Ist Clinton die Claudia Roth der Demokraten?
Hillary Clinton hat Barack Obamas Siegesserie nach zwölf Staaten gestoppt. Doch ihr Erfolg könnte zu einer Zerreißprobe der Demokraten führen. Denn die loyalsten Anhänger der Rivalen Clinton und Obama könnten aus verletztem Stolz bei der eigentlichen Präsidentenwahl im November zu Hause bleiben.
Ist Hillary Clinton die Claudia Roth der Demokraten, oder ist sie ihr John McCain? „Ich mache weiter, den ganzen Weg“, rief sie in Ohio, was so viel hieß wie: Bis zum Wahlparteitag, bis zum Sieg oder zum bitteren Ende. Bill Clinton war da schon auf dem Weg nach Wyoming, wo am Samstag die Demokraten zwischen seiner Frau und Barack Obama abstimmen.
Hillary Clinton hat Barack Obamas Siegessserie nach zwölf Staaten gestoppt. Der dreizehnte, Rhode Island, und die beiden großen Flächenstaaten Texas und Ohio gingen in der absoluten Zahl der Wählerstimmen an sie. Clinton hat damit fast sämtliche Großstaaten gewonnen, in denen es zwischen ihr und Obama einen gleichwertigen Wettkampf gab – New York, Kalifornien, Texas und Ohio. Nur Missouri ging knapp an Obama. In Ohio hat sie außerdem ihre Wählerkoalition wieder zusammengeholt. Frauen, Geringverdiener und Senioren gaben ihr den Vorzug. Das taten dort auch Parteiungebundene.
Die Warnungen vor einer Zerreißprobe der Demokraten nehmen nun zu. Wählerbefragungen in Ohio und Texas ließen bei manchen TV-Kommentatoren eine Vorstellung reifen, die manche Parteifunktionäre der Demokraten schon länger umtreibt. Die loyalsten Anhänger beider Rivalen – Schwarze bei Obama, Frauen über 55 bei Clinton – könnten bei der eigentlichen Präsidentenwahl am 4.November zu Hause bleiben, weil ihr Stolz und ihr Idealismus bei den Urwahlen zu sehr verletzt und beschädigt wurde. George W. Bush hat 2000 erlebt, was das heißen kann. Die religiös geprägten Konservativen blieben in Florida massenhaft der Wahlkabine fern, weil Bush ihnen zu liberal war. Um ein Haar hätte Bush deshalb die Wahl verloren.
Barack Obama hat heute Nacht Hillary Clinton angerufen. Er tat das, bevor ein Endresultat in Texas festlag, aber nach Clintons Siegesrede. Sein Stab teilte das beiläufig dem Sender MSNBC mit. Worum es dabei ging, wird die Öffentlichkeit vielleicht bald erfahren. Der engste Vertraute Clintons hatte nach dem „Superdienstag“, den Urwahlen des 5.Februar, ebenso beiläufig in einem New Yorker Lokal-TV-Sender Obama als Clintons Vizepräsidentenkandidaten ins Spiel gebracht. Obama ging darauf nicht öffentlich ein. Aber solche Kontakte und Angebote sind genau kalkuliert, und sie sind deshalb Indizien dafür, dass beide Rivalen den Blick für die Risiken ihres faszinierenden Wettstreits nicht aus den Augen verlieren.
Die Berechnung der Delegierten, die beide Bewerber heute Nacht in den vier Staaten Texas, Ohio, Vermont und Rhode Island gewonnen haben, wird bis heute Abend dauern, vielleicht sogar länger. Die Demokraten verteilen die Delegierten nach dem Stimmenanteil, und in Texas nach einem noch viel komplizierteren Schlüssel. Tatsache ist freilich: Hillary Clinton ist zurück im Ring. Wie John McCain war sie schon politisch totgesagt worden, wie McCain waren dafür schwere Managementfehler mit verantwortlich. Gerettet hat sie weniger die eigene Leistung als ein grotesker Managementfehler Obamas.
Sein Wirtschaftsberater hat kurz vor der Urwahl von Ohio dem kanadischen Generalkonsul in Chicago gesagt: Obamas Forderung, die Freihandelszone Nafta mit Mexiko und Kanada neu zu verhandeln, sei nicht völlig ernst gemeint. Das sei auch Wahlkampfton. Die Äußerung geriet auf welchem Weg auch immer in die Medien. Nafta ist in Ohio ein Spitzenthema. Obama, statt den Berater zu feuern, bezichtigte die Medien der Falschmeldung und behielt seinen Berater. Dadurch sorgte er dafür, dass das Thema in Ohio tagelang erörtert wurde. Viele Wähler hörten nur, Obama rede mit zwei Zungen – Clinton blies die Botschaft massiv unters Volk. Obamas wichtigste Qualität, die große, ehrliche Rede, schien plötzlich für manche Wähler anderes zu sein –Schönrednerei.
Nun ist es an Obama, die Delle von heute Nacht wettzumachen. In Wyoming und in Mississippi am nächsten Dienstag hat er dazu Gelegenheit. Clinton aber zieht heute in gleich sechs TV-Frühstücksshows, um ihren neuen politischen Schwung weiter zu verstärken. Sie blickt auf Pennsylvania am 22.April, das Ohio politisch und gesellschaftlich ähnelt, und in dem der sehr populäre Gouverneur auf ihrer Seite ist. Der Marathon zweier Teilnehmer mit Millionen atemlosen Zuschauern in der ganzen Welt geht weiter.
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