The Power of Monuments

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US-Präsident Trump bedauert es, dass Reiterstatuen von Südstaatlern abgerissen werden. Aufhalten kann er die Gegner kaum.

Wer etwas werden will, erfindet sich eine dazu passende Vergangenheit. Darum spielen Denk- und Mahnmäler immer wieder eine so große Rolle. Ihre Errichtung ist eine politische Demonstration. Also ist auch ihr Abriss eine.

Vor hundert Jahren wurde in Charlottesville der Robert E. Lee Park eingerichtet. 1924 kam das Reiterstandbild des Südstaaten-Generals (1807–1870) dazu. Im vergangenen Jahres beschloss der Stadtrat von Charlottesville – zwei weiße Männer, zwei weiße Frauen, ein Schwarzer – einstimmig, den Park in „Emancipation Park“ umzubenennen und die Statue zu beseitigen.

Trump allein zu Hause?

Rechtsradikale Gruppen wie der Ku-Klux-Klan nahmen das zum Anlass für gewalttätige Demonstrationen in Charlottesville. Zahlreiche Verletzte, eine Tote.

Es gab Gegendemonstrationen und einen US-Präsidenten Donald Trump, der die Rechtsradikalen verteidigte. Selbst der präsidententreue Sender Fox News erklärte, er fände keinen bekannten republikanischen Politiker mehr, der die Haltung des Präsidenten unterstütze. Trump allein zu Hause?

In Baltimore hat die Bürgermeisterin über Nacht Denkmäler, die an Südstaatler-Helden erinnern, abreißen lassen. Überall in den USA werden nach Charlottesville die Südstaaten-Denkmäler infrage gestellt. Der Ku-Klux-Klan scheint das Gegenteil erreicht zu haben von dem, was er wollte. Donald Trump eilt ihm auch diesmal zu Hilfe und erklärt zum Abriss der Südstaaten Denkmäler: „Traurig zu sehen, wie die Geschichte und Kultur unseres großen Landes mit dem Abriss unserer schönen Statuen und Denkmäler zerrissen wird.“ Aber schon ihre Aufstellung hatte das Land zerreissen sollen. Als in Charlottesville die Lee-Statue aufgestellt wurde, wurde das Wahlrecht für Schwarze im Staat Virginia eingeschränkt.

In Berlin gibt es seit 1996 die Axel-Springer-Straße. Als nach jahrelangem Streit die taz-Idee einer Rudi-Dutschke-Straße am 30. April 2008 Wirklichkeit wurde, da wurde das Straßenschild vor dem Axel-Springer-Hochhaus enthüllt. Springer und Dutschke waren die Antipoden im Westberlin der zweiten Hälfte der 60er Jahre. Die Umbenennung eines Teils der Kochstraße war eine politische Machtdemonstration. Es gehört sicher zu den Schönheiten Berlins, dass heute Axel-Springer-Straße und Rudi-Dutschke-Straße so friedlich auf einanderstoßen.

Der Anblick des Bösen ist nicht unerträglich

Auch für die unterlegenen Südstaatler hatte es in den USA eine Amnestie gegeben, und in einigen Südstaaten wird bis heute am 19. Januar der Geburtstag des Generals gefeiert. Es gibt auch ein Atom-U-Boot, das seinen Namen trägt. Ohne die Abschaffung der Sklaverei, aber auch ohne die Einbeziehung der ehemaligen Sklavenhalter, wie auch ohne das erst 1920 eigeführte Frauenwahlrecht, wären die Vereinigten Staaten keine Vereinigten Staaten.

Vielleicht wäre es besser, an einer anderen Stelle einem schwarzen Sklaven aus Charlottesville ein Denkmal zu setzen. Oder John Henry James, der 1898 in Charlottesville gelyncht wurde. Für Letzteres gibt es eine Petition an den Stadtrat von Charlottesville.

In Deutschland vergeht wahrscheinlich kein Tag, an dem nicht rechtsradikale Redner gegen das Holocaustmahnmal in Berlin wettern. Kein anderer Staat setze in die Mitte seiner Hauptstadt ein Denkmal seiner Schande, einer noch dazu erlogenen Schande, heißt es. Die Errichtung des Mahnmals hatte genau diesen Sinn: Wir und die Besucher der Stadt sollten nie vergessen, was hier getan und was erst von hier aus geplant wurde.

Was immer man zu dem Gelände sagen mag – geschadet hat es Deutschland nicht. Ob wir ohne es einen noch rabiateren Rechtsradikalismus hätten, ob es uns also geholfen hat, wird man bezweifeln können. Mahn- und Denkmäler bewirken wenig.

Ein Machtspiel

Der Anblick des Bösen ist nicht unerträglich. Er könnte auch daran erinnern, dass es nicht selbstverständlich ist, ihm nicht ausgeliefert zu sein. Ein Stück Mauer stehen zu lassen, wäre nicht nur aus Gründen der touristischen Attraktivität klug gewesen. Das Olympiastadion erinnerte lange an eine Ästhetik und eine Art der Machtausübung, von der wir uns nur mühsam befreien ließen.

Etwas ganz anderes, als Zeugnisse einer überwundenen Vergangenheit stehen zu lassen, ist es, trotzig einer ihr entkommenen Gegenwart die Vergangenheit als Vorbild vorzusetzen. Also zum Beispiel Bundeswehrsoldaten in Kasernen, die nach Wehrmachtshelden benannt wurden, auszubilden. Da soll gezeigt werden: Es war nicht alles schlecht. Dabei ist das überhaupt nicht die Frage. Es geht darum, ob ein Nazi-Krieger als Vorbild für Bundeswehrsoldaten taugt. Sie haben sich nicht verdient gemacht, weder um ihr Vaterland noch gar um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie sind keine Vorbilder.

Wer ein Denkmal errichtet, möchte, dass wir zu ihm aufschauen. Wer es niederreißt, lehnt es ab, zu ihm aufzuschauen. Nicht nur das. Er will seinen Unwillen demonstrieren. So oder so – es ist ein Machtspiel. Überall auf der Welt.

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