McCain and the No Man's Land of Citizenship

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Im staatsangehörigkeitsrechtlichen Niemandsland

Von Alexandra Kemmerer

20. August 2008 Hat der Kandidat etwa einen Geburtsfehler? Wer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden will, muss nach dem Wortlaut der Verfassung ein „natural born citizen“ sein, geboren als Bürger der Vereinigten Staaten. Seit Monaten schon streiten Juristen darüber, ob der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain diese konstitutionelle Anforderung erfüllt. McCain wurde 1936 in der Panamakanalzone geboren, also außerhalb des Territoriums der heute fünfzig Bundesstaaten – und damit, wie der Verfassungsrechtler Gabriel Chin von der Universität von Arizona gerade gründlich herausgearbeitet hat, in staatsangehörigkeitsrechtlichem Niemandsland.

Erst im August 1937, elf Monate nach McCains Geburt, erließ der Kongress ein Gesetz, das jedem am oder nach dem 26. Februar 1904 in der Kanalzone Geborenen die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannte, sofern mindestens ein Elternteil amerikanischer Staatsbürger war. Damit aber, so Chin, ist im Fall McCain dem Wortlaut der Verfassung keinesfalls Genüge getan. Denn mag der Kandidat auch später Bürger geworden sein – im Zeitpunkt seiner Geburt war er es nicht.

Ein zäher Verfechter der wörtlichen Verfassungsauslegung

Chins Analyse ist die Antwort auf ein knappes Gutachten, das im März von Theodore Olson, vormals Rechtsberater der Bush-Regierung, und dem liberalen Harvard-Professor Laurence Tribe, einem Berater Obamas, vorgelegt wurde. Die juristischen Unebenheiten des Falles glätten Olson und Tribe mit dem Hinweis auf den Willen der Verfassungsväter und den Umstand, dass McCain als Kind amerikanischer Militärangehöriger geboren sei. Die Mehrheit des Senats übernahm diese Argumentation in eine rechtlich unverbindliche Resolution, die bestätigt, dass McCain alle Voraussetzungen für die Präsidentschaftskandidatur erfülle.

Wie aber vereinbart sich eine so pragmatisch-situative Lesart der Verfassung mit McCains scharfer Kritik an jeder Form eines „judicial activism“, der die Verfassung als lebendige Struktur einer politischen Gemeinschaft versteht, statt zäh am Wortlaut und der originalistisch rekonstruierten mutmaßlichen Intention der Verfassungsväter festzuhalten? Um McCain zum „natural born citizen“ zu machen, müsse man die über mehr als ein Jahrhundert von konservativen Juristen entwickelte restriktive Dogmatik des Staatsangehörigkeitsrechts hinter sich lassen, betont Gabriel Chin. Das würde auch den prekären Status vieler bislang illegaler Einwanderer ändern.

Doch trotz einer bereits anhängigen Klage in New Hampshire ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Gericht den Fall McCain zur Entscheidung annehmen wird. Dies wendet auch der Völkerrechtler Peter Spiro ein, der unlängst in einer Studie über die amerikanische Staatsbürgerschaft nachgewiesen hat, dass die identitätsstiftende Kraft nationaler Angehörigkeit rapide schwindet, nicht nur in den Vereinigten Staaten: Wer im Zuge beruflicher Mobilität ständig Grenzen überschreitet, entwickelt vielfältige transnationale Bindungen. Umgekehrt ist soziale und kulturelle Identifikation längst nicht nur in territorialen Grenzen möglich. Auch wenn die gegenwärtige Bürgerschaftsdebatte McCains Kandidatur nicht gefährdet, wirft sie Fragen auf, die weiter diskutiert werden sollten, nicht nur auf dem Capitol Hill.

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