklärung wird anhalten.

Er ist aber auch so sympathisch. Wie hart man auch sein kann, vielleicht sein muss, zeigte beim White House Correspondents Dinner der Comedian Larry Wilmore, der nach Obama sprach und sich nicht damit begnügte, Trump oder die anwesenden Journalisten zu kritisieren oder lächerlich zu machen. Er zerriss das Lügengebäude einer Gesellschaft, die einen Hashtag wie #blacklivesmatter überhaupt nötig hat. Was für ein Statement, was für ein Erbe für einen schwarzen Präsidenten, das überhaupt benennen zu müssen – auch das eine bleibende kulturelle Erinnerung, “Sign of the Times”, wie Prince es nannte, die Bilder der Schwarzen, die durch die Polizei starben. “My nigga” nannte Wilmore am Ende seiner Stampede Obama, es war zärtlich, es war brutal, es war so ambivalent, rhetorisch, offen und in der Schwebe wie das Erbe dieser Präsidentschaft.

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