Obama Attacks McCain

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Obama greift McCain an

Von Silke Tittel | © ZEIT ONLINE 6.9.2008 – 15:23 Uhr

Die Parteitage sind vorbei – jetzt beginnt der eigentliche Wahlkampf. Dabei kommt es den Demokraten sehr gelegen, dass McCains laue Antrittsrede kaum Konkretes enthielt

Die Hiobsbotschaft hätte aus Sicht der Demokraten kaum zu einem besseren Zeitpunkt kommen können: 6,1 Prozent Arbeitslose vermeldeten die US-Behörden am Freitag für den gerade abgelaufenen Monat – die höchste Quote seit fünf Jahren. Dies bescheinige, dass “McCain es einfach nicht kapiert”, so Barack Obama.

Denn die Demokraten hatten sich auf ihrem Parteitag sehr viel ausgiebiger und detaillierter mit der kränkelnden Wirtschaft beschäftigt als die Republikaner. “McCain hat das Ziel verpasst”, kommentiert die New York Times. Seine “wenig inspirierende” Rede sei “eine der wirkungs- und bedeutungslosesten Antrittsreden in der jüngsten politischen Geschichte”.

Harte Worte, die deutlich machen, dass die Zeitung sich die massive republikanische Medienschelte bezüglich der Berichterstattung über Vize-Kandidatin Sarah Palin nicht so einfach gefallen lässt. McCain mag seinen durch jahrelange, außergewöhnliche Gesprächsbereitschaft mühsam erarbeiteten Sympathiebonus verspielt haben.

Seit den Parteitagen ist der Ton spürbar schärfer geworden. Nach Sarah Palins heftigen Attacken auf Barack Obama gilt ihre Schonzeit als Neuling auf der bundespolitischen Bühne als beendet. Bisher hatten die Demokraten sie im Gegensatz zu den Medien wohlweislich mit Samthandschuhen angefasst. Nun bezichtigen sich beide Lager unverhohlen der Lüge: Das Hickhack bezüglich der Internet-Gerüchteküche um Palins Familie ist längst nicht beendet.

Doch Wirtschaft, nicht Persönlichkeit, wird die Wahl entscheiden, glauben die Demokraten. “Sie hören viel über John McCains fesselnde Vergangenheit als Kriegsgefangener. Sie hören viel Unwahres über mich. Einzig über Ihre Sorgen wird nicht gesprochen”, analysiert Obama den Wahlkampf der Republikaner vor einer Gruppe von Fabrikarbeitern. Sein Rezept für die vielen Wähler, die “trotz geringeren Verdienstes härter arbeiten als früher”: Steuersenkungen für 95 Prozent der Bevölkerung, also “für alle, bis auf die Superreichen”, erläutert Vize-Kandidat Joe Biden.

Finanziert werden soll dies durch das Ende der von George Bush eingeführten Steuererleichterungen für Unternehmen, die es laut Obama “sowieso nicht nötig” oder Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben. Nach Rechnung der Demokraten geht es hier immerhin um 200 Milliarden Dollar. McCain hatte sich ursprünglich gegen Bushs Strategie ausgesprochen, dann aber seine Position geändert, als er sich um die Präsidentschaftskandidatur bewarb.

Jetzt plädiert der republikanische Kandidat für die Beibehaltung dieser Steuerkürzungen. Alle Amerikaner sollen sich zudem künftig zwischen dem komplizierten, über 67 000 Seiten starken, geltenden Steuerkodex und einer zweistufigen Pauschalbesteuerung bei angedachten 25 und 15 Prozent entscheiden dürfen. “Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, ist Steuererhöhung das Schlimmste, was wir tun können”, ist McCain überzeugt.

Barack Obama bemüht sich in diesen Tage sichtlich, das von McCains Rede hinterlassene Vakuum mit seinen eigenen Zahlen und Daten zu füllen. Doch bisher ist es ihm nicht so recht gelungen, sich als der wirtschaftlich kompetentere Kandidat zu profilieren.

Auch sein so populärer Ruf nach “Reform” oder “Wandel” ist inzwischen von der republikanischen Partei vereinnahmt worden. Da McCain in seiner Antrittsrede allerdings seine bisherigen, in der Partei nicht immer wohl gelittenen Reformansätze – Wahlkampffinanzierung, Immigration und Richterbestellung – noch nicht einmal erwähnte, bleibt dessen jüngster Anspruch auf das Motto unklar. “Die Definition ist dem jeweiligen Publikum überlassen”, kritisiert der ehemalige McCain-Berater John Weaver gegenüber der Washington Post.

Primär gehe es ihm um die allmächtigen Lobbys, betonte McCain am Freitag in Wisconsin – und griff damit ein weiteres Obama-Thema auf. “Der Einfluß von Interessenvertretungen ist endgültig, endgültig, endgültig vorbei”, beschwor McCain. Doch wirklich überzeugend wirkt hier weder der eine, noch der andere: McCain hat nach Information der Los Angeles Times 42 Lobbyisten in seinem engsten Beraterteam, Obama immerhin 23.

Die Herausforderungen der kommenden 60 Tage gleichen sich: Beide Kandidaten wollen die politische Mitte überzeugen, ohne ihre traditionellen Parteigänger zu vergraulen. Der republikanische Meinungsforscher Neil Newhouse kalkuliert, dass McCain allerdings nur gewinnen kann, wenn ganze 35 Prozent seiner Stimmen von Demokraten oder bisher unabhängigen Wählern kommen. “Er muss an seiner Partei vorbeilaufen, vielleicht sogar regelrecht vor ihr davonlaufen, um nicht-republikanische Wähler zu gewinnen”, resümiert die Washington Post. “McCains Weg zum Ziel ist damit schwieriger als Obamas.”

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