Waiting for the Obama Savior

<--

Warten auf den Heilsbringer Obama

Die Deutschen feiern Barack Obama als politischen Hoffnungsträger. Mit Demokratie aber hat diese Begeisterung wenig zu tun.

Sie werden schon strömen, die Massen. Ob der US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama nun vor der Siegessäule, am Flughafen Tempelhof oder im Eisbärgehege des Berliner Zoos auftritt: Tausende, ja Hunderttausende Deutsche werden ihn sehen wollen. Auch im heutigen Berlin hat man mit Aufmärschen großer Mengen von Menschen ja mittlerweile Erfahrung.

Anders als bei der Fanmeile oder öffentlichen Massentänzen aller Art geht es bei der Obama-Euphorie allerdings nicht nur um Pop. Der US-Senator, dessen größte politische Leistung bisher darin besteht, eine parteiinterne Vorwahl gewonnen zu haben, wird in Deutschland wie ein Heilsbringer erwartet. Dahinter steht weniger die Hoffnung auf eine andere Politik der USA als die unbefriedigte Sehnsucht nach Charisma.

Dass Obama versucht, diese Stimmung für sich zu nutzen, kann ihm niemand vorwerfen. Im Wahlkampf greifen Politiker nach jeder Chance, ihre Person so hell wie möglich erstrahlen zu lassen.

Allerdings muss die Frage erlaubt sein, was für ein Politikverständnis manche dazu veranlasst, einem Mann zuzujubeln, der bisher noch nie in größerem Stil Verantwortung übernommen hat. Obama wird oft dafür gelobt, die Menschen mit seiner Anziehungskraft wieder für die Demokratie begeistert zu haben. Mit Demokratie aber hat die massenhafte Verbeugung vor einem charismatischen Anführer herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil: Der Soziologe Max Weber beschreibt die charismatische Herrschaft als einen Zustand, der durch keine Form von Wahl oder Tradition legitimiert ist. Der Obama-Hype gleicht dem monatelangen Tanz um das iPhone – nur, dass das Apple-Handy sich schon dem Praxistest stellen musste.

Eine zentrale Botschaft Obamas besteht darin, sich abzugrenzen vom Establishment, von den üblichen Ränkespielen, den Deals der politischen Klasse. Dieses Versprechen, das im Alltag eines Präsidenten natürlich nicht einlösbar ist, findet auch in Europa offene Ohren. Regelmäßig zeigen Umfragen, dass die Menschen ermüdet sind vom Gezänk der Parteien und der mühseligen Suche nach Kompromissen. Ein präsidialer Antipolitiker wie Horst Köhler bezieht seine Popularität auch daraus, dass er frei von tagespolitischer Verantwortung Reformen fordern oder ablehnen kann.

Nur: Genau in dem täglichen Klein-Klein, bei dem Interessen abgestimmt werden, besteht das Wesen der Demokratie. Für die Politik gilt dasselbe wie für schicke Telefone – Erfolg entsteht nicht nach dem Prinzip Zauberstab. Wenn daher nun die Hoffnung laut wird, “einen wie Obama” müsse es auch einmal in der deutschen Parteienlandschaft geben, dann ist diese Forderung mit äußerster Vorsicht zu genießen.

About this publication