Are Americans Becoming Dumber?

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“Was ist Pearl Harbor?”

Von Eva C. Schweitzer

Werden die Amerikaner dumm und dümmer? Oder trifft es nur die Christen – und nicht die Juden oder die Hindus? Eva C. Schweitzer hat eine Theorie dazu

Susan Jacoby ist eine streng dreinblickende Dame, die ein Kostüm trägt und eine Brille, sie könnte gut als Bibliothekarin durchgehen, oder als Gymnasiallehrerin. Und so was Ähnliches ist sie auch. Die New Yorkerin hat ein Buch geschrieben, es heißt: „Dumb and Dumber. Are Americans Hostile to Knowledge?“ „Unsere Kinder werden immer dümmer“, zürnt sie — Jacoby ist sehr temperamentvoll. Diese Woche hat sie in der Barnes & Noble-Filiale an der Upper West Side ihr Buch vorgestellt. Barnes & Noble, nördlich vom Feinkostladen Zabar’s, ist, neben Makor, dem jüdischen Kulturhaus an der West 67th Street, das kulturelle Herz der Upper West Side. Cineasten kennen die Filiale aus „You‘ve Got Mail“, wo Tom Hanks die süße Meg Ryan in den Konkurs treibt.

Kurz nach 9-11 belauschte Jacoby zwei Männer in einer Bar. Einer sagte, der Anschlag sei wie Pearl Harbor. „Was ist Pearl Harbor?“ fragte der andere. Daraufhin der erste: „Das war, als die Vietnamesen Bomben auf einen Hafen geworfen haben, das hat den Vietnamkrieg ausgelöst.“ Daraufhin, sagt Jacoby, habe sie beschlossen, dieses Buch zu schreiben.

Das Publikum bei Barnes & Noble war, muss ich so unschön sagen, alt. Lauter gebildete ältere Herrschaften in guten Pullovern und Wollmänteln, die besorgt nickten. Schuld an der Misere sei, sagte Jacoby, das Fernsehen, das immer flacher werde, und das Schulsystem, das Kinder nur durchschleuse, aber nicht dafür sorge, dass sie etwas lernten. Und die religiösen Fundamentalisten, die lehrten, dass Dinosaurier vor 6000 Jahren auf der Erde gewandelt seien (oder waren es UFOs?). Schuld sei aber auch die feindselige Einstellung gegenüber Wissen, die viele Amerikaner hätten.

Jacobys Buch hat es auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft. Die Times hat ein Messageboard eingerichtet, auf dem fast tausend Leser Beiträge posteten. Die meisten stimmen der Autorin zu. Andere allerdings halten das Buch für einen Teil einer liberalen Verschwörung. „Amerika gibt der ganzen Welt Jobs, und wir kämpfen deren Kriege für sie“, meint ein Leser, und ein anderer: „Wir führen in jeder Kategorie, unser Lebensstandard ist der höchste der Welt.“ Ist er das? Vielleicht an der Upper West Side, wo das Durchschnittseinkommen höher ist als irgendwo sonst, aber nicht im Mittelwesten. Aber gerade dort leben die Menschen, für die eine Flugreise, und sei es nach Quebec, unerreichbar ist.

Jacoby ist nicht die Einzige, die sich sorgt. Jay Leno, der Host der „Tonight Show“, veranstaltet regelmäßig den „Battle of the Jaywalk All-Stars“, wo er junge Menschen in Los Angeles, am liebsten angehende Akademiker, die sich als besonders dämlich erweisen, aufsammelt. Die holt er ins Studio und lässt sie gegeneinander antreten.

Kostprobe: „Amy, gegen wen haben die USA im Zweiten Weltkrieg gekämpft?“ Amy: „Korea?“ Nein, es ist nicht Korea, sagt Jay, wie hieß denn der Kerl mit dem Schnurrbart? Amy: „Boris Jelzin?“ Später wird Amy sagen, dass vielleicht Einstein das Telefon erfunden hat, oder ein Kerl namens Verizon, während ihre Konkurrentin Jessica Nancy Pelosi mit Laura Bush verwechselt, und nicht weiß, wann und wo die Invasion der Normandie stattgefunden hat, und ob die Normandie überhaupt existiert.

Aber trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob Jacoby Recht hat. Werden wirklich die Amerikaner dümmer — oder vielleicht doch bloß die Christen? Ich habe noch nie einen Juden, oder Moslem, oder Buddhisten, oder Hindu getroffen, der glaubte, Bildung sei nicht wichtig. Leider sei dem nicht so, meint Jacoby. „Auch Juden werden dümmer. Gucken Sie sich Billy Kristol an — und vergleichen den mit Irving Kristol, seinem Vater.“

Zufällig treffe ich ein paar Tage später Hussain Ali-Khan, den Immobilienmanager der New York Times (in einer Bar, und es ist nicht ganz zufällig), und der findet, das stimmt, irgendwo. Allerdings, sagt er, gebe es bei der Times eine Menge Juden, die keine Intellektuelle seien, sondern Drucker oder Setzer. „Und?“ frage ich. „Erzählen die ihren Kindern, mir ist es egal, ob du aufs College gehst?“ „Natürlich nicht“, sagt er. Übrigens würden auch seine Kinder mal aufs College gehen, das sei schon mal klar.

Inzwischen habe ich eine neue Theorie zur Bildungsmisere in den USA entwickelt: Schuld ist Ronald Reagan. Als ich noch ein Kind war — das war, als Bobby Kennedy erschossen wurde — ging ich in eine Schule in Südkalifornien. Die war von Deutschland so weit entfernt wie die Apollo-Raumkapsel von einem Käfer. Es gab dort Exkursionen, Filme, in denen eine Zeichentrickgrille erklärte, wie Eis entsteht, ein Klavier in jedem Klassenzimmer und kostenlose Nachhilfestunden für alle, die sich schwertaten.

Neulich war ich wieder dort. Die Hälfte der Stunden fand in Blechcontainern statt, und alles wirkte abgeschabt. Ich sprach mit einem Lehrer, der mit tapferen Lächeln sagte: „Wissen Sie, das hier ist halt der raue Teil der Stadt, wir müssen mit dem auskommen, was wir haben.“ An der Upper West Side, so viel kann ich sagen, geht es anders zu.

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