18.09.2008 Schrift
Palins Naivität lehrt einen das Fürchten
Stupende Unkenntnis
KOMMENTAR VON BETTINA GAUS
Sarah Palin hat sich zum zweiten Mal einem ausführlichen Fernsehinterview in den USA gestellt. Beim ersten Mal war es ihr gelungen, mit Äußerungen zur Außenpolitik weltweit Entsetzen hervorzurufen. Nicht einmal Widerspruch erregte sie in erster Linie, sondern vor allem Fassungslosigkeit angesichts ihrer stupenden Unkenntnis. Dieses Mal ging es angesichts der dramatischen Nachrichtenlage kaum erstaunlich zunächst vor allem um Wirtschaftspolitik. Es mag stimmen, was ein Obama-Anhänger kürzlich ahnungsvoll sagte: dass nämlich alle politisch Interessierten noch um ein möglichst langes Leben des Präsidentschaftskandiaten John McCain beten werden. Sei es auch nur, um den Einzug von Sarah Palin ins Oval Office zu verhindern.
Die republikanische Anwärterin für das Amt der Vizepräsidentin hat ein weiteres Mal gezeigt, dass sie etwas von den Wirkungsmechanismen öffentlicher Auftritte versteht. Locker wirkte sie und souverän. Wichtiger noch: Sie bediente Ressentiments mit aus wahlstrategischer Sicht – genau der richtigen Mischung aus Schärfe und Verbindlichkeit. Was folgt daraus im Falle eines Sieges? Das ist schwer zu sagen. Vetternwirtschaft und Lobbyismus möchte sie bekämpfen, die Wall Street strenger kontrollieren, und darüber hinaus zeigt sie Verständnis dafür, dass die Bevölkerung der USA die eingefahrenen Mechnismen der Politik einfach satt hat. Wer wollte derartigen Gemeinplätzen widersprechen?
Konkreter wurde Sarah Palin beim Thema Wirtschaftspolitik nicht. Wer nicht beeindruckt war von ihrem netten Lächeln, als sie über mögliche militärische Auseinandersetzungen mit anderen Nuklearmächten wie Rußland nachdachte, den müßte eigentlich auch ihre verbindliche Naivität beim Thema Wirtschaftspolitik das Fürchten gelehrt haben. Wird das so sein? Oder ist der Überdruß am politischen Establishment in den USA inzwischen so groß, dass allein verächtliche Bemerkungen darüber für einen Wahlsieg genügen? Das wird man abwarten müssen. Was man hingegen jetzt schon weiß: John McCain hat eine beispiellose Mißachtung des mächtigsten Amtes der Welt an den Tag gelegt, als er seine Stellvertreterin benannte.
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