Obama: Hopes, Aspirations, and Realities

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Obama: Hoffnungen, Sehnsüchte und Realitäten

Von Joschka Fischer | © ZEIT ONLINE 28.7.2008 – 17:56 Uhr

Woher rührt Barack Obamas Attraktivität, die ihn fast mehr als einen Erlöser denn als einen Politiker erscheinen lässt?

Joschka Fischer über Barack Obama: Er verkörpert eine neue Generation

Nun hat er also gesprochen. Und etwa 200.000 Menschen haben Barack Obama in Berlin sehen und hören wollen. Zuerst und vor allem verkörpert Obama das Gegenbild zu George W. Bush und seinen Neocons, und allein diese Tatsache macht ihn für sehr viele Europäer zum Erlöser.

Und von wegen Antiamerikanismus! Das letzte Mal, dass sich in Berlin so viele Menschen für Amerika versammelt hatten, war am Tag nach dem 11. September 2001 gewesen.

Die proamerikanische Massendemonstration vom letzten Donnerstag – denn genau darum hatte es sich bei der Rede Barack Obamas gehandelt – hat gezeigt, dass es in den vergangenen acht Jahren eben nicht um die Ablehnung Amerikas und seiner Werte gegangen ist, sondern um ein Nein zur Politik und Person von George W. Bush.

Barack Obama hat bereits heute den Blick auf Amerika verändert. Der Abend von Berlin hat erstens klargemacht, dass die Sehnsucht nach einer verantwortlichen Führung der Welt, der Glaube an die Vernunft und die Werte der Weltmacht USA und das Wissen darum, dass nur die USA diese globale Führungsrolle ausüben können, ungebrochen sind.

Zweitens verkörpert Barack Obama eine neue Generation. Sowohl Hillary Clinton als auch George W. Bush, so gewaltig ihre Unterschiede in Person und Sache auch tatsächlich sind, gehören beide der 68er-Generation an, und diese Generation hat ihre Zeit gehabt und hinter sich gebracht.

Und drittens und vor allem ist Barack Obama ein Politiker, der über sehr viel Charisma verfügt und dessen Botschaft einer besseren und gerechteren Welt glaubwürdig klingt und deshalb ansprechend ist. Kleine Schritte sind eben nicht genug, um die Bürger für die Demokratie zu begeistern.

Aber es gibt auch den anderen Barack Obama, den Realisten und Machtpolitiker. Schließlich will er ja der 44. Präsident der Vereinigten Staaten werden. Jeder, der bei seiner Berliner Rede genau hingehört hat, konnte diesen anderen Barack Obama deutlich vernehmen:

Keine der drängenden Weltfragen können Amerika oder Europa allein lösen. United we stand, divided we fall! Amerika wird deshalb wieder zuhören und auf Gemeinsamkeit setzen.

Wir entscheiden gemeinsam und handeln dann auch gemeinsam. Schluss mit der amerikanischen Arroganz der Macht! Und Schluss mit der Trittbrettfahrerei der Europäer, wenn es militärisch ernst wird! Das war Barack Obamas Berliner Botschaft. Und diese wird Konsequenzen haben, die den Europäern nicht immer gefallen werden.

Der Kampf gegen den Terrorismus ist mitnichten beendet. Der Krieg im Irak war falsch, der Krieg gegen al-Qaida und die Taliban in Afghanistan aber unausweichlich. Europa geht in Afghanistan dasselbe Risiko ein wie die USA! Das wünscht man sich mal von Angela Merkel zu hören.

Und das heißt, unter einem Präsidenten Obama wird die Arbeitsteilung, dass die USA kämpfen und die Europäer aufbauen, nicht mehr akzeptiert werden. Der Druck auf Europa und Deutschland, sich stärker und mit mehr Risiko zu engagieren, wird ganz erheblich zunehmen. Ebenso sieht er Europa im Nahen und Mittleren Osten mehr in der gemeinsamen Verantwortung.

Afrika wird unter einem Präsidenten Obama eine größere Bedeutung bekommen, und das ist ebenfalls eine gute Botschaft. Die Tragödie in Darfur wurde in seiner Berliner Rede mehrmals erwähnt. Und auch hier können sich die Europäer auf eine neue Gemeinsamkeit und damit auch stärkere Lastenteilung bei den Risiken einstellen.

Barack Obama möchte ernst machen mit einer neuen nuklearen Abrüstungsinitiative, und die Europäer sind zu Recht begeistert. Gleichzeitig heißt dies aber auch, dass er allen Versuchen, Nukleartechnologie oder gar Atomwaffen weiter zu verbreiten, energisch Einhalt gebieten wird.

Barack Obama verspricht, gemeinsam vorzugehen und zu verhandeln. Wenn diese Versuche aber scheitern, wird er seine Bündnispartner auch bei den harten Alternativen in die Pflicht nehmen. Iran könnte dafür das erste Beispiel werden.

Auch im Klimaschutz sind keine Wunder zu erwarten. Denn einen Präsidenten Obama wird es nur geben, wenn er die Industrie-Arbeiterschaft in wahlentscheidenden Bundesstaaten wie Ohio und Pennsylvania für sich gewinnt. Zudem braucht auch ein Präsident Obama eine Mehrheit des Kongresses, um ein Post-Kyoto-Abkommen ratifiziert zu bekommen.

Dasselbe gilt für die Fragen des freien Welthandels. Ein Präsident Obama wird angesichts der großen ökonomischen Schwierigkeiten der USA zuallererst für eine Politik eintreten, welche die Nöte und Sorgen der amerikanischen Bürger aufgreift. Diese Fragen werden die kommenden Wahlen entscheiden.

Ein Präsident Obama wird die moralischen Grundlagen Amerikas wiederherstellen, und dazu gehört ganz entscheidend die uneingeschränkte Herrschaft des Rechts. Folter und Guantánamo werden dann als Politik und Praxis der USA der Vergangenheit angehören.

Dieser Bruch mit der Ära Bush ist von überragender Bedeutung, auch international, weil er die amerikanische Glaubwürdigkeit und Führungsrolle in Menschenrechtsfragen wiederherstellen wird.

Gleichwohl wird ein Präsident Obama den Zwängen der Realpolitik auch im Kampf gegen den Terrorismus nicht entkommen. Er wird, auch aus innenpolitischen Gründen, weiter eine harte Linie verfolgen müssen. Dasselbe gilt auch für Themen wie Todesstrafe, Waffenbesitz oder beispielsweise die Abtreibung.

Bei aller Begeisterung sei also nicht vergessen: Barack Obama kandidiert für das Amt des Präsidenten der USA und nicht für das nicht vorhandene Amt eines Präsidenten Europas. Es ist die Mehrheit der Amerikaner, von der er am 4. November gewählt werden muss.

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