True to the Flag

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von Hubert Wetzel

Viele US-TV-Sender haben sich für den Irakkrieg Ex-Militärs als Experten zugelegt. Jetzt zeigt sich: Die werden weitgehend vom Pentagon kontrolliert.

Nach dem 11. September 2001 tauchten sie plötzlich auf der Mattscheibe auf: die “military analysts”. Amerika führte Krieg, und jeder US-Fernsehsender heuerte einen oder zwei oder gleich ein halbes Dutzend Militärkommentatoren an. Ihre Aufgabe: Sie sollten den Zuschauern das Geschehen auf den Schlachtfeldern erklären. In der Regel handelte es sich um Generäle oder Obristen a. D., die entgegen allen Klischees durchaus in ganzen Sätzen reden konnten und dabei gut sitzende Anzüge trugen.

Allerdings war es um die Unabhängigkeit dieser Experten, durch die ihre Auftritte erst einen Erkenntnisgewinn versprachen, nicht besonders gut bestellt. Die “New York Times” hat 8000 Seiten an Dokumenten ausgewertet und festgestellt, dass das US-Verteidigungsministerium konsequent daran arbeitete, die Experten zu beeinflussen. Mit einer gezielten Kampagne versuchte das Pentagon, die Militäranalysten zu Lautsprechern für die Regierungslinie zu machen. Die Idee dazu stammt von Torie Clarke, der berühmt-berüchtigten ersten Sprecherin des damaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld.

Das Pentagon identifizierte rasch die Hebel, um sich die Experten gefügig zu machen. So bekam die Kommentatorentruppe – von denen die meisten ohnehin nicht gerade harsche Militärkritiker waren – exklusiven Zugang zu Informationen, etwa in Form von Gesprächen mit Rumsfeld oder Vizepräsident Dick Cheney. Wer auf Sendung zu sehr gegen die offizielle Linie verstieß und sich zum Beispiel zu kritisch zur Lage im Irak äußerte, flog von der Liste bevorzugter Analysten. Zudem hatten die Experten ein wirtschaftliches Motiv, dem Pentagon nicht auf die Füße zu treten: In Washington ist es Usus, dass pensionierte Offiziere als Rüstungslobbyisten arbeiten. Das traf auch auf viele der Kommentatoren zu. Durch ihre Fernseharbeit konnten sie Kontakte zu ranghohen Pentagonvertretern knüpfen, die sich für ihre Unternehmen auszahlten.

Die von der “New York Times” ausgewerteten Dokumente beweisen, dass das Pentagon die TV-Offiziere systematisch betreute. So werden die Kommentatoren in Schreiben des Ministeriums mitunter als “unsere Analysten” bezeichnet – mit dem Vorteil freilich, dass sie von ABC, CBS, NBC, CNN oder Fox bezahlt wurden. Zudem kann die Zeitung belegen, dass zumindest einige der Militärexperten sich durchaus willig vom Pentagon instrumentalisieren ließen, sei es, um trotz besseren Wissens angebliche Erfolge im Irak zu preisen oder das Gefangenenlager in Guantanamo Bay zu loben. Peinlich sind die Enthüllungen für Pentagon und Fernsehfirmen gleichermaßen. Vor allem aber bestätigen sie den alten Verdacht, dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist.

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