Europa kann sich bei Barack Obama bedanken
Mit einem eindringlichen Appell zu europäischer Geschlossenheit beendete der US-Präsident den Besuch in Hannover. Europa sollte dem folgen und endlich erwachsen werden – statt neue Zäune zu errichten.
Warum tut er sich das an? Hannover, die Messe-Eröffnung, das Pilgern von Stand zu Stand – er, der mächtigste Mann der Welt in der Provinz, wo sonst selbst größte Hauptstädte gerade gut genug sind für präsidiale Inszenierungen? Obama bedankt sich bei Merkel und den Deutschen für ihre Loyalität (das war unter dem Vorgänger schon mal ziemlich anders) und für den Hauch von Führung der Kanzlerin, die in Europa mehr sieht als eine Währungsgemeinschaft.
Mit seiner Europa-Eloge hat der US-Präsident in London die buntscheckige Brexit-Koalition schockiert und provoziert. Der sonst eher elegant argumentierende Boris Johnson bemühte gar die afrikanischen Wurzeln Obamas, um ihn zu denunzieren. Stammtisch-König Nigel Farage sprach von “komplettem Blödsinn”.
Was deutlich macht: Obamas Worte haben gesessen. Vor dem Besuch war man sich in Brüssel einig: Der Einzige, der den britischen Hang zum Brexit drehen könnte, wäre der US-Präsident. Obamas realistisches Szenario frühestens in fünf, wohl eher in zehn Jahren ein britisch-amerikanisches Handelsabkommen aufzusetzen, ist der GAU für die Brüssel-Gegner.
Auf seiner Abschiedstour hat sich der US-Präsident entschieden, die sonst oft kritisierte Außenpolitik des “Is mir egal” sausen zu lassen und den Europäern zu erklären, was sie an ihrem Kontinent haben. Und das aktuelle Elend zu benennen.
Obamas Kopfschütteln über die Uneinigkeit der Europäer, den Drang einiger, wieder Mauern aufzubauen, war das eine, sein Lob für das Gelingen des Einheitsprozesses, den er schon jetzt als einen der großen Triumphe der Moderne bezeichnet, das andere.
Er, der zurückhaltende Außenpolitiker, mahnte zu mehr außenpolitischer Eigenverantwortung, auch wenn sie teuer und anstrengend sei. Europas Tage als stets überforderte, pazifizierende und zögerliche Gemeinschaft seien gezählt.
Obama, dem kluge Köpfe wie Josef Joffe eine “illusionäre Außenpolitik” vorwerfen, hat eine ebenso klare wie kräftige “Illusion” von Europa skizziert, die idealistisch und realpolitisch zugleich ist. Sie steht und fällt mit Politikern, die mit der Wiege der Demokratie mehr vorhaben als das müde Fortschreiben eines mageren Status Quo.
Wenn die USA nicht mehr jene unbeliebte Mischung aus Gouvernante und Bodyguard spielen will, muss Europa schneller erwachsen werden. Sollte Obamas Intervention in Großbritannien reüssieren, kann Merkel wieder auf die Briten zählen, wenn es darum geht, die träge EU Richtung Wachstum und Wettbewerb zu trimmen. Dann hätte Obama in wenigen Tagen einiges erreicht.
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