Oh Yes, Obama

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Oh ja, Obama

Barack Obama verheißt einen Aufbruch für Amerika – im krassen Gegensatz zum Programm des Republikaners John McCain. Doch wie erfolgreich der Demokrat im Wahlkampf sein wird, hängt auch davon ab, ob sich seine Rivalin Hillary Clinton rasch unterordnet.

Barack Obamas herausstechende Eigenschaft ist die Ruhe. Die ihm innewohnende Gelassenheit und die – pathetisch gesprochen – beruhigende Sanftheit geben ihm Größe und Stärke. Entscheidungen wirken plötzlich souverän, die innere Balance schafft Vertrauen.

Obamas Biografen und alle, die ihn besser kennen, führen diese Ruhe auf die Kindheit und Jugend auf Hawaii zurück, wo die Menschen von einem anderen Lebensrhythmus geprägt sind als in den Festlandstaaten.

Diese Form der Entrücktheit gibt aber auch Anlass zu den größten Zweifeln am Kandidaten Obama. Kein anderes Thema beschäftigt das Lager der Demokraten in Amerika mehr als die Frage nach der Eignung.

Kann der das? Ist Obama politisches Urgestein genug? Hält er dem Druck des Präsidentenamtes stand? Hat er ausreichend Erfahrung? Wo sind seine Niederlagen, seine Narben?

Im vergangenen halben Jahr hat der Kandidat eine Antwort gegeben. Die Vorwahlkampagne gegen Hillary Clinton war die wohl schwierigste politische Bewährungsprobe seines Lebens.

Von den üblichen Angriffen auf Person und Charakter bis hin zu den Kernproblemen der amerikanischen Innen- und Außenpolitik musste sich Obama dem Präsidentschafts-EKG unterziehen – einem politischen Intensivtest, der jetzt eine positive Antwort zulässt auf die Eignungsfrage. Diesen Test hat er bestanden,

knapp zwar, aber Amerikas Demokratie ist an knappe und sogar ungerechte Entscheidungen gewöhnt.

Das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton, das Florida-Drama von Al Gore, die Ohio-Entscheidung bei John Kerry: die politische Kampfbereitschaft in den USA ist intensiv, das Land lässt sich schnell polarisieren – aber schnell auch wieder einen.

Diese Erfahrung werden nun die Demokraten mit ihrem Kandidaten machen müssen. Die Vorwahlen verschwinden schnell im Nebel, wenn sich die Aufmerksamkeit auf das eigentliche Ziel konzentriert. Denn jetzt erst beginnt der

Wahlkampf.

Das härteste Auswahlverfahren aller Demokratien kennt keine Pause. Zwei Dinge sind für die nächsten fünf Monate entscheidend: Die Partei muss alle Zweifel hinter sich lassen und wieder zusammenfinden; und Obama muss Herr des Verfahrens bleiben, er muss die Dynamik bestimmen.

Gespaltene Demokraten

Die Auseinandersetzung mit Hillary Clinton hat das Demokratenlager so sehr gespalten, dass Zweifel an einer schnellen Versöhnung bestehen. Die Kandidatin Clinton war Obama durchaus überlegen: Sie hätte die weiße Arbeiterklasse besser mobilisiert, sie hätte überzeugender in den Schlüsselstaaten wie Ohio, Arkansas oder Florida gewirkt, und – so viel taktischer Zynismus muss erlaubt sein – eine Frau hätte weniger Angriffsfläche geboten als ein schwarzer Kandidat, der den latenten Rassismus im Land entzünden wird.

Allerdings gehören in die Rechnung auch Hillary Clintons negative Eigenschaften: ihre Polarisierungskraft, die eigentlich erschöpfte Anhänger der Republikaner scharenweise an die Urne getrieben hätte; der Ex-Präsident und Ehemann, der sich

im Wahlkampf selbst schwerst beschädigte; schließlich der Eindruck, dass die Clintons für eine alte Politik stehen.

Auch wenn Obamas Frische in den vergangenen Monaten gelitten hat, verheißt der Kandidat einen Aufbruch für Amerika. Das change-Versprechen, die Hoffnung auf die Wende, steht nach wie vor im Mittelpunkt des amerikanischen politischen

Bewusstseins.

Es war Barack Obama, der dieses überwölbende Motiv erkannte, zum Thema seiner Kampagne machte und damit das beste Gespür für die Stimmung im Land zeigte. Während sich die anderen Kandidaten mit dem Irak herumschlugen oder die

Gesundheitsreform diskutierten, versprach Obama ein neues Lebensgefühl.

Dieses Wechselversprechen steht im krassen Gegensatz zum Programm des Republikaners John McCain, der die gesammelte politische Erfahrung der USA aus den letzten 30 Jahren verkörpert. Erfahrung gegen Frische, Tradition gegen Aufbruch – das werden die Schlachtenszenen der nächsten Monate sein.

Unausgesprochen aber bleibt das Rassenthema präsent, und es sollte nicht verwundern, wenn es zu hässlichen Attacken kommt mit dem Ziel, Narben aufzureißen, Klischees und Ängste zu bedienen.

Amerika will den Wechsel

Es ist dümmlich zu behaupten, Amerika sei nicht reif für einen schwarzen Präsidenten. Solche Vereinfachungen taugen nicht in einem multikulturellen Land. Entscheidend ist nicht, welche Hautfarbe ein Kandidat hat, sondern welche Wählergruppen er hinter sich vereint.

Die Vorwahlen der Demokraten haben bewiesen, dass die Kandidaten Obama und Clinton die Mehrheit des Landes für sich mobilisieren können, weil sie weit in alle Milieus hineinwirken. Amerika will den Wechsel – Obama und Clinton können ihn

schaffen. Dazu müssen sie schnell ihre Rivalität hinter sich lassen, Hillary Clinton muss sich fügen und unterordnen.

Der Partei, dem Land und ihrem Ruf wäre am besten geholfen, wenn sie ihre Unterstützung nicht von der Zusage auf die Vizepräsidentschaft abhängig macht. Das Paar Obama/Clinton würde mehr Unheil stiften als Frieden. Der Sieger heißt Barack Obama. Präsident aber ist er noch nicht.

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