29.09.2008
Der USA-Wähler ist so klug wie zuvor
Erste Fernsehdebatte der Präsidentschaftskandidaten Obama und McCain endete unentschieden
Vom Max Böhnel, New York
Die erste von insgesamt drei Fernsehdebatten zwischen den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain sah keinen eindeutigen Sieger. Umso mehr werkelten die Wahlkampfstrategen nach dem 90-minütigen Schlagabtausch am »spin« der Kunst, die Schwächen des gegnerischen Kandidaten zum Sieg für den eigenen umzudeuten.
Ursprünglich hätte in der ersten Debatte am Freitagabend ausschließlich das Thema Außenpolitik behandelt werden sollen. Aber der bekannte Fernsehmoderator Jim Lehrer, der als Fragesteller und Stichwortgeber fungierte, sprach zu Beginn das seit zwei Wochen alles beherrschende Thema an: die Finanzkrise und den geplanten Aufkauf von Bankschulden durch den Staat, der die Steuerzahler der USA um die 700 Milliarden Dollar kosten wird. Die Kandidaten blieben allerdings konkrete Antworten schuldig. Obama sagte, sowohl den Bankern an der »Wall Street« als auch den Mittelschichtsangehörigen der »Main Street« müsse unter die Arme gegriffen werden. Zudem müsse das aus dem Ruder gelaufene Finanz- und Bankensystem stärker reguliert werden. McCain forderte, die Schuldigen an der Krise müssten zur Verantwortung gezogen werden. Die wichtigste Lehre sei die Senkung der Staatsausgaben.
Obama konterte an die Adresse McCains, der habe 300 Milliarden Dollar an Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen versprochen, worauf McCain das seit Jahren von den Republikanern an die Wand gemalte Schreckgespenst heraufbeschwor: Der Demokrat werde die Steuern erhöhen. Doch auf Obamas Erwiderung, er werde für 95 Prozent der Bevölkerung Steuersenkungen durchsetzen und nur Besserverdienende über ein Jahreseinkommen von 250 000 Dollar stärker zur Kasse beten, ging McCain nicht mehr ein. Er sehe Obama »sehr weit links«, und von dieser Position aus sei es »schwer, eine parteiübergreifende Lösung« der Finanzkrise zu finden.
Der Demokrat Obama gestand ein, das Milliardenpaket für die Banken werde das nächste Staatsbudget erheblich belasten, als Präsident werde er die Löcher im sozialen Netz nicht noch größer machen oder Investitionen in alternative Energien auf Eis legen. McCain sagte, er werde an allem den Rotstift ansetzen, außer »Verteidigung und soziale Leistungen für Kriegsveteranen«. Worauf Obama antwortete, bei Haushaltskürzungen sei nicht »die Axt, sondern ein Skalpell« nötig.
In der zweiten Hälfte der Debatte ging es dann doch um Außenpolitik, wobei die Kandidaten altbekannte Positionen wiederholten. McCain distanzierte sich in Sachen Irakkrieg von der Bush-Regierung, indem er ihr eine falsche Strategie vorwarf, und kritisierte Obama, der sich sträube anzuerkennen, »dass wir in Irak gewinnen«. Seit der Truppenverstärkung habe sich das Bild drastisch verändert. Obama kritisierte die Entscheidung der Bush-Regierung und McCains, Irak anzugreifen. Der Irakkrieg habe »2003, nicht letztes Jahr begonnen«. Al-Qaida sei in den vergangenen Jahren stärker geworden, man müsse sich endlich aus Irak zurückziehen und sich Afghanistan und Pakistan zuwenden.
Nach Blitzumfragen hielt eine leichte Mehrheit der Fernsehzuschauer den Auftritt Obamas für überzeugender als den McCains. Die Kommentatoren diverser Fersehsender waren sich einig, es habe keinen klaren Sieger gegeben, während sich Vertreter der Wahlkampfteams im Brustton der Überzeugung und in Verdrehung der Tatsachen, dem »spin« ihren jeweiligen Kandidaten zum eindeutigen Sieger erklärten. Eine Gesamtübersicht von Umfragen, die die Webseite realclearpolitics.com erstellte, ergab eine Führung Obamas mit 47,9 Prozent vor McCain mit 43,6 Prozent.
Obama ließ am Wochenende Fernsehwerbung veröffentlichen, in der er McCain vorwarf, während der Debatte am Freitag »kein einziges Mal den Begriff Mittelschicht« verwendet zu haben. Während der Demokrat weitere Wahlkampfauftritte vor Tausenden absolvierte, zog sich McCain nach Washington zurück, angeblich, um »hinter den Kulissen« an der überparteilichen Verabschiedung des Milliardenpakets für die Banken mitzuwirken. In dieser Sache wird sein »spin« zu Wochenbeginn erwartet.
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