Bei Hillary weiß man, was man hat …und was noch für die Demokratin Clinton spricht
VON HEIKO ROLOFF
In der vergangenen Woche bekam ich von einem Kollegen und Freund aus Hamburg eine E-Mail. „Wird Zeit, dass du Hillary zerreißt“, schrieb er. Offenbar ist er – wie laut Umfragen die Mehrheit der Deutschen ein – Obama-Fan. Hier meine Antwort an ihn:
Lieber Hans-Heinrich Reichelt!
Ich bin nicht sicher, ob ich Hillary in der Luft zerreißen soll. Denn ich weiß nicht, was ich von Obama halten soll. Klar, er ist Hoffnungsträger. Der Mann, der das verkrustete Washington aufbrechen und das gespaltene Amerika vereinen könnte. Wie seine Fans, kann ich mir vorstellen, dass er Brücken zwischen Schwarz, Weiß und Latinos baut, zwischen Christen, Moslems und Juden. Dass er Jung und Alt, Reich und Arm fühlen lässt: Amerika braucht euch alle, um eine Weltmacht zu bleiben.
Doch Hillary-Anhänger sehen durch eine andere Brille. Und durch die ist Obama ebenso Establishment wie alle anderen. Er bekommt sein Spenden-Geld längst auch von reichen Lobbyisten, die später von „ihrem“ Präsidenten Gefallen erwarten. Er stellt sein Fähnlein wie alle Politiker in den Wind der Wähler-Meinung. Und: Er wird von demokratischen Partei-Größen unterstützt, die ihn genauso zur Marionette machen könnten, wie es George W. Bush für die „Neo-Konservativen“ Republikaner (Vize Dick Cheney, Kriegsminister Donald Rumsfeld) war.
Ex-Präsidentschafts-Kandidat John Kerry beispielsweise hatte vor vier Jahren Obama auf die politische Bühne gehoben. Kommt sein „Ziehsohn“ ins Weiße Haus, hätte er viel Einfluss. Gewinnt Hillary, gäbe es nur einen mächtigen Mann im Hintergrund: ihren Mann.
Ur-Senator Edward Kennedy ist dagegen Oberhaupt der mächtigsten demokratischen Familie. Sollten die Clintons wieder im Oval Office sitzen, wäre sein Clan die Nummer zwei. Mann und Frau Präsident – das hat es noch nie gegeben! Der politische Adoptiv-Enkel JFK’s würde die Kennedys noch unsterblicher machen.
Eine der häufigsten Vorwürfe an Hillary Clinton lautet: Sie wird nur von Machthunger getrieben. Und was sind wohl Obamas Motive? Oder die von John McCain? Hillary wird gern wegen ihrer widersprüchlichen Aussagen kritisiert (Bespiel: sie stimmte für den Irak-Krieg, ist heute dagegen). Die Widersprüche Obamas geraten dagegen schnell in Vergessenheit. Zur Erinnerung: Er hatte sich gegen das Wirtschaftsbündnis NAFTA (nordamerikanische EU) ausgesprochen. Sein Top-Berater versicherte Kanadas Regierung derweil hinter verschlossenen Türen: „Das ist nicht so gemeint.“ Er wollte nicht gewusst haben, dass sein langjähriger Pastor Hass-Tiraden predigte („Amerika hat Aids über die Schwarzen gebracht“). Als das Heer der Kirchgänger ihm nicht glaubte, distanzierte er sich von dem Pastor und hielt eine aufklärerische Rede über den Rassenkonflikt. Die Rede war gut, kam vielen aber zu spät.
Hillary Clinton wird vorgehalten, dass sie eine elitäre Geschäftsfrau ist (die Clintons verdienten nach dem Weißen Haus rund 100 Millionen Dollar) und ihr Gerede vom kleinen Mann nur Fassade ist. Nun steht Obama selbst unter dem Verdacht, elitär zu sein. Hatte er doch leichtfertig gesagt: „Amerikas Kleinstädter sind verbittert und frustriert.“ Eine Aussage, die eine Woche vor der wichtigen Wahl in Pennsylvania (22. April), in der es viele „Kleinstädter“ gibt, kriegsentscheidend sein könnte.
Auch ich habe als einer der ersten in meiner Kolumne Obama mit JFK verglichen. Und wirklich sind die Parallelen verblüffend: Beide jung, charismatisch, gut aussehend und exzellente Redner. Doch wer sie vergleicht, sollte nicht vergessen: JKF hat die Welt an den Rande eines Atomkrieges gebracht. Seine erste internationale Aktion war die Invasion der Schweinebucht von Kuba, die in einem Desaster endete und den damaligen Kreml-Chef Nikita Chruschtschow ermutigte, nukleare Raketen nach Kuba zu schicken, weil er seinen Gegner für unerfahren hielt. Die Folgen waren die Eskalation des kalten Krieges und auch der Bau der Mauer. Auch heute könnten Diktatoren und Terror-Führer versuchen, einen unerfahrenen Präsidenten zu testen.
Was mich aber meisten davon abhält, Hillary in der Luft zu zerreißen: Umfragen haben ergeben, dass Obama gegen John McCain verlieren, sie aber gegen ihn gewinnen würde. Warum? Weil die Amis (Demokraten und selbst traditionelle Republikaner) nach fast acht Jahren George W. Bush den Republikaner zutiefst misstrauen. Doch sie sehen auch, dass ihr Land international und wirtschaftlich in einer der schwierigsten Phasen seiner Geschichte steckt. Deshalb wollen sie einen Präsidenten, der/die zwar einen neuen Kurs steuert, aber dennoch stark ist.
Bei den Clintons weiß man, was man hat. Sie sind hart, sie sind geschäftstüchtig, machtbewusst, erfahren. Sie sind gut für sich selbst, aber eben auch gut für Amerika.
Und wer glaubt, dass Obama Washington und die Welt radikal ändern wird, der irrt sich vermutlich. Er wird sich entweder artig in das System einfügen oder vermutlich wie JFK erschossen.
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