Trump and Kim Surf the Red Line

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Nordkorea und die USA wollen die rote Linie nicht überschreiten, die einen Gegenangriff herausfordern würde. Doch wer täglich so dicht an der roten Linie entlangsurft, der könnte sie versehentlich überschreiten.

Täglich erleben wir eine neue Runde von verbalen und praktischen Provokationen des US-Präsidenten und des nordkoreanischen Machthabers. Und das, nachdem sie sich bereits gegenseitig geisteskrank und senil genannt und dem anderen die völlige Zerstörung zugesichert haben.

Am Samstag hat Donald Trump Kampfflugzeuge an den Rand des nordkoreanischen Luftraums geschickt. Kim Jong Un hat daraufhin am Samstag ein Computervideo veröffentlichen lassen, in dem er amerikanische Jets, einen Flugzeugträger und sogar das Weiße Haus in Flammen aufgehen lässt. Er erwägt zudem den ersten oberirdischen Atomtest seit 1980.

Trump will außenpolitisch Stärke zeigen

Das Verhalten der beiden Männer lässt sich mit etwas gutem Willen als rational deuten. Kim will seine Herrschaft festigen und braucht die ultimative Waffe als Lebensversicherung. Die Weltmächte nehmen ihn nur ernst, wenn er glaubhaft drohen kann. Zudem hat schon die Politik seines Vaters gezeigt: Mit der Nuklearkarte lassen sich Zugeständnisse im Handel gewinnen. Der 33-Jährige zieht diese Spiel bloß deutlich aggressiver und konsequenter durch.

Trump wiederum will nach vielen innenpolitischen Schlappen zumindest außenpolitisch stark aussehen. Zu seinen Verhandlungsregeln gehört es, nicht nachzugeben, keine Blöße zu zeigen. So hat es der 71-Jährige als Immobilienhändler in New York gemacht, dieses Image hat er in seinen Fernsehrollen zementiert.

Das Machtgehabe wäre erträglich, wenn es um Verhandlungen zum Verkauf eines Bürohochhauses ginge. Doch die Gefahr eines tödlichen Fehlers wächst derzeit täglich. Ja, Kim und Trump wollen die rote Linie nicht überschreiten, die einen Gegenangriff herausfordern würde – schließlich hätte niemand etwas von einem Krieg. Doch wer täglich so dicht an der roten Linie entlangsurft, der könnte sie versehentlich überschreiten.

Wenn Kampfflugzeuge zwar nicht ganz, aber doch fast in den nordkoreanischen Luftraum eindringen, dann reicht der falsche Knopfdruck eines Flugabwehrmanns, und die US-Maschine taumelt zu Boden. Das wäre ein konkreter Angriff. Umgekehrt genauso: Wenn Kim eine Atomrakete über dem Pazifik detonieren lässt und ein US-Kriegsschiff – oder nur ein japanisches Fischerboot – käme zu Schaden, dann läge eine konkrete Aggression vor.

Weder Trump noch Kim bleibt dann etwas anders übrig, als zurückzuschlagen. Das sind sie dem Image schuldig, das sie als unnachgiebige, gewaltbereite Führer aufgebaut haben.

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