Barack Obama hat eine Rede gehalten, die nicht nur bei YouTube ein Hit ist. Sie gehört auch in die Geschichtsbücher, findet der Schriftsteller Zafer Senocak. Obama sprach Probleme seines Landes klar an. So etwas schafft hierzulande kaum einer. Dabei gibt es Themen, bei denen eine flammende, einende Rede nottäte.
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Foto: AP
Beide haben dasselbe Ziel: die amerikanische Präsidentschaft. Bei Begegnungen gingen Hillary Clinton und Barack Obama bislang höflich und respektvoll miteinander um. Doch der Ton wird rauher.
Jeder hat sein liebstes Amerikabild. Eines der prägendsten Amerikabilder für mich war jene zierliche, weiße Frau, die vor der Silhouette eines Wolkenkratzers in den Pranken von King Kong mit angstverzerrtem Gesicht um ihr Leben bangt. Das Ungeheuer wird zur Strecke gebracht werden. Irgendwie weiß man es. Während Europas Kultur von der Erfindung und Fortschreibung der Erfolgsgeschichte des Bösen Inspiration und künstlerische Imagination geschöpft hat, hält die amerikanische Fantasie an dem schlussendlich erledigten Serienkiller fest. Der Entwurf des amerikanischen Traums wäre ohne den Glauben, dass das Gute obsiegen wird, nicht denkbar. Wir Europäer mögen darüber lächeln, aber diese „naiven“ Träumer haben uns mehr als einmal aus einer existenziellen Not befreit. Weiterführende links
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Wer an die Grundwerte Amerikas, die für die Erfolgsgeschichte dieses Landes verantwortlich zeichnen, nicht glaubt, wird sich für immer in den Widersprüchen verstricken, die die Sehnsucht nach Freiheit für das menschliche Dasein vorgegeben hat. Amerika ist nicht perfekt. Doch dieses Land ist seit seiner Gründungscharta nicht etwa die Quelle expansiver Bosheit, sondern lediglich der – zugegeben, nicht immer mit berauschendem Erfolg versehene – Versuch, das Gewaltpotential im Menschen zu kontrollieren, zu sublimieren, umzulenken in kreative Energie, die aus der Welt mehr macht als ein kummervolles Asyl.
Die gestalterische Kraft Amerikas ist ansteckend, aber auch Neid auslösend. Das Versprechen Amerikas weckt Erwartungen, die, wenn sie nicht erfüllt werden überall auf der Welt umgehend emotionale Verwerfungen auslösen. Deswegen ist es nicht egal, wer dieses Land regiert, und wie es regiert wird. Für die Generation meines Vaters (Jg. 1926) war Amerika Schutzmacht und Verheißung zugleich. Die amerikanischen Zerstörer, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am Bosporus vor Anker gingen setzten den expansiven Ambitionen Stalins erfolgreich Grenzen. Dann folgte die Gründung der Nato, der Koreakrieg, eine nicht überall gewürdigte Erfolgsgeschichte für den Schutz der Freiheit. Für die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang war die unter der Führung der USA geeinte freie Welt ein Hoffnungsschimmer.
Nach acht Jahren Bushregierung ist der amerikanische Traum angeschlagen wie nie zuvor. Das ist auch für uns in Europa ein alarmierender Zustand. Denn die Kehrseite des amerikanischen Traums ist unser europäischer Albtraum. Um diesen Albtraum zu bändigen hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine ganze Generation um den Aufbau eines vereinten, friedlichen Europa bemüht. Doch auch heute, sechs Jahrzehnte nach dem Sieg über den Faschismus und zwei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer, wirken die europäischen Albträume nach und jeder Schlafzustand ist ein gefährlicher. Gesellschaften können sich keinen Schlaf gönnen. Ihre Wachheit ist die Garantie dafür, dass der Mensch in Ruhe schlafen kann.
Die USA sind vor allem ihr Image
Wie selten zuvor wird der amerikanische Vorwahlkampf in Europa mit Spannung verfolgt. Es geht um mehr als um das Amt des Präsidenten. Es geht um die Glaubwürdigkeit Amerikas und um Träume, die noch lange nicht überall in Erfüllung gegangen sind. Die Ereignisse in Russland, in China, auch in der Türkei, in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas, geben Anlass zur Sorge. Der zynische Glaube, der Mensch sei nicht würdig frei zu sein, diese schwerste Verletzung der Menschenwürde, stärkt die Position totalitärer Ideologien und autoritärer Führungsgestalten, die nur an sich selbst glauben. UMFRAGE.Umfrage
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Aktuell: 2908 Stimmen Wenn die Idee der Freiheit, für die wie keine andere Nation die USA stehen, ihre Ausstrahlungskraft einbüßt, ist der Welt nicht mehr zu helfen. Auch in Europa ist diese Idee gefährdet. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit werden alte Ressentiments wieder belebt. An den Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen uns und den anderen werden Mauern errichtet, an denen das Blut noch frisch ist. Staaten werden anmaßender gegenüber ihren Bürgern. Dass Fürsorgeprinzip gewinnt gegenüber der Eigeninitiative Oberhand.
Barack Obama hat jüngst in einer Rede über die Spaltung in der amerikanischen Gesellschaft, über das Verhältnis zwischen den Schwarzen und den Weißen, über die Schatten, die die Geschichte der Sklaverei wirft gesprochen, eine Rede, die in die Schulbücher gehört. Auch hier ist von den Bildern Amerikas die Rede, von den Ängsten und Versprechungen, die diese Bilder auslösen. Mehr als jedes Land auf der Welt sind die USA vor allem ihr Image, das sich oft vor die Realität stellt. Das Bild verändert sich je nach Perspektive. Dennoch schrumpft das weite, vielschichtige Land oft zu einem Zerrbild, das mehr mit dem Kopf des Betrachters in Zusammenhang steht, als mit dem betrachteten Objekt. Amerikabilder sind Halbwahrheiten aus denen vorerst Begeisterung oder Hass erwächst, aber selten ein Modus für Verständnis und Erkenntnis.
Obamas Rede ist ein Gegengift zu Bushs Rhetorik
Obamas Rede rückt die Amerikabilder zurecht, nicht weil er sie meidet, sondern weil er sie in einen Kontext stellt, der wieder so etwas wie Wirklichkeit zu Tage fördert. Er drückt das Unvollkommene in der amerikanischen Demokratie aus, ohne es gegen die freiheitliche Idee der Gründerväter auszuspielen. Die persönliche Linse macht es möglich. Hier spricht nicht jemand über ein Land, sondern über sich selbst und sein Land. Diese Rede, die bei YouTube millionenfach angeklickt wurde, ist auch an Europa adressiert, an die ganze freie Welt an alle politisch denkenden und handelnden Menschen auf der Welt, die angesichts der gewaltigen Herausforderungen oftmals wie gelähmt erscheinen. Viele von ihnen sind nicht nur ratlos, sondern auch wortlos. Ihre Sprache ist verbraucht, denn sie kommt nicht aus dem Leben, sondern aus der Retorte der Bürokratie. Die Sprachlosigkeit der europäischen Politik lässt sich nicht hinter dem gewaltigen Apparat der Deklarationen und der Vertragsentwürfe verstecken. Eine Politik, der es an den klaren Worten an entscheidenden Stellen und Augenblicken fehlt, verliert ihre Seele, ohne die jedes politische Handeln zum bloßen Verwalten verkommt. So werden Krisen verwaltet und an die nächste Generation vererbt. Es fehlt oft an einer Sprache, die die Brüche in der modernen Zivilisation benennt, eine Sprache, die unsere eigene Widersprüchlichkeit, unsere eigenen Unsicherheiten ausspricht und so korrigierbar macht.
Wer die Mauer überwinden will, muss sich bewegen
Barack Obama hat diese Sprache gefunden. Seine Rede ist Gegengift zu den Spaltpilzen, die George W. Bushs mit seiner Polemik über die Achse des Bösen angelegt hat. Eine Rede, die nicht von Weltgegenden handelt, sondern die von Mensch zu Mensch adressiert ist. Eine solche Rede kann einen, denn sie richtet das Augenmerk auf die verbindende Zone entlang der Grenzen. Die Grenzen produzieren Ängste, sie werden als Symbol der Teilung gehandelt und als Quelle von Konflikt und Krieg angesehen, wenn sie einmal zu unpassierbaren Mauern geworden sind. Nur der Zyniker spricht vom Schutz der Mauer. Weit verbreitet aber ist die Feigheit vor ihr, der Versuch sie zu übersehen. Doch die Mauer stellt jeden, früher oder später. Wer die Mauer überwinden möchte, muss sich bewegen und an den Wandel glauben. Schlagworte
Barack Obama USA Rhetorik Sprache George W. Bush King Kong Auch wir in Deutschland sind gerade dabei eine solche Mauer zu errichten. Wir bauen an einer deutsch-türkischen Mauer, eine Mauer mentaler Natur, die sich in Debatten und in Konfliktsituationen materialisiert. Diese Mauer teilt übrigens nicht nur Deutsche von Türken, sondern auch Deutsche von Deutschen, Türken von Türken. Und sie macht den Mauernspringern das Leben schwer. Dabei brauchen wir viel mehr Mauerspringer, um die Idee der Mauer eines Tages ganz zu überwinden. Ohne die Mauerspringer sind weder das Projekt Europa noch die Globalisierung erfolgreich zu meistern. Die deutsch-türkische Mauer aber würde fortwährend eine harte Grenze produzieren, ein Entweder-Oder, als ginge es heute um eine Türkisierung Deutschlands oder eine Germanisierung der Türken. Die Mauerspringer und ihre komplexe Realität würden zugunsten einfacher Identitätsmuster aufgegeben. Von der einen Seite der Mauer, ließe sich dann leicht mit dem Finger auf die andere deuten.
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