Die Vorstellung eines tumultuösen Wahlkonvents im Juli schreckt nun plötzlich die Demokraten auf.
Waren es vor wenigen Wochen noch die Republikaner, die einen tumultuösen Parteikonvent zur Nominierung ihres Präsidentschaftskandidaten befürchten mussten, hat sich die Situation seither grundlegend geändert. Der Immobilienmogul Donald Trump ist inzwischen als republikanischer Bannerträger gesetzt; die Bemühungen, ihm die Nominierung im letzten Augenblick doch noch zu entreissen, sind weitgehend verpufft. Dafür haben unwürdige Szenen am demokratischen Parteikonvent am vergangenen Wochenende sowie gehässige Wortwechsel zwischen dem Wahlkampfstab von Bernie Sanders, jenem von Hillary Clinton und einigen Parteigrössen erhebliche Spannungen in der Demokratischen Partei offenbart. Diese stören das schöne Bild einer geeinten Partei im Kampf gegen Donald Trump empfindlich.
Krisengespräche
Hinter den Kulissen arbeitet die Parteileitung des Democratic National Committee fieberhaft daran, die Krise zu entschärfen, indem sie die Anzahl von Sanders-Vertretern in den Parteigremien am Wahlkonvent erhöht. Sanders selber hat vor allem jenen Ausschuss im Visier, der die Wahlplattform formulieren wird. Er hofft, die Partei damit auf einige seiner Positionen – beispielsweise 15 Dollar pro Stunde als Minimallohn oder Distanz zu Wall Street – verpflichten zu können.
Bernie Sanders macht es jenen, die grundsätzlich ein offenes Ohr für seine Anliegen haben, allerdings schwer, weil er seinen Anhängern immer noch vorgaukelt, das Rennen um die Nominierung sei weiterhin offen. Ironischerweise erinnert es an Vorwürfe, die Trump noch vor kurzem gegen die Republikanische Partei erhob, wenn Sanders behauptet, die Regeln des demokratischen Auswahlprozesses seien einseitig darauf ausgerichtet, seine Kandidatur zu verunmöglichen. Dass Clinton in den restlichen Vorwahlen nur noch 10 Prozent der verfügbaren Delegierten gewinnen muss, um die absolute Mehrheit an Delegiertenstimmen zu erreichen, scheint er nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.
Clinton selber machte in einem Interview auf dem Nachrichtensender CNN klar, dass für sie das Rennen gelaufen sei und dass Sanders es der Partei schulde, jenen schmerzlichen, aber wichtigen Schritt zu machen, den sie vor acht Jahren nach ihrer Niederlage gegen Barack Obama machen musste. Sie verschwieg dabei, dass sie damals auch bis zur letzten Vorwahl im Rennen geblieben war. Der Fairness halber ist anzumerken, dass der Unterschied an Delegiertenstimmen damals kleiner war.
Erinnerung an 2008
Obama erreichte die absolute Mehrheit der Delegierten 2008 in den letzten Vorwahlen in Montana und South Dakota. Clinton liess sich daraufhin mehrere Tage Zeit, und es bedurfte eines Vermittlungsgesprächs im Wohnzimmer der kalifornischen Senatorin Dianne Feinstein, bis sie ihre Kampagne schliesslich beendete. Auch im Streit zwischen Sanders und Clinton wartet auf die Vermittler noch eine Menge Arbeit, um einen Eklat am Parteikonvent zu vermeiden. Dabei rächt sich die Tatsache, dass Sanders, wie das «Wall Street Journal» richtigerweise bemerkte, nur mit wenigen Vertretern des Partei-Establishments gute Beziehungen hat. Schliesslich konnte er sich erst im letzten Herbst dazu durchringen, sich als Demokraten zu bezeichnen.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.