Trump Is Politicizing Muslims

<--

Trump macht die Muslime politisch

Die islamfeindliche Attitüde des US-Präsidentschaftskandidaten nervt nicht nur viele Muslime. Sie beginnen, sich politisch zu engagieren.

Von Canan Topçu, New York

Ganz diplomatisch spricht Thanu Yakupitiyage von einer “sehr interessanten Zeit”, um ein Gespräch über Migranten und Muslime in den USA zu führen. Die ursprünglich aus Sri Lanka stammende Muslima ist Aktivistin der New York Immigration Coalition (NYIC). Sie sei müde, erzählt Yakupitiyage seufzend. Am frühen Montagmorgen wurde sie von einer SMS geweckt. Drei Zeilen, mit denen die Bundespolizei (FBI) zwei Tage nach dem Bombenattentat im New Yorker Stadtteil Chelsea nach dem mutmaßlichen Täter fahndete; drei Zeilen, die an alle Mobiltelefone im Land versendet wurden: “Emergency Alert. Wanted: Ahmad Khan Rahami, 28-yr-old, male, see media for pic. call 9-1-1 if seen.” Ein aus Afghanistan stammender muslimischer US-Bürger hat eine Bombe gelegt.

Nun werde wieder jeder junge Mann mit dunklem Teint und einem muslimischen Namen als potenzieller Terrorist stigmatisiert. Und Präsidentschaftskandidat Donald Trump nutzte den Bombenanschlag sogleich für seinen Wahlkampf.

Obwohl Muslime mit nur rund 3,2 Millionen gerade mal ein Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, dominieren sie die Präsidentschaftswahlen. Der Anteil der Muslime in den USA wird zwar langfristig wachsen, nicht aber so massiv, wie kolportiert wird. Im laufenden Jahr werden gerade mal 85.000 Flüchtlinge aufgenommen, darunter sind nicht mehr als 10.000 Syrier. Aber diese Zahlen würden gerne ignoriert, sagt Yakupitiyage.

Trumps islamophobe Rhetorik wirkte auch schon vor dem aktuellen Bombenanschlag in New York auf die Stimmung im Land. Übergriffe auf Muslime und Anschläge auf Moscheen sind nach einer Studie der Georgtown University angestiegen. So gab es im vergangenen Jahr mehr als 170 antimuslimische Attacken, zwölf Muslime kamen dabei ums Leben.

Die feindliche Atmosphäre scheinen aber nicht alle Muslime im Land wahrzunehmen. Menschen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten eingewandert sind und weitgehend unter sich geblieben sind, wirken bisher laut Migrantenorganisationen nicht besonders besorgt. Sie interessierten sich nicht für die amerikanische Politik. Andere wiederum ignorieren die Tatsache, wie sehr auf ihre Kosten Politik gemacht wird, einfach deshalb, weil es ihnen als Luxusproblem erscheint. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ihren Alltag zu organisieren und für ihre Familien zu sorgen.

Die jungen, in den USA geborenen Muslime werden aktiv

Es sind vor allem junge, in den USA geborene und aufgewachsene Muslime, die sich nun engagieren. Wie etwa Hind Makki. Die 31-Jährige Frau aus Chicago trägt ein Kopftuch und definiert sich als muslimische Feministin. Gerade verhüllte Frauen spürten die wachsende Anfeindung, berichtet die Tochter somalischer Einwanderer. Sie erzählt, dass Fluggesellschaften Passagiere mit Kopftuch nicht ins Flugzeug ließen, weil andere Fluggäste sich bedroht fühlten.

Makki engagiert sie sich unter anderem für einen interreligiösen Dialog. Früher habe sie Nicht-Muslimen ihre Religion erklärt, sagt sie. Heute drehen sich die Gespräche nur noch darum, dass die meisten Muslime keine Terroristen sind.

Moscheegemeinden erklären das amerikanische Wahlsystem

Aber nicht nur weiße US-Amerikaner wüssten wenig über den Islam, viele Muslime hätten sich bislang kaum für die US-amerikanische Politik interessiert. “Während meiner Kindheit und Jugend habe ich es nie erlebt, dass ein Imam die Gemeinde auffordert, wählen zu gehen”, berichtet Hind Makki. Das ändere sich mit Trump. Insofern habe der Präsidentschaftskandidat sogar sein Gutes.

Auch andere muslimische Aktivisten und Funktionäre erzählen, dass Trump das politische Bewusstsein der Muslime wecke. In vielen muslimischen Moscheegemeinden und Hilfseinrichtungen liegen Formulare für die Wählerregistrierung aus und sie erklären den Gläubigen das Wahlsystem.

“Muslime sind ein Teil der US-amerikanischen Gesellschaft und sollten ein Auge darauf haben, wer welche Gruppen aus dieser Gesellschaft ausschließt”, erklärt Oussama Jammal, der ehrenamtliche Vorsitzende der Mosque Fondation. Die Moscheegemeinde in einem Vorort von Chicago wurde Anfang der 1950er Jahre von Palästinensern gegründet und gilt als die größte im Bundesstaat Illinois.

Deshalb wird sie auch von Politikern umworben. Als die Gemeinde vor einigen Wochen mit mehr als 25.000 Besuchern in einem Fußballstadium das Opferfest feierte, waren auch viele lokale Politiker dabei. Donald Trump hätte auch gerne die Gelegenheit genutzt, um auf dieser Feier aufzutreten. Der Gemeindevorstand lehnte die Anfrage seines Wahlkampfbüros aber ab. Denn den Beratern ging es wohl kaum um die Migranten selbst, sondern darum, den permanent gegen Muslime polternden Präsidentschaftskandidaten etwas toleranter wirken zu lassen. Die amerikanischen Muslime beginnen bewusster, Politiker und ihre Berater zu beobachten.

About this publication