Trump and Russia: A Headlong Rush to Destruction

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Trump und Russland

Blindlings ins Verderben

Der anhaltende Wirbel um die Konfrontation zwischen Donald Trump und Ex-FBI-Chef Comey verdeckt den wahren Skandal: Russland versucht, die US-Demokratie zu sabotieren – und der Präsident guckt weg. Warum?

James Comey war ein Quotenhit. Fast 20 Millionen Amerikaner guckten zu, als der Ex-FBI-Chef als Kronzeuge gegen US-Präsident Donald Trump aussagte. Weitere rund 90 Millionen verfolgten Teile der Senatsanhörung online.

Die Konfrontation wird die Welt auch diese Woche weiter bewegen. Comeys Auftritt hat neue Fragen aufgeworfen. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Machte sich Trump strafbar, als er sich in die Russland-Ermittlungen des FBI einmischte? Welche Rolle spielte Justizminister Jeff Sessions, damals Comeys direkter Vorgesetzter? Sessions soll nun am Dienstag ebenfalls im Geheimdienstausschuss Rede und Antwort stehen. Rekordquoten garantiert.

Bei diesem telegenen Hickhack gerät jedoch schnell in Vergessenheit, worum es hier wirklich ging – und geht. Und zwar um eine Gefahr, die für Amerikas Demokratie viel (folgen-)schwerer ist als ein Autoritätszank zwischen einem egomanischen Präsidenten und einem clever-unbeugsamen Untergebenen.

Comey machte diese Bedrohung ohne Umschweife klar. Doch angesichts des persönlichen Dramas seiner Aussage nahm das keiner richtig zur Kenntnis.

“Die Russen griffen 2016 in unsere Wahlen ein”, sagte Comey. “Sie taten es mit Vorsatz. Sie taten es mit Raffinesse. Sie taten es mit überwältigenden technischen Anstrengungen. Und es war eine aktive, von der Spitze ihrer Regierung gesteuerte Maßnahmenkampagne. Daran gibt es keine Zweifel.”

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Russland versucht, Amerikas zentralen politischen Prozess zu sabotieren. Demnach brachen Moskaus Hacker nicht nur in die Server der Demokraten ein, sondern auch in die Computer von Hunderten, wenn nicht gar über 1000 US-Behörden, Firmen und Privatpersonen.

Mehr noch: Geheimdokumenten zufolge, die die vergangene Woche verhaftete NSA-Whistleblowerin Reality Leigh Winner an die Website “Intercept” lanciert haben soll, verschaffte sich der russische Geheimdienst dabei sogar Zugang zu einem Hersteller von Wahl-Software, die in acht US-Staaten zum Einsatz kommt – darunter in den Swing States Florida, North Carolina und Virginia.

Trump tut: nichts

Dieser moderne Kalte Krieg zahlt sich bereits aus für Moskau. Die USA sind heillos zerstritten, ihre Gesellschaft ist tief gespalten und geprägt von Misstrauen. Und dank Trumps manischer Missachtung demokratischer Normen knirscht das gesamte System, national wie international. Comey erwartet denn auch weitere Angriffe der Russen – auf die US-Kongresswahlen im kommenden Jahr und die Präsidentschaftswahlen 2020: “Sie werden zurückkommen.”

Doch was tut Trump? Nichts. Der Präsident, berichtete Comey, habe dieses “Riesending” in ihren Treffen nicht einmal angesprochen. “Niemals?”, hakte der Senator Martin Heinrich ungläubig nach. “Nein”, wiederholte Comey.

Stattdessen bagatellisiert Trump die Einmischung Russlands unentwegt als eine von den “beleidigten” Demokraten propagierte “Fake News” und beschimpft Comey als “Lügner” und “Leaker”. Whistleblowerin Winner, 25, wurde derweil wegen Geheimnisverrats angeklagt, Höchststrafe zehn Jahre. Während die US-Medien sich auf ihren privaten Hintergrund stürzen, spricht kaum einer von den erschreckenden Erkenntnissen, die sie offengelegt hat.

Blindlings ins Verderben. Warum deckt Trump Russland? Bestenfalls ist es sein Ego: Wer die Wahlen anzweifelt, entwertet in Trumps Augen seinen Sieg – und nichts regt ihn mehr auf. Bis heute erwähnt – und übertreibt – er seinen äußerst knappen Erfolg immer wieder, obwohl der nun schon sieben Monate her ist.

Und schlimmstenfalls ist es eine unheilige Allianz Moskaus mit Trumps Team, wenn nicht mit Trump selbst. Mindestens sieben Berater hatten vor und nach der Wahl Kontakte zu Russen, die sie manchmal zu melden “vergaßen”.

Was, warum, wie: Das soll nun der Sonderermittler Robert Mueller klären, Comeys Vorgänger als FBI-Chef. Mueller ist ehrenwert und akribisch, er wird sich Zeit nehmen. Am Wochenende wurde bekannt, dass er den Anwalt Michael Dreeben angeheuert hat, einen der besten US-Strafrechtsexperten.

Ein baldiges Ende dieser surrealen Realityshow ist also unwahrscheinlich. Auch Bill Clintons Impeachment 1998 begann lange vorher mit Ermittlungen zu einem Immobiliengeschäft, die mit der späteren Lewinsky-Affäre nichts zu tun hatten. Bis zum Amtsenthebungsverfahren dauerte es sieben Jahre.

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