Wingless Raptors andLow-Energy Lightning Bolts

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Raubvögel ohne richtige Flügel und Blitze ohne genügend Energie

Von René Heilig

Neue Militärjets sollen alte Überlegenheit stabilisieren, doch die Wünsche fliegen sehr hoch

Technisch gesehen ist die F-35 ein Wunderding. Vom militärischen Standpunkt aus ist das Kampfflugzeug mit dem Beinamen »Lightning II« (Blitz) entweder gnadenlos überlegen oder einfach tödlich. Das kommt auf den jeweiligen Standpunkt an. Das Problem an diesem weltweit bislang größten Rüstungsprojekt in der Militärluftfahrt ist: Den USA fehlt allein das Geld, um es zu verwirklichen.

Es ist mit der F-35 dasselbe »Spiel« wie vor einigen Jahren als die F-22 »Raptor« – was so viel bedeutet wie »Raubvogel« – abheben sollte. Laut Pentagon hat man einen Bedarf von 380 Maschinen errechnet und den Einsatz der Flugzeuge auch als dringend bezeichnet. Denn die zahllosen Kriege und Scharmützel, die das Weiße Hause gemeinsam mit dem Pentagon in aller Welt angezettelt hat, ermüden nicht nur Volk, Soldaten und Politiker. Auch das Material gibt seinen »Geist« auf. Beispiel: die F-15. Der Jet, der ob seiner Vielseitigkeit in aggressiven Zeiten wie kein Zweiter in der US-Air-Force gefordert ist, kommt kaum noch in die Luft. Und wenn, dann zerfällt er, einfach so im Fluge. Die gesamte Flotte musste am Boden bleiben, als sich am 2. November 2007 eine F-15C der Air-National-Guard bei einem Routineflug zerlegte. Materialermüdung, stellten Experten als Ursache fest. Kaum einen Monat später wurden erneut alle F-15-Maschinen »geerdet«. Zwar verfügen die US-Streitkräfte über rund 400 Maschinen vom Typ F-15 A bis D, doch nur 170 sind einsatzfähig.

Noch nie zuvor war die US-Air-Force so klein, noch nie zuvor besaß die stärkste Luftmacht der Welt so wenige Maschinen. Hätte man nicht vor einigen Jahren die F-15 zur E-Variante aufgemotzt, könnte Bush heute lediglich noch mit Oldtimern Weltherrscher spielen. Doch die 220 Exemplare der F-15E »Strike Eagel« geben ihm noch immer einen gewissen militärischen Spielraum. Derzeit vor allem in Afghanistan, wo die F-15 allerdings nur in Verbindung mit ihren fliegenden Leitstationen, den AWACS-Maschinen, Hightech verkörpern.

Das alles sollte sich verbessern mit den Typen F-22 »Raptor« und vor allem auch mit der F-35 »Lightning II«. Doch diese Verbesserung der US-amerikanischen Kampfkraft kann niemand bezahlen. Schon gar nicht der marode US-Staat, der derzeit von einer der schwersten wirtschaftlichen Krisen seit Jahrzehnten in Haftung genommen wird. In den kommenden Jahren muss das Pentagon – laut einer internen Studie – mit rund 55 Milliarden Dollar weniger auskommen. Dazu steigen die Kosten für die Truppen und die Technik in Irak und Afghanistan.

Die F-35, geplant in drei Modifikationen, soll insbesondere die F-16-Jets der Luftwaffe und die verschiedenen F-18-Modifikationen von Navy und Marine Corps ersetzen. Die Air-Force will 1763 Stück, Navy und Marine Corps je 340 aufstellen. Doch seit Jahren gibt es zahlreiche Entwicklungsprobleme, die die Pläne des Pentagons und der Haushälter in Senat und Repräsentantenhaus immer wieder über den Haufen werfen. Nicht nur technisch, auch finanziell.

Seit 2001 sind die Beschaffungskosten für die F-35 offiziell um 28 Prozent gestiegen. Damals sollte die einfachste Variante eines Flugzeuges – nackt, also ohne Bewaffnung und Gerät – rund 30 Millionen Dollar kosten. Inzwischen liegt man bei 90 Millionen pro A-Variante. Für einen B- oder C-Jet muss man mindestens ein Drittel drauflegen.

Was tun? Wie üblich streckt man das Projekt. Der Etat ist derzeit so berechnet, dass die letzte F-35 in knapp 40 Jahren das Laufband verlassen würde. Dann jedoch wird das Militär wohl schon ganz andere Mordwerkzeuge verlangt haben – Maschinen, die ohne Piloten den Erdball umkreisen und zielsicher Raketen zu beliebigen Zeiten in beliebige Dachluken oder auf Hochzeitsgesellschaften abfeuern können. Zudem hat Hersteller Lockheed Martin seine Fertigungslinien so geplant, dass man pro Monat fast 20 »Blitze« ausliefern kann.

In Washington setzt man daher derzeit große Hoffnungen auf die Verbündeten. Großbritanniens Luftwaffe und Marine wollen 138 F-35 einsetzen, Italien 131 (die im Stiefelland selbst gebaut werden sollen) und die Niederlande 85 Maschinen. Die Türkei und Australien rechnen mit je 100 Jets, Norwegen und Dänemark würden je 48 abnehmen, Kanada hat 60 als Bedarf errechnet und Israel, das sich später in die Gemeinschaft eingekauft hat, bekundete Interesse an 75 F-35. Insgesamt, so glaubt man bei Lockheed Martin, könnte man 4000 »Blitze« herstellen – wenn das Geld zur Verfügung stünde. Und so versuchen es Pentagon und Lockheed mit einem Lockangebot.

Bis zum Jahresende sollten alle am Waffensystem Interessierten einfach mal zehn Prozent des Kaufpreises überweisen. Mit dem vorgeschossenen Geld könnte man Teile billiger bei Zulieferern einkaufen, die Serienproduktion auf hohem Niveau starten und so den Stückpreis moderat halten. Der Trick ist so neu nicht, schließlich haben es die USA schon immer verstanden, ihr Haushaltsdefizit gewinnbringend an die Welt weiterzureichen. Warum sollte es in der Rüstung anders laufen als auf dem Bankensektor?!

Der Erpressungsdeal scheint zu funktionieren. In der vergangenen Woche ging folgende Information durch Insiderkreise: Israel kauft F-35 für 15,2 Milliarden Dollar. Das ist der erste Verkauf des brandneuen Kampfjets ins Ausland überhaupt. Israel will den Kampfjet zum Rückgrat seiner Luftwaffe machen. Man weiß, wie »effektiv« der kleine Staat handeln kann, um seine Nahost-Hegemonie zu sichern.

Auch Staaten wie Spanien, Singapur und Japan haben Interesse an dem US-Kampfjet bekundet.

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