Wahlkampf in den USA:
Die deutsche Faszination an Obama
Mit großer Spannung schaut Deutschland auf den US-Vorwahlkampf. Kein Tag in den Medien, der sich nicht mit dem «Phänomen Obama» beschäftigt. Doch wäre ein Obama auch in Deutschland vorstellbar? Jens Teschke lässt seine Gedanken spielen.
Da steht ein farbiger Mann in einem riesigen Stadion und feuert die Stimmung an mit «Ja, wir können!» Tausende schreien, sind fasziniert, die Medien sind begeistert. Barack Obama ist derzeit der «Heilsbringer», der «Hope Pope», der «Messias» im US-Wahlkampf. Deutschland schaut fleißig zu und die deutschen Medien fiebern ebenfalls kräftig mit.
Schon gibt es Umfragen, in denen, als ob es irgendeinen Wert hätte, gefragt wird: Wen würden Sie wählen? Ergebnis: Die Deutschen sind für Obama. Absurd: Würde auch nur einer der Spitzenkandidaten bei uns ähnlich auftreten wie Barack Obama, er würde nämlich sofort als absolut unwählbar disqualifiziert werden. Sofort würde er als «viel zu pathetisch», als «zu dünn in der Botschaft» kritisiert.
Die größten Amerika-Hasser sind die Deutschen
Warum schauen die Deutschen dann aber dennoch so sehnsüchtig nach Amerika? Es ist dieses schizophrene Verhältnis der Deutschen zu den Amerikanern. Klar, wir lieben den Grand Canyon, finden Hollywoodfilme schon ziemlich gut gemacht, und bewundern jeden Pop- und Rockstar aus den Staaten. Natürlich hassen wir George W. Bush, finden Hamburger eklig und verachten die USA für ihre klimaschädliche Politik, gehen aber trotzdem «ab und an» zu McDonald’s und fliegen schon auch mal schnell «nach Malle», ohne dabei besonders CO2-bewusst zu sein.
Die Deutschen sind in Europa mit 70 Prozent die größten Amerika-Hasser, neben den Türken. «Amerikanisierung» als Begriff ist im deutschen Sprachgebrauch fast ausschließlich für Negatives, Schlechtes reserviert. Zugleich stellen die Deutschen aber auch mit die größte Gruppe der US-Urlauber aus Europa, ein Austauschjahr in den USA ist nach wie vor begehrt, und, klar, wir finden Obama toll, wünschen uns plötzlich doch wieder so etwas wie einen «amerikanisierten Wahlkampf». Ziemlich anstrengend diese Amerika-Haltung der Deutschen.
Pfälzische Sozialdemokraten-Emotion
Stellen wir uns doch mal vor, wie und wer denn im kommenden Jahr unser Obama sein könnte: Aus Angela Merkel können wir keinen Obama machen. Die Physikerin wirkt da schon eher wie Hillary Clinton: Ehrgeizig und zu wenig emotional. Der CDU-Wahlkampf mit der Kanzlerin an der Spitze wird faktisch sein. Kein «Wir schaffen das!», keine Botschaft «für uns alle», keine Stadien voller CDU-Fans, die völlig enthusiasmiert der Kanzlerin entgegen jubeln. Ein paar Junge-Union-Ortsverbände werden sich versuchen im revolutionären Orange-Outfit Stimmung zu erzeugen, aber «Angie Obama», das klappt nicht.
Kurt Beck? Pfälzische Sozialdemokraten-Emotion ist dann schon noch Lichtjahre vom Pathos-Feuerwerk des Südstaaten-Demokraten Obama entfernt. «Wir brauchen einen vernünftigen Mindestlohn» mag zwar substanzieller als Aussage sein, als «Ja, wir können diese Nation heilen. », ist aber eben auch wenig inspirierend.
«Guidomobil» war einfach nur peinlich
Als Guido Westerwelle vor zwei Wahlkämpfen mit «Guidomobil» und 18er-Schuhsohlen durch die Lande tourte, hatte das zwar ansatzweise etwas von US-Wahlkampf, war aber, wie so oft, wenn Deutsche sich locker geben, eben nur ein peinliches Unterfangen mit bescheidenem Stimmenergebnis. Im kommenden Jahr wird es bei den Liberalen dann wohl auch nicht sehr «obaman», sondern eben westerwellen.
Die Grünen haben längst allen Reiz des Spontanen und Unkonventionellen abgelegt, sind selbst zu Krawatten- und HosenanzugsträgerInnen geworden. Ein paar lustigere Wahlplakate als die der anderen Parteien, ist alles, was wir erwarten können. Auch hier ist Emotion nur mit Angst vor der Klimaapokalypse verbunden, aber nicht mit positiver Aufbruchsstimmung á la Obama.
Emotionen schüren können die Linken. Sie werden auf Sozialneid, Kriegsangst und Klassenkampf setzen – nicht gerade US-affin, weder thematisch noch in der Aufbereitung.
Deutscher Wahlkampf ist harte Kost
Nein, ein deutscher Wahlkampf wird wieder harte Kost werden. Nichts von der «Wir schaffen-das!»-Stimmung, dem Optimismus, dem Schwelgen in Gefühlen und dem auch dazu Stehen, dass man eben um Menschen und ihre Sympathien wirbt. Deutsche Wahlkämpfe sind zuallererst Kämpfe und keine Wahl. In den USA wird auch gekämpft, aber dem Bürger eröffnen sie allein schon jetzt ein Spektrum an Möglichkeiten. Da tauchen Kandidaten auf, die ein breites Meinungsspektrum abdecken. Da sind Schwarze, Frauen, Vietnam-Veteranen, Baptisten-Prediger, Millionäre und Außenseiter dabei. Sie stellen sich dem Volk, werben um die Stimmen, müssen sich beweisen. Und bei uns? Da wird alles brav innerparteilich geregelt, steht im Prinzip alles schon fest. Der Außenseiter, der radikale Steuerreformer, der Türke, der katholische Moralist, sie alle bekommen gar nicht erst einen Hauch von einer Chance, Spitzenkandidat zu werden in einer Demokratie der Hinterzimmerkungelei.
Kein Wunder, dass wir also mit Bewunderung auf den US-Wahlkampf schauen. Ja, so ist das mit einer Demokratie. So funktioniert das: Mit Wahlversammlungen, mit Emotionen, mit Pathos. Wenn es nicht gerade eine Fußball-WM im Lande gibt, ist es mit den Emotionen hierzulande eher dürftig bestellt, aber ich wünsche mir mehr positive Emotionen im Wahljahr 2009. Angesichts von problematischen Demographiedaten, wirtschaftlichen Herausforderungen, angekratztem Marktwirtschaftsimage, will ich Kandidaten, die uns mitnehmen, mitreißen, sich klar ausdrücken. Ich will ein bisschen mehr Obama, ein bisschen weniger Merkel-Beck.
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