Nord Stream 2 Is Deeply Anti-European

<--

Nord Stream 2 ist zutiefst antieuropäisch

Hoch schlagen in der politischen und medialen Öffentlichkeit die Wellen der Empörung über den US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell. Denn er hat kürzlich in einem Brief deutsche Unternehmen davor gewarnt, sich an der Gaspipeline Nord Stream 2 zu beteiligen. Das wurde als eine Drohung aufgefasst, wies Grenell seine Adressaten doch darauf hin, dass anstehende US-Sanktionen gegen das vom staatlichen russischen Energiekonzern Gazprom betriebene Großprojekt auch sie treffen könnten.

Formal gesehen mag das Vorgehen des Botschafters tatsächlich gegen diplomatische Gepflogenheiten verstoßen. Und es könnte sich gar als kontraproduktiv erweisen, schreckt Grenells offensives Gebaren hiesige Skeptiker doch eher davon ab, sich offen gegen Nord Stream 2 auszusprechen. Schließlich will man sich nicht nachsagen lassen, man beuge sich amerikanischem Druck oder stehe gar im Dienst von US-Geschäftsinteressen.

Doch all das ändert nichts an der Tatsache, dass der US-Botschafter in der Sache recht hat. Deutschland begeht mit seinem starren Festhalten an der Realisierung von Nord Stream 2 einen schweren politischen Fehler, der gravierende Konsequenzen nicht nur für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, sondern auch für den Zusammenhalt Europas sowie für das deutsche Ansehen bei den europäischen Partnern haben könnte.

Denn auch wenn Grenells Auftreten diesbezüglichen Projektionen zusätzliche Nahrung gegeben hat, handelt es sich bei dem Streit über die russische Gaspipeline keineswegs um einen Konflikt zwischen den USA auf der einen und „Europa“ auf der anderen Seite. Diesen fälschlichen Eindruck aber versuchen die Befürworter von Nord Stream 2 ebenso permanent zu erwecken wie Vertreter der Bundesregierung, die bestrebt sind, die innereuropäische Brisanz dieser Frage herunterzuspielen.

Berlin hat sich immer weiter isoliert

So erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas als Reaktion auf Grenells Vorstoß: „Fragen der europäischen Energiepolitik müssen in Europa entschieden werden, nicht in den USA.“ Dabei lässt Maas unter den Tisch fallen, dass sich zahlreiche EU-Staaten, darunter Polen, Dänemark und die baltischen Länder, seit Langem vehement gegen Nord Stream 2 aussprechen – zehn von ihnen taten dies bereits 2015 in einem Brief an die EU-Kommission, die sich dem Projekt gegenüber ebenfalls stets skeptisch gezeigt hat. Wirft die zusätzliche Einfuhr russischen Gases doch nicht nur sicherheitspolitische Probleme auf, sondern konterkariert auch die klima- und energiepolitischen Ziele der EU, die eine drastische Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe bis 2030 vorsieht.

Das EU-Parlament hat im Dezember eine Resolution mit der Forderung verabschiedet, Nord Stream 2 zu stoppen. Einhundert Europaparlamentarier hatten zuvor einen Brief an Angela Merkel gerichtet, in dem sie ihr vorhielten, mit dem Festhalten an Nord Stream 2 spalte sie Europa. „Wählen Sie den europäischen Weg, Frau Bundeskanzlerin“, heißt es darin, „nicht den Weg des ‚Germany First‘.“

Somit ist es Berlin, das sich in dieser Frage in Europa immer weiter isoliert hat. Mit seiner beharrlichen Weigerung, die Befürchtungen zahlreicher Europäer ernst zu nehmen, dass Putins Regime die zusätzlichen russischen Gaslieferungen als politisches Mittel benutzen könnte, um europäische Staaten auseinanderzudividieren und zu erpressen, diskreditiert Berlin seine stets im Munde geführten flammenden Bekenntnisse zum Multilateralismus, den es gegen Donald Trumps unilaterale Willkür global hochzuhalten beansprucht.

Stereotyp hat die Bundesregierung dabei immer darauf verwiesen, bei Nord Stream 2 handele es sich um eine rein wirtschaftliche Angelegenheit. Doch längst rechnen Experten vor, dass der betriebswirtschaftliche Erfolg des Pipelineprojekts höchst zweifelhaft ist. Demnach belaufen sich die Kosten für dessen Realisierung bereits jetzt auf das Dreifache der offiziell angegebenen Kosten. Nord Stream 2 könnte für seinen Betreiber Gazprom ein gigantisches Verlustgeschäft werden. Dennoch hält der Kreml mit aller Kraft daran fest – ein weiteres Indiz dafür, dass er das Projekt vor allem als einen Hebel zur Erweiterung seines Einflusses in Europa sieht.

Gerne hebt Berlin im Übrigen hervor, dass es seine Zustimmung zu Nord Stream 2 von der russischen Zusage abhängig mache, den Gastransit durch die Ukraine aufrechtzuerhalten, die andernfalls nicht nur erhebliche finanzielle Einbußen erleiden, sondern auch ein Faustpfand gegen eine weitere Verschärfung der russischen Aggression verlieren würde. Gerade in der aktuellen Situation, da Moskau der Ukraine am Asowschen Meer wirtschaftlich die Luft abzuschnüren versucht, ist das unbeirrte Festhalten an dem deutsch-russischen Gasdeal ein besonders verheerendes Signal.

Zu mehr als dem Lippenbekenntnis, es werde auch weiterhin russisches Erdgas durch die Ukraine geleitet, solange sich das wirtschaftlich rechne, hat sich Putin von Berlin indes nicht bewegen lassen. Sein Verweis auf das Kriterium wirtschaftlicher Rentabilität macht dabei aber erst recht deutlich, dass diese Frage seiner Willkür unterliegt.

Das Beharren auf Nord Stream 2 als Widerstandsakt gegen Trumps weltpolitische Anmaßung auszugeben, führt insgesamt in die Irre. Denn dass westliche Investoren daran gehindert werden sollten, in die vom Kreml politisch gelenkte russische Gas- und Ölindustrie zu investieren, ist im US-Kongress parteiübergreifender Konsens – und zwar gerade auch bei jenen Kräften, die die transatlantische Allianz stärken wollen und in Russlands Aggressionspolitik eine eminente Bedrohung der westlichen Demokratien im Ganzen sehen.

Mit der Verabschiedung des „Defending American Security from Kremlin Aggression Act“, der diesbezügliche Sanktionsdrohungen enthält, hat der Kongress sogar gezielt eine gesetzliche Vorsorge dagegen getroffen, dass Trump mit Putin eigenmächtig „Deals“ zulasten westlicher Verbündeter aushandeln kann. Wenn Deutschland die westliche Einheitsfront gegen Putin unterläuft, schwächt das nicht Trump, sondern dessen transatlantisch denkenden innenpolitischen Gegner.

Wie abhängig ist Deutschland wirklich von russischem Gas?

„Deutschland wird vollkommen durch Russland kontrolliert“, sagte Donald Trump auf dem Nato-Gipfel in Brüssel und kritisierte die deutschen Energieimporte aus Russland. Angela Merkel reagierte prompt.

Dass Trump im Fall Nord Stream 2 eine ungewöhnlich harte Linie gegenüber Moskau zu fahren scheint, liegt gewiss an seinem wirtschaftlichen Vorteilsdenken. Es ist ja kein Geheimnis, dass die USA ihren Anteil am europäischen Energiemarkt massiv erhöhen wollen. Doch den amerikanischen Widerstand gegen die russische Energiedominanz in Europa auf das Motiv zu reduzieren, die USA wollten mit Russland einen lästigen Konkurrenten aus dem Feld schlagen, um den Europäern teureres amerikanisches Flüssiggas aufzudrängen, ist eine demagogische Verkürzung des Problems.

Dass der Druck aus Washington in diesem Streit inzwischen überhaupt derart in den Vordergrund rückt, liegt nicht an amerikanischer Bösartigkeit. Sondern daran, dass Deutschland mit seiner unreflektierten Anlehnung an Russland eine Reihe von europäischen Partnern in die Ecke gedrückt hat, die jetzt nur noch auf den US-Sanktionsdruck hoffen können, um das unheilvolle Nord Stream 2 doch noch zu stoppen.

About this publication