Next U.S. GovernmentWill Negotiate withIran and Syria

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Vorteil Iran und Syrien

Von Joschka Fischer

Die kommende US-Regierung wird es mit einem neuen Selbstbewusstsein in Teheran und Damaskus zu tun bekommen. Und mit hohen Risiken

© getty images; MOntage ZEIT online

Im Nahen und Mittleren Osten werden die kommenden amerikanischen Präsidentschaftswahlen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, denn in dieser Weltgegend sind die USA der regionale Hegemon. Von Washingtons Entscheidungen wird auch in Zukunft das Schicksal dieser Region ganz wesentlich beeinflusst werden – mit Auswirkungen weit über ihre Grenzen hinaus.

Der Nahe Osten ist, geopolitisch gesehen, eine Brückenregion zwischen Ost- und Südasien einerseits und Afrika und Europa andererseits. Zudem befinden sich rund um den Persischen Golf die größten bekannten Öl- und Gasvorräte und Förderkapazitäten der Weltwirtschaft. Für eine globale Macht wäre schon dies allein Grund genug, in die Sicherung dieser Region ihr ganzes Gewicht und Prestige als Weltmacht zu investieren. Doch darüber hinaus findet sich in dieser weiten Region zwischen Mittelmeer und Industal eine hochgefährliche Ansammlung von Konflikten und Risiken: Regionalkonflikte, radikaler Islam, Terrorismus, Nuklearwaffen, die schiitisch-sunnitische Konfrontation sowie regionale Rivalitäten (Indien/Pakistan, Iran/Saudi-Arabien).

Unter der Regierung Bush jedoch haben sich die USA im Wüstensand des Zweistromlands festgefahren. Ganz offensichtlich wurden durch eine verfehlte Strategie Washingtons die radikalen Kräfte der Region gestärkt, angeführt von Iran und Syrien.

Was aber wird für den Nahen und Mittleren Osten von einem Regierungswechsel in Washington zu erwarten sein?

Aus Sicht Irans und Syriens haben die vergangenen Jahre die eigene Position gestärkt und nicht geschwächt. Fühlten sich beide Staaten nach dem 11. September 2001 durch die Kriege der USA in Afghanistan und im Irak, die hohe Präsenz amerikanischer Truppen in der gesamten Region und die Enthüllung des iranischen Nuklearprogramms in die Ecke getrieben, ja sogar akut bedroht, so hat sich diese Lage mittlerweile verändert.

Iran ist heute im Irak die einflussreichste Macht und wird dieses Land wohl mittels der dortigen schiitischen Mehrheit machtpolitisch dauerhaft kontrollieren. Gleiches lässt sich auch für die zunehmende Präsenz Irans am Persischen Golf prognostizieren.

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Joschka Fischer

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Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister und Vizekanzler. Weitere Texte von ihm finden Sie hier (Archiv) »

Wem aber die Kontrolle über den Irak und den Persischen Golf zufällt, dessen Dominanz, ja Vorherrschaft in der gesamten Region wird über kurz oder lang kaum zu verhindern sein. Vor allem dann nicht, wenn der Führungsanspruch auch noch mit Atomwaffen unterlegt werden würde.

Dies ist der Kern des aktuellen Konflikts zwischen der – auch in diesem Raum führenden – Weltmacht USA und der aufsteigenden Regionalmacht Iran, dessen Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden darf. Entweder finden beide Seiten eine Verhandlungslösung mit Interessenausgleich, oder die Gefahr eines bewaffneten Konflikts wird erneut zunehmen.

Zwar wurden die Sanktionen der Vereinten Nationen verschärft und sie bereiten dem Land ernste Probleme. Iran bleibt regional weiter relativ isoliert, alleingelassen mit Syrien, seinem einzigen Verbündeten. Die antisemitische Rhetorik des Regimes hat zudem dessen internationale Isolierung verstärkt, und in der Region hat sich, angeführt von den USA, eine antiiranische Koalition gebildet.

Aber mit seinem wachsenden Einfluss im Irak, am Golf, in Afghanistan, im Libanon (Hisbollah) und im Nahostkonflikt (Hamas und Islamic Dshihad), verbunden mit den zunehmenden militärischen Schwierigkeiten der USA im Irak und in Afghanistan, ist es Teheran gelungen, sich Spielraum zu verschaffen.

Der Iran hat sein Nuklearprogramm gegen den massiven Widerstand des UN-Sicherheitsrats fortgesetzt. Spätestens mit der Veröffentlichung der letzten NIE (National Intelligence Estimate) der US-Regierung dürfte man sich in Teheran politisch bestätigt sehen.

Zudem ist zu erwarten, dass Iran in den kommenden Monaten alles versuchen wird, um in den Gesprächen mit der Wiener Atomenergiebehörde (IAEA) die noch offenen Fragen nach seinem bisherigen Atomprogramm zu bereinigen. Dann wäre Teheran in der Position, seine Nuklearprojekte unter voller Beachtung der Regeln des Atomwaffensperrvertrags fortsetzen zu können. An der Gefährlichkeit des iranischen Programms würde sich damit freilich nicht ein Jota ändern, die darin besteht, dass beinahe alle Komponenten für ein militärisches Nuklearprogramm entwickelt werden, sodass es dann eines Tages nur noch einer politischen Entscheidung zur militärischen Nuklearisierung bedürfte.

Auch aus syrischer Sicht sind die vergangenen Jahre kaum zu beklagen.

Damaskus nimmt gegenwärtig in einer Art Schlüsselposition für den Nahostkonflikt, Libanon, Irak und Iran ein. Zwar gehört das Land zu den großen Verlierern des Endes des Kalten Krieges im Nahen Osten. Überdies sind die Grundlagen der syrischen Wirtschaft und des Regimes alles andere als stabil und zukunftsversprechend. Das Regime in Teheran etwa würde durch einen bewaffneten Konflikt mit den USA mit hoher Wahrscheinlichkeit gestärkt werden, für Syrien würde jedoch eher das Gegenteil gelten. Aber dennoch ist es auch aus der Sicht von Damaskus gelungen, dem massiven internationalen Druck standzuhalten und die eigene Position entscheidend zu verbessern.

Der Rückzug syrischer Truppen aus dem Libanon, der unter dem Druck der USA und des Sicherheitsrats im Frühjahr 2005 stattgefunden hatte, wird in Syrien wohl mittlerweile als Fehler angesehen. Deshalb versucht Damaskus alles, um diesen Fehler Schritt für Schritt zu korrigieren. Denn für Syrien ist die Herrschaft über den Libanon offensichtlich von größerer Bedeutung als die Rückgabe der israelisch besetzten Golanhöhen.

Die schiitische „Partei Gottes“ (Hisbollah) im Libanon erweist sich als das entscheidende Instrument Syriens, das Nachbarland im Griff zu behalten. Gegen Syrien ist in Beirut ganz offensichtlich keine Wahl eines neuen Staatspräsidenten möglich, trotz des massiven Drucks der USA, Frankreichs und anderer westlicher Regierungen.

Hisbollah ist zudem auch ein wichtiges Instrument der syrischen Politik gegen Israel, ebenso wie die palästinensische Hamas. Mit dem Ausbruch der Hamas aus Gaza hat diese gezeigt, dass sie unter den Bedingungen der Isolation nicht schwächer, sondern stärker geworden ist. Und auch dies ist ein Vorteil für Damaskus und Teheran, die beide die Hamas wie auch Hisbollah massiv unterstützen.

Und gemeinsam mit Iran hat Syrien in jüngster Zeit auch seinen großen Einfluss im Irak demonstriert. Denn nur aufgrund der amerikanischen Truppenverstärkung – und ohne Mitwirkung Teherans und Damaskus’ – wäre es schwerlich zu jenem Rückgang der Gewalt gekommen, der in den letzten Monaten im Irak zu verzeichnen war.

Wenn man daher gegenwärtig in Iran und in Syrien auf die Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten blickt, dann sieht man sich eher auf der Gewinnerseite – und genau dies könnte sich als das große Problem in Zukunft erweisen.

Denn angesichts der geopolitischen Bedeutung dieser Region, der Interessen der USA und des investierten Prestiges der Weltmacht, das dort auf dem Spiel steht, wird kein amerikanischer Präsident einfach die Truppen abziehen können. Ein Abzug ohne politische Lösung wäre ein beispielloses Desaster für die Interessen und das Prestige der Weltmacht USA.

Die kommende amerikanische Regierung, egal ob demokratisch oder republikanisch geführt, wird aus Eigeninteresse eine Politik der Einbindung und direkten Verhandlungen mit Iran und Syrien betreiben, um einen neuen Regionalkonsens zu erzielen und damit zugleich ihr militärisches Engagement im Irak erheblich reduzieren oder gar beenden zu können. Die USA werden sich militärisch und politisch in der Zeit nach Bush im Nahen und Mittleren Osten umgruppieren, aber nicht klein beigeben und abziehen.

Das strategische Kräfteparallelogramm in der Region wird sich durch den amerikanischen Regierungswechsel also mitnichten ändern. Ein neuer Interessenausgleich wird mit der kommenden amerikanischen Regierung möglich sein, eine Schwächung oder gar Beendigung der amerikanischen Rolle im Nahen und Mittleren Osten und der Übergang zu einer iranischen Hegemonie allerdings nicht.

Sollte man diese Hoffnungen in Teheran und Damaskus hegen, so wird unter einem neuen amerikanischen Präsidenten die Gefahr einer heißen Konfrontation leider zu- und nicht abnehmen.

Mit Joschka Fischers Kolumne beginnt jeden Montag um 9:00 Uhr die politische Woche auf ZEIT online.

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