Bush's Legacy

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Bushs Erbe

Mit einem Besuch beim britischen Premier verabschiedet sich der US-Präsident von Europa. Sein politisches Wirken rückblickend nur zu kritisieren wäre zu einfach

Von Jürgen Krönig

Wie jeder amerikanische Präsident sorgt sich auch George W. Bush um seinen Platz in der Geschichte. So gesehen erwies sich Gordon Brown als perfekter Gastgeber. Zum Abschiedsdinner für den Präsidenten in 10 Downing Street bat er auch eine Reihe von renommierten britischen Historikern, darunter Simon Schama, den Holocaustexperten Martin Gilbert und Andrew Roberts, der Bücher über historische Figuren wie Churchill, Hitler und Napoleon geschrieben hat. Allesamt dürften sie einiges zum Thema “legacy”, historisches Erbe, zu sagen haben, das den Gast aus Amerika umtreibt. Überdies wird gemunkelt, dass Bush einen geeigneten Ghostwriter suche. Auch er ist offenbar entschlossen, die Welt mit seinen Überlegungen zu beglücken.

Für die Demonstranten der “Anti War”-Bewegung wie auch für die große Mehrheit der Westeuropäer bedarf es solcher Übung nicht. Ihr Urteil steht längst fest und es deckt sich mit dem der meisten westeuropäischen Medien: Bush war ein furchtbarer Präsident, der großen Schaden in der Welt angerichtet und Amerikas Ruf nachhaltig beschädigt hat.

Die Menschen in Georgien, in der Ukraine und anderen Staaten Osteuropas sehen es anders – in diesen Ländern sind sie dankbar dafür, dass Bush ihnen durch Wort, Tat und demonstrative Visiten den Rücken stärkte. Auch Afrika hat einigen Grund, man denke an die Initiativen gegen Aids, Malaria und Hunger, freundlicher auf die Amtszeit von George W. Bush zu blicken – ein Umstand, auf den so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Bob Geldorf, Tony Blair, Bono und Nelson Mandela verschiedentlich hingewiesen haben.

Der Streit über den Irakkrieg soll hier nicht erneut ausgetragen werden. Die Meinungen prallen schroff aufeinander, auch über die Legalität des Kriegs und wie weise er war. Das Urteil der Historiker mag freundlicher ausfallen als das einer kurzatmig-hektischen Medienkultur, in der die Gefühlslage des Augenblicks das Urteil trüben kann, jeder gefallene Soldat als gewichtiges Argument gegen jeden militärischen Einsatz gedeutet und eine langfristige Gefährdung oftmals überhaupt nicht wahrgenommen wird.

Der Historiker Philipp Bobbit, Berater diverser amerikanischer Präsidenten, seines Zeichens Anhänger der Demokraten und Autor des Buchs The Shield of Achilles , zieht in seinem neuesten Werk Terror and Consent eine interessante Parallele, nachdem Bill Clinton mehrfach öffentlich eingestanden hat, ihn reue es, den Genozid in Ruanda nicht durch eine militärische Intervention verhindert zu haben. Angenommen, fragt Bobbit, die USA hätten interveniert, was wäre geschehen? Nach seiner Einschätzung wäre Clinton vom republikanisch beherrschten Kongress wahrscheinlich “impeached” worden. Ganz sicher hätte es amerikanische Verluste gegeben, in einem Konflikt, dem es an öffentlicher Unterstützung mangelte; es wären, trotz aller Vorsicht, Zivilisten ums Leben gekommen. Wenn Präsident Clinton sich damit gerechtfertigt hätte, dass durch seine Entscheidung 800.000 Menschenleben gerettet worden wären, wer hätte ihm das geglaubt?

Eines zumindest kann Bush für sich beanspruchen: Dank der Invasion in den Irak wurde eine der brutalsten Diktaturen der Region gestürzt. Die amerikanische Strategie aber wurde im Wesentlichen von Rumsfeld und Cheney bestimmt, von zwei rechten Republikanern also, deren Entscheidung sich als verheerend erwies – viel zu wenig Soldaten, keine vernünftige Planung, auch im Blick auf den Wiederaufbau des Landes, keine absolute Priorität für Sicherheit, bevor man die Iraker zur Wahlurne rief.

Immerhin: Drei Jahre später hat sich die Situation im Irak entscheidend verbessert. Der Zerfall des Iraks, oft vorausgesagt, findet nicht statt. Schiitisch geführte Regierung und Armee vermochten die Dschihadisten um al-Qaida zurückzudrängen, die Sunniten haben begriffen, dass sie sich mit der schiitischen Mehrheit arrangieren müssen. Die Titelgeschichte in der neuesten Ausgabe des Economist ist der “Stabiliserung” des Iraks gewidmet.

Darauf weisen verschiedene Entwicklungen schon seit geraumer Zeit hin, auch wenn die europäische Presse zumeist enorme Schwierigkeiten hat, dies wahrzunehmen, und wenn, dann nur höchst widerwillig einräumt. Im Übrigen sei jetzt schon darauf hingewiesen, dass sich eine weitverbreitete Erwartung in Europa mit Sicherheit als Illusion erweisen wird: Selbst wenn Barack Obama ins Weiße Haus einziehen sollte – einen raschen Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak wird es auch unter ihm nicht geben.

Amerikas künftiger Umgang mit der Welt dürfte sich auch sonst nicht dramatisch von dem Kurs unterscheiden, den Bush in seiner zweiten Amtsperiode eingeschlagen hat. Die Probleme und Gefahren bleiben schließlich die gleichen: Der Griff des islamistischen Regimes in Teheran nach der Atombombe, ein Thema, dass im Gespräch zwischen Gordon Brown und George Bush ebenso Raum einnahm wie der Ölpreis und das Thema Energiesicherheit. Die amerikanisch-europäischen Differenzen beim Klimaschutz werden sich abschleifen, nicht zuletzt deshalb, weil die Europäer zunehmend entdecken, dass ihre hochgesteckten Ziele entweder nicht zu erreichen oder wirtschaftlich zu schädlich sind.

Seine Abschiedstournee hatte George Bush mit sanften, versöhnlichen Tönen eingeleitet. So räumte er vergangene Woche ein, seine Sprache habe oft allzu martialisch geklungen, und er bedauerte ausdrücklich, die Tugenden des Multilateralismus nicht klarer herausgestellt zu haben. Die Fähigkeit zur Einsicht eigener Fehler ist immer willkommen. Doch sollte George W. Bush nicht zu streng mit sich selbst zu Gerichte ziehen. Ob man nun vom “Krieg gegen den Terror” spricht oder eine sanftere Formulierung wählt, die für zarte europäische Gemüter weniger grell klingt – am Ende werden sich beide, Europäer wie Amerikaner, der Bedrohung ihrer Demokratie und Freiheit durch den neuen Terrorismus erwehren müssen.

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