Der US-Präsident wollte den Krieg um seinen konservativen
Richterkandidaten Kavanaugh – und hat ihn bekommen. Wer den Preis dafür
bezahlt, ist ihm egal.
Amerika hat katastrophale Tage hinter sich. Der Kampf um die Ernennung von
Brett Kavanaugh zum neuen Verfassungsrichter hat das Land erschüttert,
zerrissen und aufgehetzt. Die Republikaner und Präsident Donald Trump haben
zwar gewonnen. Sie haben ihren fünften Mann am Supreme Court installiert und
dort eine konservative Richtermehrheit zementiert. Aber was ist das für ein Sieg?
Die Glaubwürdigkeit des Senats und des Gerichts liegen in Trümmern. Zwei der
wichtigsten politischen Institutionen, auf denen Amerikas Demokratie ruht, sind
schwer, womöglich irreparabel beschädigt. Und überall im Land brodelt die Wut.
Das hätte nicht so sein müssen. Der Streit um Kavanaugh, dem eine Frau vorwirft,
er habe sie als Schüler zu vergewaltigen versucht, war sicher schwierig. Niemand
konnte mit Sicherheit sagen, was die Wahrheit ist. Es gab keine Beweise, Aussage
stand gegen Aussage, eine glaubhaft vorgetragene Anschuldigung stand gegen
die Unschuldsvermutung. Dieser Streit war nicht zu lösen, ohne Verletzungen zu
verursachen. Dazu war das Thema zu schmerzhaft. Aber der Streit hätte nicht die
Verheerung anrichten müssen, die er nun hinterlassen hat.
Man konnte das Dilemma, in dem der Senat steckte, am Stimmverhalten von zwei
Republikanerinnen beobachten. Beide votierten unterschiedlich, beide
begründeten ihr Votum vernünftig und überzeugend. Und beide hatten auf ihre
Art recht. Lisa Murkowski, Senatorin aus Alaska, stimmte gegen Kavanaugh.
Einem Mann, gegen den ein Vergewaltigungsverdacht bestehe, fehle das
Vertrauen der Öffentlichkeit, das für ein so hohes Richteramt nötig sei, sagte sie.
Ihre Kollegin Susan Collins aus Maine kam angesichts der gleichen Faktenlage zum
gegenteiligen Schluss. Kavanaugh nicht zu bestätigen, hieße, ihn nur auf der
Grundlage einer unbewiesenen Behauptung zu verurteilen, sagte sie. Das sei
unfair. Collins stimmte für Kavanaugh.
Viele haben ein Interesse an der Radikalisierung: Sie leben davon
Hätten sich alle Beteiligten in dem Streit so verhalten wie diese beiden
Republikanerinnen – abgewogen in ihrem Urteil, respektvoll gegenüber anderen
Ansichten -, dann wären die USA vielleicht halbwegs heil aus der Sache
herausgekommen. Dann wäre das Land jetzt angeschlagen und zerstritten, aber
nicht traumatisiert und gefährlich radikalisiert. Doch statt den Zorn zu dämpfen,
haben beide Seiten ihre Anhänger aufgepeitscht bis zur völligen Hysterie.
Das war Absicht. Die bittere Wahrheit ist: Es gab und gibt viele, die ein Interesse
an dieser Radikalisierung haben. Sie leben davon, sie sammeln damit
Wählerstimmen und Spenden, sie verdienen damit Geld oder machen
damit Quote.
An der Spitze dieser Leute steht der Präsident. Donald Trump hätte Kavanaugh
zum Wohl des Landes durch einen anderen, ebenso konservativen Kandidaten
ersetzen können. Aber er ist ein Politiker, der seine Kraft daraus zieht, dass er jede
Meinungsverschiedenheit in eine erbarmungslose Schlacht verwandelt. Politik ist
für ihn Krieg, und diesen Krieg gewinnt seiner Überzeugung nach derjenige, der
am härtesten draufschlägt, der niemals nach- oder gar aufgibt.
Trump polarisiert und radikalisiert damit das gesamte Leben in den USA. Er
spaltet sein Volk in verfeindete Stämme. Trump wollte diesen Sieg unbedingt,
noch mehr aber wollte er diesen Kampf. Wer den Preis dafür bezahlt, ist ihm egal.
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