America Is Far from Redemption

 

 

<--

Von Erlösung ist Amerika weit entfernt

Roy Moore, ein Rassist, dem Frauen sexuellen Missbrauch vorwerfen, wird nicht Senator in Alabama – und viele in den USA jubeln. Doch für Euphorie ist es viel zu früh.

Roy Moore hält Homosexuelle für “pervers”, nennt Asiaten “Gelbe”, Indigene “Rote”, und mehrere Frauen werfen ihm vor, sie als Teenager sexuell missbraucht zu haben. Moore wollte trotz alledem für die Republikaner Senator im US-Bundesstaat Alabama werden. Er hat nicht gewonnen. Demokraten, Medien und nicht wenige gemäßigte Konservative feiern diese Niederlage. Ist das ein Grund zum Feiern? Nachdem mit Donald Trump im vergangenen Jahr ein frauenfeindlicher, rassistischer, pöbelnder Mann Präsident geworden ist, muss man wohl sagen: Ja, durchaus. 

Moores Niederlage gegen den Demokraten Doug Jones in einem Bundesstaat, der traditionell konservativ ist und bislang verlässlich republikanisch gewählt hatte, ist auch eine Niederlage für Trump. Der hatte Moore im Wahlkampf unterstützt und in seinem Präsidentschaftswahlkampf Alabama mit deutlichem Vorsprung für sich entschieden. Das Ergebnis ist zudem ein Desaster für die Republikanische Partei. Die Konservativen sind in einer Identitätskrise. Wie sollen sie sich ausrichten? Sollen sie ihrem Anti-Establishment-Präsidenten folgen? Mit Moore, der genau auf dieser Linie war, ist das gerade schiefgegangen. Moores eigener Parteikollege Richard Shelby hatte im Vorfeld der Wahl gesagt, Alabama verdiene etwas Besseres als Roy Moore.

Die Mehrheit der Republikaner im Senat schrumpft durch Jones’ Sieg auf eine Stimme, in den kommenden Monaten muss sich die so zerstrittene Partei zusammenreißen, will sie Inhalte durchsetzen. Nur wie soll diese Politik aussehen, wenn sich die Gemäßigten und die Trump-Anhänger ideologisch nicht mehr einig sind?

Die Demokraten schöpfen aus ihrem doch unerwarteten Erfolg in Alabama Hoffnung für die Kongresswahlen im kommenden Jahr. Bernie Sanders twitterte geradezu euphorisch, das Ergebnis sei “ein Sieg von Gerechtigkeit und Anstand”. Und was in einem erzkonservativen Bundesstaat möglich ist, kann überall möglich sein. Darauf werden die Demokraten setzen.

All das ist richtig, und man darf sich nach fast einem Jahr Trump-Präsidentschaft auch einmal über eine positive Wendung freuen. Aber für Euphorie ist es viel zu früh. Frank Bruni schreibt in der New York Times, wenn Alabama noch nicht unrettbar sei, sei es das Land auch noch nicht. Und endet mit einem erlösenden “Halleluja”. 

Halleluja, wirklich? Die Wähler in Alabama haben es gerade so geschafft, den vermutlich schlechtesten und unmöglichsten aller Kandidaten nicht zu wählen. Jones schlug Moore mit knappen 20.000 Stimmen Vorsprung. Afroamerikaner, junge Menschen und Städter haben den Unterschied für den Demokraten ausgemacht. Für Moore stimmte die Mehrheit der weißen Wähler. Und nicht nur Männer. Mehr als zwei Drittel der weißen Frauen in Alabama fanden, Moore würde einen geeigneten Senator abgeben. Das alles ist kein Grund zum Jubeln. Es offenbart erneut die immense Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft. Ein knapper Sieg eines Demokraten kann darüber nicht hinwegtäuschen.

Amerika steht sich selbst feindlich gegenüber. Weiße gegen Minderheiten, Reiche gegen Arme, Waffenliebhaber gegen Waffengegner, Abtreibungsgegner gegen Abtreibungsbefürworter, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Es gibt in den USA schon lange keinen common ground mehr, keine Gemeinsamkeiten, nicht mal die, zwar unterschiedlicher Ansicht zu sein, das aber zu akzeptieren. Das war schon vor einem Präsidenten Trump so, ist aber im vergangenen Jahr noch viel schlimmer geworden, weil sich jeder berechtigt und ermächtigt fühlt, jetzt endlich einmal alles zu sagen, was gesagt werden muss.

Roy Moores Niederlage überdeckt diese Spaltung lediglich für einen Moment. Eine Wahl allein ändert substanziell nichts. Der Kampf beider Seiten um die ideologische Vorherrschaft im Land wird nun nur noch erbitterter geführt werden. Erlösung liegt für Amerika in weiter Ferne.

About this publication