Obama and the Question of American Racism

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Obama und die Frage, wie rassistisch Amerika ist

Barack Obamas Hautfarbe rückt im Wahlkampf gegen John McCain in den Vordergrund. Schwarzenfeindliche Webseiten erleben einen immensen Zulauf. Menschen, die sich bislang nie als Rassisten sahen, sollen aus Empörung über einen möglichen schwarzen Präsidenten bei den White-Power-Gruppen Schutz suchen.

„Wie schwarz darf Barack Obama sein, um weiße Wähler nicht abzustoßen?“, fragte Marcus Mabry jüngst in der „New York Times“. Und präzisierte zynischer: „Wie sehr müssen die Republikaner ihn anschwärzen, um zu siegen?“ Es war ein weithin bemerktes Wagnis auszusprechen, was im amerikanischen Wahlkampf sonst in Codes und Andeutungen als hochgiftige Ware gehandelt wird: „the race issue“. Die Frage, ob sich eine Mehrheit der Amerikaner einen (halb)schwarzen Mann im Weißen Haus vorstellen kann und will, wird nicht in Umfragen, sondern erst an der Wahlurne ehrlich beantwortet.

Niemand, der sehen kann, kann bezweifeln, dass Barack Hussein Obama, ob er will oder nicht, seine Haut zu Markte trägt. Das Spektrum reichte vom anfänglichen Zweifel unter Schwarzen, ob Obama schwarz genug sei, bis zu der nicht zu besänftigenden Furcht vor Attentaten in einem Land, das vor 40 Jahren den Mord an Martin Luther King erlebte und damals zum Teil noch Lynchjustiz gegen Schwarze duldete. Auf der Gegenseite brüsten sich amerikanische Neonazis und „White supremacy“-Gruppen mit gewaltigem Zulauf, seit die Nominierung Barack Obamas feststeht.

Kein Gerücht kann bizarr genug sein

Die Anti-Defamation League spricht von einer „Explosion des Hasses“, zumal auf Tausenden Webseiten. Der ehemalige Ku-Klux-Klan-Führer Don Black prahlt in Interviews damit, dass sein Internetforum Stormfront von rund 2000 auf 40.000 Klicks am Tag angeschwollen sei. Menschen, die sich nie als Rassisten sahen, suchten aus Empörung über einen möglichen schwarzen Präsidenten bei den White-Power-Gruppen Schutz.

Es versteht sich, dass weder John McCain noch einer seiner Berater sich rassistische Untertöne leisten werden. Der Kandidat der Republikaner wird sich auch von berufsmäßigen Denunzianten zu distanzieren wissen, die Barack Hussein Obama als monströse Kreuzung aus Saddam und Osama darstellen, in indonesischen Medrese-Schulen zur Subversion Amerikas ausgebildet, ein sich selbst hassender Muslim im christlichen Schafspelz. Mehr als zehn Prozent der Amerikaner glauben jedoch laut Umfragen, dass Obama Muslim sei; wohl dieselben, die sicher sind, dass Saddam Hussein „9/11“ auf dem Gewissen hat.

Kein Gerücht ist bizarr genug, um nicht in der Gerüchtewelt der Blogger zu gedeihen. „Obama for President bereitet den Boden für David Duke for President“, glaubt David Duke, der frühere Ku-Klux-Klan-Führer, der 1988 kandidierte und nicht einmal auf ein Prozent der Stimmen kam. Man mag Duke und seine Spießgesellen als Spinner abtun. Es braucht aber nur einen Entschlossenen, um Barack Obama nach dem Leben zu trachten.

Ärger mit Ralph Nader

Doch auch Amerikas Linke spielt ihre paradoxe Variante von „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“. Manche werfen Obama vor, ein Onkel Tom zu werden oder sich opportunistisch zur Gänze zu entfärben. Ausgerechnet Ralph Nader, dem einst viel gerühmten Verbraucheranwalt – viel gehasst seit seiner Kandidatur 2000, die Al Gore die Wahl kostete –, fiel es vor Tagen zu, das Unaussprechliche zu sagen. An Obama sei nichts Besonderes außer seiner halbschwarzen Farbe, sagte Nader. Er habe kein Wort der Anklage von ihm gehört über die ökonomische Ausbeutung in den Gettos. Über Kredithaie, Verseuchung mit Asbest und Blei: „Ist es, weil er sich weiß reden will? Weil er nicht wie ein neuer Jessie Jackson rüberkommen will, ein weiterer bedrohlicher schwarzer Politiker?“

Obama spiele mit dem Schuldgefühl der Weißen, „und das geht nicht mit ,Black is beautiful‘“. Barack Obama bemerkte zu Naders Angriffen nur kühl, der Mann habe offenbar nicht aufgepasst, als er sich zu all diesen Problemen geäußert habe. Es sei traurig, was ein verdienter Mann wie Nader für etwas Aufsehen zu tun bereit sei.

Wahr ist, dass die erneute Präsidentschaftskandidatur Ralph Naders ignoriert wird und, anders als der Grünen-Kandidat 2000, nicht einmal für die Witzeleien der Late-Night-Talkshows taugt. Wahres ist auch an seinen Unverschämtheiten. Bis sein eigener Pastor Jeremiah Wright ihn mit Hasspredigten gegen weiße Dominanz in einen Hinterhalt lockte, versuchte Barack Obama, seine Hautfarbe so beiläufig zu kommentieren wie das Wetter.

Um sich von Schwarzenführern wie Jesse Jackson und Al Sharpton, die mit ihren Kandidaturen etwas schwarzen Stolz und viel Ego bedienten, abzugrenzen, mied er die alte Bürgerrechtselite. Er gewann die Herzen der Jungen, indem er ihnen Stolz eingab auf ein Land, das einen Mann wie ihn hervorbringen kann. Bei den Älteren mag Schuld eine Rolle spielen, die Bewegung Obama ist getragen von Stolz auf ein neues, geläutertes Amerika.

Wie geläutert, ist wiederum eine Generationenfrage. In einer Erhebung von „Washington Post“ und ABC zur Bedeutung von Rasse und Lebensalter für die Wahl, gab knapp die Hälfte an, die Rassenbeziehungen seien belastet; drei von zehn bekannten sich zu rassistischen Vorurteilen. Fast ebenso viele sehen John McCains Alter (71) als ernsthaftes Problem.

Als die Tiraden von Pastor Wright beinahe Obamas Kandidatur zu Fall brachten, trat er die Flucht nach vorn an. Am 18.¿März hielt Barack Obama in Philadelphia die wohl wichtigste Rede seiner Karriere. „A More Perfect Union“ zu den Rassenbeziehungen wird, so oder so, Lehrstoff in den Schulen werden. Seit Jahrzehnten, wenn überhaupt, hatte kein Politiker die Kühnheit gehabt, die Ressentiments der Schwarzen ebenso offenzulegen wie die Ängste und Antipathien der weißen Unterschicht gelten zu lassen, die „in berechtigten Sorgen gründen“. Er sei Sohn eines Afrikaners, mit einer afroamerikanischen Frau verheiratet, „die in sich das Blut von Sklaven und Sklavenhaltern trägt“. Sein früherer Pastor habe mit seinem anachronistischen Hass die „Größe und Güte unserer Nation“ geleugnet und so Schwarze wie Weiße beleidigt.

Nur ein Mann mit doppelter Zugehörigkeit im amerikanischen Schwarz-Weiß-Konflikt konnte in solcher Weise für beide sprechen. Pastor Wright, der im Wahlkampf der Republikaner wiederbelebt werden wird, hat Obama einen Gefallen getan. Der Kandidat weiß am besten, wie es weitergeht: „Sie werden versuchen, euch Angst vor mir einzujagen. Der Typ ist jung und unerfahren, werden sie sagen, und er hat einen komischen Namen. Und hatte ich schon erwähnt, dass er schwarz ist?“ Aber hatten wir auch schon erwähnt, dass er eine weiße Mutter hat?

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