God Bless America

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God bless America

Von Andrea Böhm | © ZEIT ONLINE 26.9.2008 – 19:13 Uhr

Nicht nur die politischen Aktien der Supermacht sind auf Talfahrt, auch der amerikanische Traum verwandelt sich für immer mehr Menschen in einen faulen Kredit. Teil zwei unserer Serie “Wimp Watch”

Noch 39 Tage bis zur Präsidentschaftswahl am 4. November. Die Momentaufnahme Ende September, kurz vor dem ersten Fernsehduell zwischen John McCain und Barack Obama:

Amerikas größte Sparkasse, Washington Mutual, ist gerade pleite gegangen. Das staatliche Rettungspaket für das Finanzwesen ist vorerst im US-Kongress gescheitert. Jede Woche verlieren ein paar Tausend weitere Familien wegen der Hypothekenkrise ihr Haus. In Texas räumen die Menschen immer noch die Trümmer von Hurrikan Ike beiseite. Bei der UN-Generalversammlung, gewöhnlich nicht viel spannender als eine Folklore-Aufführung, hagelte es verbale Ohrfeigen für die USA, während Sarah Palin, potenzielle (Vize)-Präsidentin, dort ihr außenpolitisches Image bei Fototerminen mit Hamid Karzai aufpolierte und sich vor allem für die Vornamen seiner Kinder interessiert haben soll.

God bless the United States of America, möchte man wieder mal ausrufen. Sie haben es wirklich nötig. Nicht nur die politischen Aktien der Supermacht sind auf Talfahrt, auch der amerikanische Traum verwandelt sich für immer mehr Menschen in einen faulen Kredit.

Und die Kandidaten? Die suchen beide wie weiland Moses nach zehn oder wenigstens drei Geboten für einen Weg aus der Krise – und müssen dabei auch noch wie Moses wirken.

Bei Barack Obama fragt man sich, warum der Mann nicht endlich mal (kontrolliert) aus der Haut fährt und Richtung Weißes Haus “Schluss mit dem Bullshit” ruft. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat ihm in den Meinungsumfragen zwar wieder Auftrieb gegeben. Aber bei seinen Auftritten wirkt er so cool und distinguiert wie Sidney Poitier in seinen Filmen. Sein Enthusiasmus, den er vor seinen Wählern entfaltet, erscheint seltsam höflich. Bloß nicht wütend aussehen – das, so glaubt man im Lager Obamas, verschreckt die Weißen.

It’s the economy, stupid, es geht um die Wirtschaft, Dummkopf – so hieß 1992 das Wahlkampf-Motto von Bill Clinton. Der gewann nicht nur mit politischen Ideen, sondern auch mit viel süffigem Südstaaten-Pathos. 2008 lautet das Motto: It’s all about about fear and anger, stupid, es geht um Angst und Wut, Dummkopf.

Angst vor der Pleite, vor dem Verlust des Hauses oder der Altersvorsorge, Wut auf Wall Street, auf die Hurrikan-Saison, den Irak-Krieg. Nichts liegt Obama ferner als Bill Clintons anbiedernde “I-can-feel-your-pain”–Auftritte. Aber etwas wohldosierte Empörung käme bei weißen Wählern aus der Mittelschicht durchaus an.

Was nun mit John McCain? Der ließ mit viel Trara seinen Wahlkampf unterbrechen, um zur Rettung des Landes und seiner Banken gen Washington zu eilen, und wollte deswegen auch die für heute Abend angesetzte erste Fernsehdebatte mit Obama verschieben lassen. Dieser Plan scheiterte jetzt.

Wie Super-Moses sieht das nicht aus, eher schon wie der Zick-Zack-Kurs eines verschreckten Huhns. McCain, der einst mit durchaus sympathischer Ehrlichkeit zugab, von Wirtschaft nicht viel zu verstehen, machte diesem Bekenntnis alle Ehre, als er zu Beginn der Finanzkrise die Grundlagen der amerikanischen Wirtschaft als “stark” bezeichnete. 36 Stunden später hatten ihn seine Berater überzeugt, dass “totale Krise” wohl doch die treffendere Beschreibung wäre.

Seitdem sucht der Mann sowohl nach geeigneten Worten wie geeigneter Pose – und muss sich zudem fragen, ob die wichtigsten Frauen in seinem Wahlkampfteam nicht bald zur größten Belastung werden. Sarah Palins Wahlkampfmanager lassen immer noch keine Journalisten mithören, wenn ihre Kandidatin mit anderen Politikern Sachfragen erörtert. Dahinter steckt die berechtigte Angst, dass Palins ökonomische Ahnungslosigkeit Amerikas Romanze mit der Elchjägerin schnell beenden könnte.

McCains Frau für den harten ökonomischen Sachverstand hat ebenfalls Imageprobleme. Carly Fiorina, Spitzname “Kettensägen-Carly”, Spendensammlerin und Chefberaterin des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, war Top-Managerin des Computer-Unternehmens Hewlett Packard, hat nach einer Fusion mit der Firma Compaq 15.000 Mitarbeiter entlassen – bis sie dann wenige Jahre später wegen fallender Gewinne selbst gefeuert wurde. Allerdings mit einer Abfindung von mehr als 20 Millionen Dollar. Eine typische amerikanische Erfolgsstory aus den höchsten Etagen. Aber keine, welche die Wähler in diesen Tagen goutieren werden.

It’s all about anger, stupid!

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