Die Goldelse und Barack Obama
von Bettina Röhl, Journalistin und Publizistin
21.07.2008 – 10.00 Uhr
Kommenden Donnerstag wird Obama vor der Siegessäule in Berlin auftreten. Seine deutschen Gegner attackieren ihn mit politischer Korrektheit: Die Siegessäule sei der falsche Ort. Das Symbol aus Bismarcks Zeiten erinnere zu sehr an die deutschen Einigungskriege, die 1871 mit einem Sieg über Frankreich endeten.
Allein gegen alle hatte die deutsche Kanzlerin den formal noch nicht nominierten demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten vom Brandenburger Tor verjagt, vor dessen Kulisse Barack Obama seine einzige öffentliche Rede während seines Europa-Besuches ( Deutschland, Frankreich, Großbritannien) halten wollte. Obama hat sich daraufhin entschieden am 24. Juli 2008 seine Ansprache vor der in Sichtweite zum Brandenburger Tor gelegenen Siegessäule, im Volksmund auch Goldelse genannt, zu halten.
Schlecht, sagen die politischen Korrektheitsfanatiker in Union und FDP: So, lieber Barack, geht’s nun wirklich nicht, denn die Säule stehe als Symbol für die Gründung des zweiten deutschen Reiches 1871. Und man sei heute befreundet mit den früheren Gegnern Dänemark, Frankreich und Österreich, gegen die man damals Krieg geführt hatte.
Falls Obama bis jetzt davon ausgegangen sein sollte, dass sich Deutschland mit seinen Nachbarn noch im Krieg befunden hätte, hat er jetzt von den Korrektlingen seinen ersten deutschen historischen Nachhilfeunterricht bekommen. Und dann auch noch das Argument: Adolf Hitler versetzte die Säule weg von ihrem ursprünglichen Standort vor dem Reichstag hin zu ihrem heutigen mitten im Tiergarten auf den großen Stern und habe sie als Symbol für großgermanische Pläne betrachtet. So, jetzt ist es raus: Obamas Plan B, der jetzt ohne Wenn und Aber durchgezogen wird, sei also noch viel schlechter als sein Ursprungsplan am Brandenburger Tor zu reden. Verklausuliert soll das wohl heißen, wir sind gegen Obama und für McCain, wofür man allerdings nicht historische Hypotheken Deutschlands instrumentalisieren sollte.
Die goldene Else hat den zweiten Weltkrieg überlebt, sie wurde entgegen französischen Absichten nach dem Krieg nicht gesprengt, ihre Restauration war 1989 rechtzeitig zum „Anschluss“ der DDR abgeschlossen, die Goldauflage, die die Viktoria-Statue in 60 Metern Höhe trägt, macht die Siegessäule selbst in der berühmten Berliner Luft weithin sichtbar.
Merkels „Befremden“ und die neuerlichen Motzereien gegen die Siegessäule wirken schon etwas provinziell und aufgesetzt, tragen aber sicher dazu bei, dass die von Obama ursprünglich anvisierten 100 000 plus X Spectators sich reichlich vermehren werden. Von einer Million und mehr Menschen, die Obama lauschen wollen, ist die Rede und das Sommerloch bietet neben Carla Bruni und Ingrid Betancourt wenigstens noch ein halbswegs bedeutsames Thema, nämlich den Wahlkampfauftritt eines amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in Deutschland, wo Obama allerdings – manch einer scheint es vergessen zu haben – nicht zur Wahl steht.
In Deutschland hat Obama –vielleicht von Angela Merkel abgesehen – überhaupt keine Opposition mehr, an der er sich reiben und wachsen könnte.
Vor acht Jahren überschlugen sich die deutschen Medien. Damals stellten sie George W.Bush, Spross einer „Öl-Familie“ als außenpolitischen Stiesel dar. Obama verfügt offenkundig nicht über mehr außenpolitische Erfahrung als George W. im Jahr 2000, aber Obama ist noch It-Boy und der It-Faktor setzt die Wahrnehmungs- und Beobachtungskriterien außer Kraft oder stellt sie sogar auf den Kopf. Und deshalb wird die als historische Grundsatzrede angekündigte Offenbarung des Obama weitestgehend aus der Feder seiner Berater und Redenschreiber stammen und sie wird wenig Neues und wenig Memorables bringen. Aber ebenso sicher wird es ein exorbitantes Medienecho geben, in dem es, abgehoben von der Realität, vor Lobhudelei und geradezu sakralen Überhöhungen nur so wimmeln wird.
Aus dem Prinzip Hoffnung wird die „Gewissheit“ des Aufbruchs in eine neue Welt. Obama könnte kaum etwas dagegen tun, selbst wenn er es denn wollte. Er hat den Placebo-Effekt bei vielen Menschen ausgelöst und denen ist egal, was er sagt und denkt und kann. Die Buchstaben JFK und die Wörter „schwarzer Senator“ und „schwarzer Kennedy“ und „erster farbiger Präsident“, eine Frage, die allerdings erst im November, wenn’s in Amerika ans Wählen geht, entschieden werden wird, werden inflationär fallen.
Natürlich ist es auch möglich, dass die Erwartungen, vorallendingen die emotionalen, jetzt so hoch steigen, dass Obama sie im Schatten der Siegessäule eigentlich nur noch enttäuschen kann. Aber das ist unwahrscheinlich.
Obama selber gibt sich außenpolitisch bescheiden, er wolle auf seiner letzten Auslandsreise vor der Präsidentschaftswahl weniger selber reden und stattdessen mehr zuhören, worum es in der Welt ging. Das Ergebnis seiner ersten Station in Afghanistan, wo er den amerikanischen Soldaten Dank für deren Mut und Leistung sagen wollte, scheint wenig spektakulär zu sein, die Medienwelt schweigt darüber.
Wie lange der It-Faktor Obama zur Seite steht, bleibt abzuwarten. Dessen Rede vor der Siegessäule wird am Ende nicht entscheidend zum Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen beitragen. Aber er wird besonders den sich anti-deutsch Gebenden unter den Deutschen, denjenigen, die gegen die Siegessäule als Ort des Spektakels wettern, das Gefühl geben: wir Deutschen sind doch wer in der Welt. Wenn ein berühmter Mensch ins Dorf kommt, gibt es immer ein paar Provinzlinge, die dem Großkopferten fehlende Kenntnis der Dorfregeln vorhalten und dann aber doch vor Stolz platzen.
So wird es vermutlich auch in den deutschen Medien eine lässige Euphorie geben und wenn der Rauch verweht ist, ist das Sommerloch ja vielleicht auch überstanden. Alle fanden es toll, dass die Love-Paraders um die Berliner Siegessäule herum tanzten und niemand erhob den Zeigefinger, dass die Dancer das falsche Symbol antanzten. Übrigens: Siegessäulen gibt es überall auf der Welt wie Sand am Meer. Warum Obama Selbiges nicht tun dürfte, erschließt sich nicht. In seiner Person ist jedenfalls kein Zweifel, der in der deutschen Geschichte gründet, ersichtlich. Und es ist auch nicht ersichtlich, dass Obama mit der goldenen Else eine zweifelhafte Botschaft senden wollte oder das Risiko läuft falsch verstanden zu werden. Und im Übrigen ist die goldene Else für Otto Normalverbraucher ein Wahrzeichen Berlins, das sich für die Orientierung im Straßenverkehr hervorragend eignet. Und die Straße des 17. Juni, die von der Else beherrscht wird, ist sicher kein schlechter Ort.
Auch wer substanziell keine großen Erwartungen an die Obama-Rede hat, darf sich auf das Spektakel sicher freuen. Und sicher auch auf das Spektakel der Analysen und der Kommentare. Berlin ist immer eine Reise wert und Obama und die goldene Else sind vielleicht ein Team, das sich sehen lassen kann. In Köln sagte Kennedy einst „Alaaf“ und nun wartet die goldene Else darauf, dass Obama sich erklärt. Mit welchen deutschen Worten, darauf sind alle gespannt.
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