Republicans Bet on Vietnam and a Pariah

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Republikaner setzen auf Vietnam und einen Pariah

Donnerstag, 4. September 2008 00:06 – Von Uwe Schmitt

Der Nominierungsparteitag der Republikaner ist weit weniger glanzvoll als das Schauspiel um Obamas Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten. Mit Vietnam-Erinnerungen und Unterstützung durch einen Pariah der Demokraten bringen die Konservativen McCain in Stellung.

Die Szene hat etwas Bitteres. Es ist Dienstagabend, kurz vor 21 Uhr im Excel Energy Center in Saint Paul. Der greise George Bush Senior und Barbara sind da und werden von den Delegierten der Republikaner gefeiert; First Lady Laura steht auf der Bühne, um “den Mann, den ich liebe“ einzuführen, und wird umjubelt. Doch Präsident Bush spricht mehr als 1000 Meilen entfernt, von einem Pult im Weißen Haus, über Satellit zu den Getreuen einer Partei, die ihn meidet. Sechs Minuten, die Hälfte der geplanten Redezeit, hat man George W. Bush eingeräumt. John McCain – besagt ein glaubwürdiges Gerücht – sei dankbar gewesen, als die höhere Gewalt von Hurrikan “Gustav“ Bushs Kommen am Montag verhinderte.

Seit Jahrzehnten, in Krieg und Krisen, hat es das nicht gegeben, dass der amtierende Präsident dem Nominierungsparteitag fernbleibt. Bush macht gute Miene, scherzt über den Querdenker McCain, der 2000 gegen ihn kandidierte („Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede“), rühmt ihn als den rechten Mann, „in einer gefährlichen Welt“ zu führen. Wenn es die Nordvietnamesen, die ihm unter der Folter die Glieder brachen, nicht vermochten, seinen Willen zu brechen, so Bush, „wird es eine wütende Linke auch nicht schaffen“.

Der Präsident übergibt, ohne es auszusprechen, die Führung der Republikaner an den Mann, der ihn und die Parteiräson oft genug herausgefordert hat. McCain/Palin verkauft sich als Gespann der Reformer und Freidenker, die eine verbrauchte Partei retten werden. George W. Bush endet, bevor die Networks um 21 Uhr nach Saint Paul umschalten. Unerhört vom Volk.

Die Planer des Parteitages, die zwei Jahre Arbeit in zwei stürmischen Tagen über den Haufen werfen mussten, haben einen Abend der Rückschauen und Abschiede komponiert. Nostalgiegetränkte Videos ehren republikanische Präsidenten von Abraham Lincoln über Teddy Roosevelt, McCains Vorbild, und Ronald Reagan („Er veränderte unser Amerika, er veränderte die Welt“) bis zu George H.W. Bush. Noch einmal sieht der 84 Jahre alte Ex-Präsident den jungen Piloten Bush in körnigem Schwarzweiß nach dem Abschuss seiner Maschine aus dem Pazifik steigen.

Er plant, seinen 85. Geburtstag wieder mit einem Fallschirmsprung zu begehen. Er und die anderen Präsidenten in den Filmhommages wirken auf sonderbare Weise jünger als George W. Bush. Applaus flammt auf, als man ihn auf Ground Zero stehen sieht mit seinem Megaphon. Und erlischt sofort. Genau 20 Sekunden hat sich John McCain im Wahlkampf gemeinsam mit dem Bush auf irgendeinem Rollfeld den Kameras gezeigt. „Radioaktiv“ lautet selbst in der Partei das böse Wort für einen unpopulären Präsidenten.

Nicht für die Zukunft des Landes, nicht gegen Barack Obama, wird an diesem Abend gestritten. Man schaut zurück auf das Leben des Helden John McCain. Fred Thompson, der Ex-Senator, Fernsehschauspieler und im Frühjahr sanglos gescheiterte Präsidentschaftskandidat, wirft den Delegierten als erster „rohes Fleisch“ hin, wie es Parteitage brauchen. Er preist Sarah Palin dafür, die Partei zu „erfrischen“ nun den politischen Gegner „in Panik zu stürzen“. Ausserhalb der Halle sehen das viele umgekehrt, Palin-Panik greife bei den Republikanern um sich. Thompson erntet Jubel, als er McCain mit Obama vergleicht.

Der Kriegsheld und noble Rebell sei keiner, der „Reden halte, die für die Kritiker Amerikas im Ausland geschaffen sind“. Doch dann sinkt auch er zurück in das wohlige Grauen des „Hanoi Hilton“. Schmerzhaft detailliert malt er aus, wie der Kriegsgefangene mit zerschmetterten Gliedern , gefoltert, zwei Jahre in Einzelhaft in einer Wellblechzelle darbte. „Kriegsgefangenschaft befähigt sicher noch nicht zum Präsidenten“, ruft Thompson, „aber es zeigt den Charakter.“

Auf Thompson, der seine eigene Kandidatur verschlief und offenbar erst für McCain Feuer fängt, folgt der Mann, den sich der Kandidat bis zuletzt als Partner wünschte. Senator Joe Lieberman, nominell noch in der Fraktion der Demokraten, hätte um ein Haar das Kunststück fertiggebracht, für beide Parteien als „running mate“ zu kandidieren. Im Jahr 2000 wählte Al Gore den orthodoxen Juden an seine Seite, John McCain, innig mit Lieberman befreundet, musste angeblich auf ihn verzichten, weil seine Berater einen Aufstand der Partei befürchteten.

Joe Lieberman ist glühender Anwalt des Irakkrieges und darüber ein Pariah in seiner Partei geworden, aber er verteidigt das Recht einer Frau auf Schwangerschaftsabbruch. Unerträglich für radikale „Pro-Life“-Aktivisten wie Sarah Palin und den Flügel der religiösen Rechten.

Liebermans nimmt in Saint Paul Abschied von den Demokraten. Er nennt Barack Obama einen Schönredner ohne Substanz, „Gott hat nur einen John McCain geschaffen“. Die Nation gehe vor der Partei, zumal in schwerer Zeit. Die Republikaner applaudieren höflich. Sie verweigern Lieberman die Umarmung. Er geht ab, heimatlos, einsamer als zuvor.

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