Obama in the Clinton Trap

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Barack Obama hat Hillary Clinton in einem zermürbenden Vorwahlkampf besiegt – und wird sie dennoch nicht los. Jetzt muss er sie einbinden, um ihre Wähler für sich einzunehmen. Gleichzeitig muss er sich von ihr befreien. Washington spekuliert über eine Lösung des Dilemmas.

Es ist vorbei. Sie weiß es, schon lange weiß sie es. Eigentlich muss Hillary Rodham Clinton den Rückzug antreten. Und auch wenn nach den letzten Vorwahlen in Montana und South Dakota niemand von ihr erwartete, dass sie ihre Niederlage eingestehen würde, erwartete man doch eine Geste, ein Symbol, ein Aufruf zur Einheit. Und was sagte sie? “Ich werde heute Nacht keine Entscheidung treffen. Ich will, dass die 18 Millionen Menschen, die für mich gestimmt haben, respektiert werden.” Es schien, als ob sie sich selbst die ganze Wucht eines Wortes noch nicht recht eingestehen will: “Defeat”. Niederlage. Aus. Vorbei. Ende, nach diesem längsten Vorwahlkampf aller Zeiten.

Scheinbar möchte sie Barack Obama regelrecht zwingen, ihr die Vizepräsidentschaft anzubieten – aber will selbst dabei noch die erste Geige spielen. Schon im Verlauf des Wahltages hatte sie ja verlauten lassen, sie könne sich die Vizepräsidentschaft vorstellen. Passend dazu ließen ihre Berater ein Lied spielen. “Simply the best.” “Schreibt mir”, rief sie ihre Anhänger sogar noch auf, “Ich will Eure Meinung hören.” Dies war keine Abschiedsrede – es war die Rede einer verhinderten Siegerin.

Da schauderte es selbst den alten Clinton-Strategen David Gergen: “Das war ganz schön trotzig. Eine verpasste Chance.” Und Clinton- Biograf Carl Bernstein wusste: “Sie dachte doch ursprünglich gar nicht daran, aufzugeben.” Das Wort “Niederlage” gehörte noch nie ins Wörterbuch der Clintons.

Obama hält Lobesrede auf Clinton

Doch es ist vorbei. Er hat gewonnen – und es ist schon jetzt ein historischer Sieg. Barack Obama ist der Präsidentschaftskandidat der demokratischen Partei. Er hat die Mehrheit der Delegierten hinter sich. Barack Hussein Obama, der Newcomer, ist nun der erste schwarze Präsidentschaftskandidat in der Geschichte Amerikas. Und natürlich war es kein Zufall, dass er sich für seine Siegesrede das mit mehr als 30.000 Fans vollgepackte Xcel- Energy Center in St. Paul, Minnesota, ausgesucht hatte – denn genau dort wird Anfang September der Republikaner John McCain zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. So wie es auch kein Zufall war, dass an diesem sorgfältig orchestrierten 3. Juni nahezu stündlich neue Super- Delegierte ihre Unterstützung für Barack Obama erklärten, Jimmy Carter inklusive. Am Abend dann waren es Dutzende – und sie halfen Obama über die Delegierten-Hürde.

Und er trug, ganz Patriot, den Anstecker mit der amerikanischen Flagge am Revers und sagte “Gott segne Amerika.” Brav bedankte sich Barack Obama bei seiner Frau und bei seiner Großmutter, der er alles verdanke.

Und bevor er am Ende dieses Tages dann voll mitreißender Energie und mit ernstem Gesicht mit einem gewaltigen Angriff auf John McCain den nationalen Wahlkampf eröffnete, hielt Barack Obama eine Lobesrede auf Hillary Clinton – elegant, großzügig nahezu hymnisch, als ob er sie geradezu zur Vizepräsidentschaft einlade. “Senator Clinton hat in diesem Wahlkampf Geschichte geschrieben. Und nicht nur, weil sie eine Frau ist. Sie ist eine Führungspersönlichkeit. Ich gratuliere ihr für diesen Wahlkampf. Und sie wird von zentraler Bedeutung für unseren Sieg im November sein. Ich ein besserer Kandidat, weil ich die Ehre hatte, gegen sie zu konkurrieren.”

Welche Bedingungen stellt sie nun?

Es war seine Bitte um Einheit, um ihre Unterstützung, sein Angebot. Schließlich braucht er die 18 Millionen Wähler, die in den Vorwahlen für Hillary Clinton stimmten. Er braucht Hillary Clinton. Noch am späten Abend hinterließ er eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter. Er sei zu einem Treffen bereit. Schon vorher hatte er ihr Gespräche angeboten, an einem Ort, zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl, um gemeinsame “Nach-Vorwahl-Aktivitäten” zu besprechen. Vielleicht gehört dazu auch eine mögliche Unterstützung bei der Begleichung ihrer rund 20 Millionen Dollar Wahlkampfschulden.

Es waren zwei Reden, zwei Welten. Und die müssen jetzt zusammenkommen. Die Frage ist nur: Welche Bedingungen stellt sie, bevor sie den Kniefall macht? Für sich, für ihren zornigen Mann Bill. Der hatte bis zuletzt mit rotem Gesicht über die Medien und ihren Sexismus gezetert, die seiner Frau nie eine echte Chance gegeben hätten. Und hatte sich besonders über einen bitterbösen Bericht in der Glamour-Zeitschrift Vanity Fair erregt, in dem von seiner mangelnden Urteilskraft, merkwürdigen Freunden und auch von anderen Frauen die Rede ist. “Schändlich” sei der Autor (der mit Clintons ehemaliger Pressesprecherin Dee Dee Myers verheiratet ist) schimpfte Clinton, “unehrlich und schleimig”. Zum Schluss war es so, als ob er regelrecht fürchtete, dass es vorbei sein könnte. Und Hillary nicht ins Weiße Haus einziehen würde.

Sie will mitentscheiden

Sie kämpfte, versuchte es mit beinahe allen Mitteln, mal Mutter Theresa der leidenden Mittelklasse, mal Frauenrechtlerin, mal Gattin von Bill. Sie schwang populistische Parolen und scheute sich auch nicht, mit rassistischen Vorurteilen zu spielen. Doch sie kämpfte, sie gewann die letzten acht von 15 Vorwahlen. Sie gewann bei den ärmeren, weißen Wählern in wichtigen “swing-states”, den hart umkämpften Bundesstaaten. Und sie erhielt – zumindest nach ihren mehr als umstrittenen Zählungen – insgesamt mehr Wählerstimmen, wenn auch nicht Delegierte. Unmissverständlich will sie dem Mann, der ihren so sicher geglaubten Sieg vermasselte, klar machen: sie kann mitentscheiden, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird.

In den kommenden Tagen wolle sie eine Entscheidung fällen, sagte Hillary Clinton.

Und das wird höchste Zeit. Denn dringend muss Barack Obama jetzt nationales Profil zeigen, als Staatsmann, als potentieller Präsident für alle Amerikaner. Denn obwohl nach sieben Jahren Bush alle Zeichen auf einen demokratischen Sieg stehen müssten, liegt Kriegsheld John McCain zur Zeit gleichauf mit Barack Obama (oder Hillary Clinton) Und John McCain kann ihm wichtige Themen streitig machen: Klimawandel, sein Kampf gegen Bushs Folterpolitik, selbst der Irak – denn von dort will McCain, bis 2013 den Großteil der US- Truppen abziehen. Und zwar siegreich, wie er verspricht. “Ich werde mich im Irak niemals ergeben”, sagt McCain, wann er immer er kann, ganz Patriot.

Gestern begann der nationale Wahlkampf, und Barack Obama hat einen langen Weg vor sich. Er muss jetzt sein eigenes Profil entwickeln, um seine Inhalte werben.

Es ist schon vertrackt: Barack Obama braucht Hillary Clinton – aber er muss sich auch von ihr befreien. Schon spekuliert man über einen goldenen Kompromiss: Er werde ihr die Vizepräsidentschaft anbieten – wenn er sicher sein kann, dass sie ablehnt.

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