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25.09.2008

Eins nach dem anderen

Präsidentschaftskandidat John McCain will erstmal die wirtschaftlich angeschlagene Nation retten – und danach mit Obama im Fernsehen debattieren. Obama will beides. Gleichzeitig.

Von Verena Wolff

Auf den ersten Blick war es ein geschickter Schachzug von John McCain. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber gab sich staatsmännisch und verkündete zur besten Sendezeit, am frühen Abend in Amerika, er wolle seine Kampagne aussetzen. Die Finanzkrise sei derart weitreichend, dass nicht mehr Parteipolitik das Bild bestimmen solle, sondern über Parteigrenzen hinweg an der Lösung des Problems gearbeitet werden müsse.

Ganz nebenbei rief er noch den demokratischen Kontrahenten Barack Obama auf, es ihm gleichzutun. Und vor allem zunächst auf das für Freitag geplante erste Fernsehduell zu verzichten.

Das ist ein Wunsch, der McCain wohl auf der Seele brennen dürfte – denn er hat nicht allzu gute Karten gegen den fast 30 Jahre jüngeren Senator aus Illinois. “McCain sieht in der Debatte deutlich schlechter aus als Obama”, sagt der Politikwissenschaftler und Amerikaexperte Hans J. Kleinsteuber.

Das Problem Wirtschaft

Eines der größten Probleme: McCain ist zwar außenpolitisch beschlagen, aber er hat von Wirtschaft nicht allzu viel Ahnung. Er selbst gibt freimütig zu, dass dies seine Achillesferse sei. Und er hat sich keinen Running Mate ins Boot geholt, der diese Unwissenheit kompensieren könnte. “Im Gegenteil”, sagt Kleinsteuber: “Sarah Palin ist außen- und wirtschaftspolitisch außerhalb jeder Diskussion.”

Barack Obama und sein Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden, beide promovierte Juristen, sind da von einem anderen Kaliber: ” Sie sind sicher beide intellektuell besser in der Lage, gangbare Lösungen anzubieten”, sagt Kleinsteuber. Dadurch würde das Obama-Lager noch mehr Oberwasser bekommen.

Demokraten haben die Nase vorn

Die Wirtschaft, schon oft das entscheidende Thema in einem US-Wahlkampf, scheint diesmal eine Domäne der Demokraten zu sein: In der aktuellsten gemeinsamen Umfrage der Washington Post und des TV-Senders ABC führt Obama nicht nur mit insgesamt elf Prozentpunkten vor seinem republikanischen Rivalen. In der Frage, wer die aktuellen wirtschaftlichen besser versteht, führt Obama sogar mit einem Vorsprung von 24 Prozent. Zweistellig ist der Vorsprung auch, wenn es darum geht, wer die bessere Wirtschaftspolitik für das Land machen kann.

Diese Zahlen dürften den 72 Jahre alten Senator aus Arizona aufgeschreckt haben – denn seit seinem Nominierungsparteitag vor gut einem Monat hat er die Schlagzeilen beherrscht. Daran ist weniger McCain selbst schuld als eher sein Manöver, die auf der nationalen Bühne recht unerfahrene und wenig Bekannte Gouverneurin aus Alaska, Sarah Palin, zu seiner Running Mate zu küren.

Doch das Blatt wendete sich in den vergangenen Tagen. Sarah Palin war ausreichend und aus sämtlichen Winkeln begutachtet worden – sie verlor für die Medien zunehmen ihren Reiz. Obama bekam wieder mehr Platz in den Gazetten und den Fernsehsendungen Und er machte einen besseren Eindruck, was den Umgang mit der immer schlimmer werdenden Finanzkrise angeht.

Denn für die Amerikaner ist die Stimmung ungleich wichtiger als für andere Nationen: Die meisten Amerikaner besitzen nicht nur Aktien, auch ihre Rente ist abhängig davon, was an den Börsen passiert – denn ihre Rentenpläne sind öfter als hierzulande mit Aktien und Fonds bestückt. So betrifft die Krise nicht nur die Unternehmen im Land, sondern fast jeden einzelnen Bürger. John McCain tat also, was John McCain in einer engen Situation schön öfter getan hat: Er polterte zunächst drauflos. Im Fernsehen. Und überfuhr Obama, so schien es.

In der Stunde der Not müsse die Parteipolitik zweitrangig sein – vielmehr gehe es um die Rettung aus der schweren Krise. Sagte McCain. Und wiederholte, öffentlichkeitswirksamer, was Obama zuvor mit ihm am Telefon diskutiert hatte.

Denn beide hatten in separaten Pressekonferenzen am Dienstag dargelegt, wie sie sich den Rettungsplan für die Wall Street vorstellen können. Viele Ansätze waren gleich, darunter Entlastungen für die Steuerzahler, Restriktionen für Vorstandsgehälter und eben die überparteiliche Zusammenarbeit. Senator Tom Coburn, ein konservativer Republikaner aus Oklahoma, rief daraufhin Obama an und schlug vor, die Positionen in einem gemeinsamen Papier niederzulegen.

Der Demokrat rief McCain an – der allerdings war unterwegs. McCain rief am Nachmittag zurück, beide sprachen einige Minuten über die Idee, wie Obama amerikanischen Medien berichtete. Auch hätten beide darüber gesprochen, die Kampagnen auszusetzen und das erste Fernsehduell zu verschieben. Zwar sei Obama nicht grundsätzlich gegen diese Ideen gewesen. Doch er wollte zunächst sicherstellen, dass die Kandidaten mit einer Stimme sprechen und abwarten, was nach Bushs Rede passiere. McCain akzeptierte das.

Gesagt, aber nicht getan.

Denn kaum 20 Minuten später, Obama war nach eigenem Bericht gerade in sein Hotelzimmer in Florida zurückgekehrt, lief schon die Ankündigung McCains über sämtliche Fernsehkanäle. Obama dürfte nicht “amused” gewesen sein.

Zeit zu handeln

Das McCain-Team sagt dazu, der Senator sei bei Gesprächen mit Abgeordneten seiner Partei davon überzeugt worden, dass eine gemeinsame Erklärung nicht genug sei. In der Hauptnachrichtensendung von CBS sagte McCain: “Dies ist nicht die Zeit für Statements. Ich glaube, dass die Amerikaner mehr von uns erwarten. Jetzt ist die Zeit zu handeln.”

Das sieht Barack Obama zwar ähnlich, aber er fürchtet sich ganz offensichtlich nicht vor dem direkten Zusammentreffen mit seinem Rivalen: “Es ist Teil des Präsidentenjobs, mehr als eine Sache zur Zeit zu erledigen – also gibt es keinen Grund dafür, dass wir nicht gleichzeitig bei der Erarbeitung des Rettungsplans helfen und den Amerikanern darlegen, woran wir glauben, wofür wir stehen und wo wir das Land hinführen wollen”, so der 47-Jährige in einer Pressekonferenz am Abend.

Hillary Clintons demokratischer Senatskollege aus New York, Chuck Schumer, hielt sich nicht mit Kritik an McCain zurück: “Hier geht es nicht um die bessere Politik – hier geht es darum, dem anderen eine Nasenlänge voraus zu sein.”

Auch der Politikwissenschaftler Kleinsteuber sieht die Aktion McCains als Notnagel. “Das war eine reine Defensivstrategie. ” Die Krise sei der Super-GAU für McCain, den ausgewiesenen Wirtschafts-Anfänger. Denn nicht nur hat er auf dem Gebiet nichts zu bieten – er hat auch in den vergangenen beiden Bush-Legislaturperioden vielfach mit dem Präsidenten gestimmt. Das lässt ihn nicht kompetenter erscheinen.

McCains Schachzug schien also geschickt. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten könnte er sich aber als Schuss erweisen, der nach hinten losgeht.

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