When Washington Goes into Deep Freeze

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Wenn Washington einfriert

Noch einen Tag vor Ablauf der heiklen Frist rätselten selbst erfahrene Beobachter der US-Politik, ob sich die Parteien einem Kompromiss wohl angenähert hatten. Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Regierungsstillstands in den kommenden 24 Stunden sei, müsse man genau auf die Körpersprache der Beteiligten achten, erklärte der Korrespondent des Senders CNBC im Weißen Haus, Eamon Javers. Wenige Stunden später sollten sich Präsident Donald Trump und die Spitzen von Demokraten und Republikanern zusammensetzen, um die drohende Stilllegung der Regierung im letzten Moment abzuwenden.

Am späten Nachmittag einigten sich beide Kongresskammern schließlich auf ein kurzfristiges Ausgabenpaket, das die Finanzierung staatlicher Behörden und Programme zumindest für die kommenden zwei Wochen sichert. Doch gelöst ist das Problem damit nicht: Spätestens am 22. Dezember muss der Kongress sich erneut auf ein Ausgabenpaket einigen.

Sollte das nicht gelingen, droht Washington wieder einmal die Zwangspause: Hunderttausende Staatsangestellte müssten zu Hause bleiben, Steuerrückzahlungen würden verzögert und Anträge auf Arbeitslosengeld oder Behindertenunterstützung blieben liegen; Lebensmittelprogramme würden auf Eis gelegt, Untersuchungen der Umweltbehörde aufgeschoben und Hunderte öffentliche Parks geschlossen. Hauskäufer müssten auf Hypotheken warten, kleine und mittelständische Unternehmen, die auf die Bewilligung von Krediten oder Aufträge der Regierung hoffen, vertröstet werden.

Shutdown kostet Milliarden, pro Woche

Die wirtschaftlichen Folgen wären enorm. Die Ratingagentur Standard & Poor’s schätzt die Kosten eines Shutdowns auf mindestens 6,5 Milliarden Dollar pro Woche. Das zuständige Office of Management and Budget kalkulierte, der letzte Shutdown 2013 habe die US-Wirtschaft in 16 Tagen gar 24 Milliarden Dollar gekostet und das Bruttoinlandsprodukt im betreffenden Quartal zwischen 0,2 und 0,4 Prozent verringert. “Ein Shutdown betrifft nicht nur Washington, sondern hat Auswirkungen auf zahlreiche Sektoren im ganzen Land”, schrieben die Experten im August.

Der Druck auf die Republikaner ist entsprechend groß, einen Shutdown unter ihrer Führung zu verhindern. Ein Scheitern der Verhandlungen könnte nicht nur die Wirtschaft belasten, sondern auch die noch frischen Erfolge bei der Steuerreform überschatten.

Doch die Konservativen haben trotz ihrer Mehrheiten in beiden Kammern ein Problem: Um die Ausgaben abzusegnen, brauchen sie im Senat 60 Stimmen, ohne die Demokraten geht es deshalb nicht. Das gibt den Liberalen viel Verhandlungsspielraum. Seine Partei werde gezwungen, “im Grunde ein demokratisches Dokument zu erstellen”, beschwerte sich der Republikaner Trent Franks aus Arizona in dieser Woche. Seit dem 1. Oktober läuft das aktuelle Haushaltsjahr, doch bislang ist es beiden Parteien nicht gelungen, sich auf einen langfristigen Ausgabenbeschluss zu einigen. Während die Demokraten eine Erhöhung sämtlicher Budgets fordern, wollen sich die Konservativen und der Präsident auf Ausgaben für Verteidigung und nationale Sicherheit beschränken.

Das vermeintliche Routineverfahren ist laut Kritikern zu einem politischen Showdown geworden, bei dem beide Seiten versuchen, dem Budget ihren ideologischen Stempel aufzusetzen – und den drohenden Stillstand nutzen, um die eigene Agenda voranzutreiben. Immer häufiger riskieren die Parteien dabei den Ernstfall. Allein seit 1981 kam es zwölfmal zu einem Shutdown, der die Regierung mal nur einen, mal bis zu 21 Tage lahmlegte. Vor einem Jahr war ein Shutdown nur knapp verhindert worden, als die Demokraten bis zuletzt darauf bestanden hatten, die Gesundheitsversorgung ehemaliger Bergarbeiter an das Ausgabengesetz zu knüpfen und damit sparsame Konservative auf die Barrikaden brachten. Donald Trump selbst drohte im Sommer auf Twitter damit, die Regierung notfalls zum Stillstand zu bringen, sollte ein Ausgabenpaket nicht auch die Finanzierung seiner Mauer an der Grenze zu Mexiko sichern.

Nächste Deadline vor der Weihnachtspause

Auch jetzt drohen die Verhandlungen wieder zum Machtkampf um den künftigen politischen Kurs zu werden. Die Demokraten haben in den vergangenen Wochen wiederholt angekündigt, ihre Zustimmung unter anderem an einen Beschluss zu knüpfen, der Millionen von illegalen Einwanderern, die als Kinder oder Teenager ins Land gekommen sind, vor der Abschiebung schützen soll. Die Konservativen wiederum erwägen, einen längerfristigen Kompromiss an das Ende der Finanzierung von Programmen wie Planned Parenthood zu knüpfen – für die Liberalen ein No-Go.

Bereits vor einer Woche hatte sich der Präsident mit den beiden wichtigsten Demokraten im Kongress treffen wollen, um einen Kompromiss auszuhandeln. Doch nachdem Trump Nancy Pelosi und Chuck Schumer auf Twitter kritisiert hatte, hatten die beiden Demokraten das Treffen kurzfristig abgesagt – und damit die Befürchtung verstärkt, es könne möglicherweise nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist ein Deal zustande kommen. Pelosi und Schumer, wetterte der Präsident, würden fortan für einen möglichen Stillstand der Regierung verantwortlich gemacht.

Selbst wenn sich die Parteien jetzt auf einen kurzfristigen Plan einigen können: Ob es ihnen vor der nächsten Deadline wenige Tage vor der Weihnachtspause gelingt, tatsächlich einen längerfristigen Kompromiss zu finden, halten Experten für fraglich. Am Donnerstag hieß es in US-Medien bereits, die Parteien stellten sich schon jetzt auf eine weitere kurzfristige Lösung ein, die die Entscheidung in den Januar verschieben würde. Der Demokrat Martin Heinrich, Mitglied des Wirtschaftsausschusses im Senat, warnte seine Kollegen, eine Entscheidung weiter vor sich herzuschieben: “Wenn der Kongress noch nicht einmal in der Lage ist, unsere Regierung am Laufen zu halten, wie will er dann unsere Infrastruktur aufbauen, das Steuersystem reformieren und wirklich wichtige Gesetze beschließen?”

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