TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten: Palin meidet neue Pannen
In jüngsten Umfragen war Sarah Palin fast schon zur Belastung für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain geworden, auch wegen peinlicher Fernsehinterviews. Doch im TV-Duell mit Obamas Vize-Kandidaten Joe Biden zieht sich Palin durchaus achtbar aus der Affäre – und kaschiert Wissenslücken mit Volkstümlichkeit.
Hinter Sarah Palin lagen die schwierigsten vier Wochen ihrer politischen Karriere, als sie am Donnerstagabend auf die Debatten-Bühne der Washington-Universität in St. Louis trat. Palins erste TV-Interviews als Überraschungskandidatin der US-Republikaner für die Vizepräsidentschaft waren desaströs verlaufen, sie hatte Wissenslücken offenbart und sich in sinnfreien Bandwurmsätzen verloren, in der Partei machte sich Unbehagen breit. Vor den Augen der Nation musste die Gouverneurin von Alaska nun gegen ihren demokratischen Konkurrenten Joe Biden bestehen – und überraschte zumindest durch selbstbewusstes Auftreten, mit dem sie ihre bisweilen ausweichenden Antworten zu kaschieren versuchte.
Beim Betreten der Bühne haucht Palin Küsschen ins Publikum, ihren Gegner begrüßt sie salopp: “Hey, kann ich Sie einfach Joe nennen?” Die fünffache Mutter versucht gar nicht erst, den Senatsveteranen Biden in Detailkenntnis zu übertrumpfen, sondern präsentiert sich als alltagskluge Bürgerin, die mit der unpopulären Politik in Washington nichts zu tun habe. “Es ist ja ganz offensichtlich, dass ich von außerhalb Washingtons komme und mich nicht auskenne, wie ihr hier so funktioniert”, sagt sie. “Ich beantworte Fragen vielleicht nicht, wie die Moderatoren es wollen, sondern ich rede einfach zum amerikanischen Volk.” Und in entwaffnender Offenheit überlegt sie: “Wie lange bin ich jetzt schon dabei? Fünf Wochen?”
Seit Palins überraschender Nominierung durch Präsidentschaftskandidat John McCain hat sich freilich rasch gezeigt, dass ihr das Schicksal einer politischen Sternschnuppe drohen könnte – schnelles Verglühen nach gleißendem Aufleuchten. Mit einem flammenden Auftritt auf dem republikanischen Parteitag hatte sie zunächst die Herzen der Partei erobert. In ihren wenigen öffentlichen Äußerungen seither zeigte sie sich aber unsicher in der Außen- und Finanzpolitik, und mit ihrer Behauptung, dass allein die geografische Nähe ihrer Heimat Alaska zu Russland als außenpolitischer Erfahrungsnachweis zähle, setzte sich sich weit verbreitetem Spott aus.
Jüngste Umfragen zeigten, dass Palin für den Kandidaten McCain zur Last wird. Einflussreiche Konservative wie die Kolumnistin Kathleen Parker bezeichneten sie als “Peinlichkeit” und rieten ihr zum Rücktritt. Palins einzige Vorgabe für das TV-Duell war, peinliche Ausrutscher zu vermeiden, welche den ohnehin schleppenden Wahlkampf McCains beschädigen könnten.
Palins Waffe in der TV-Debatte ist konsequente Volkstümlichkeit. Immer wieder geißelt sie “Gier und Korruption” an der Wall Street, die für die gegenwärtige Finanzkrise verantwortlich seien. Die Hobbyjägerin berichtet von den “Sorgen der Eltern auf dem Fußballplatz” über die schlechte Wirtschaftslage. Sie spricht von Soldatenmüttern, erwähnt ihr behindertes Kind und würzt ihre Ausführungen mit Umgangssprache. Nachfragen von Moderatorin Gwen Ifill weicht Palin entschlossen aus, um sich keine Blößen zu geben. Als Ifill etwa nach ihren Plänen für überschuldete Privathaushalte fragt, entgegnet Palin: “Ich will jetzt über Energiepolitik reden.”
Palins Antworten wirken nicht immer wie das Ergebnis tiefen politischen Nachdenkens, sondern wie ein Leistungsnachweis ihres vorangegangenen Debattentrainings auf McCains Ranch in Arizona. Peinliche Ausrutscher, auf die viele der Zuschauer gewartet haben mögen, gibt es nicht. Der Demokrat Biden widersteht in der Debatte der Versuchung, Palin aufs Glatteis zu locken oder sie direkt anzugreifen. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, als arroganter Macho dazustehen. Stattdessen konzentriert er seine Kritik ganz auf McCain.
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