Florida Wavers

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Florida wankt

von Benjamin Dierks

In dem Bundesstaat kämpft John McCain gegen eine Niederlage an. Noch vor wenigen Wochen galt er dort als Favorit. Sein Abstieg im Sunshine State ist ein Symbol für all die Probleme, die seinen Wahlkampf landesweit plagen.

Brian Cordoba druckst herum. “Wir haben nicht mehr dieselben Probleme wie unsere Eltern, für die es 40 Jahre lang nur darum ging, wie die amerikanische Regierung mit Fidel Castro umgeht”, sagt er. Der Filmstudent steht im Hof des Miami-Dade College im Zentrum der Metropole in Südflorida. Brian sagt es nicht – aber es ist ihm anzumerken, dass er seine Stimme bei der Präsidentschaftswahl am 4. November dem Demokraten Barack Obama geben will. Das zuzugeben ist allerdings nicht leicht für einen Sohn von Exilkubanern in Florida.

Denn bisher gehörte diese Gruppe zu den treuesten Wählern der Republikaner. Unter älteren Exilanten, die sich in großer Zahl in Florida niedergelassen haben, hat sich daran auch wenig geändert. “Obama spricht viel von Wandel”, sagt Enrique, ein Kubaner, der vor 48 Jahren nach Miami geflohen ist. “Das hat Fidel Castro am Anfang auch getan.” Enrique hat es zu etwas gebracht in Amerika, er ist vom Rosenverkäufer zum Firmenchef mit 2500 Angestellten aufgestiegen. Für ihn ist Obama ein Populist, die Steuerpläne des Demokraten nennt er sozialistisch. “Niemand aus der ersten Generation der Exilkubaner wird Obama wählen”, sagt er.

Gegen dieses Dogma will dieses Jahr nicht nur Brian Cordoba rebellieren. “Meine Mutter hat 2000 noch George W. Bush gewählt, heute gibt sie ihre Stimme Obama”, sagt auch Fany Martinez, die sich am Miami-Dade College zur Sozialarbeiterin ausbilden lässt. Es gebe zwar diese Gerüchte, Obama sei Kommunist. In Zeiten aber, in denen ihre Eltern um die Finanzierung ihres Hauses kämpfen müssten, sei kein Platz mehr für die alten Grabenkämpfe, sagt die Studentin.

Brian und Fany zeigen, dass John McCain in Florida ein großes Problem hat. Denn eigentlich sollte der Bundesstaat für den republikanischen Kandidaten eine sichere Bank sein. Neben den Exilkubanern leben hier viele Rentner von der Ostküste, die republikanisch wählen. Auch die im Norden Floridas stationierten Militärangehörigen sind eine bereitwillige Wählergruppe für den Vietnamveteranen McCain.

Hinzu kommt McCains Ruf als gemäßigter Politiker. Floridas Gouverneur Charlie Crist hat den Kandidaten im Vorwahlkampf als moderaten Republikaner angepriesen, der sich nicht scheut, über Parteigrenzen hinweg nach Lösungen für Probleme zu suchen.

Damals lief es in Florida prima für McCain. Die Vorwahl in dem Bundesstaat zu gewinnen war einer seiner größten persönlichen und politischen Triumphe. Mit seinem Sieg über die Rivalen Mitt Romney und Rudolph Giuliani sicherte er sich die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Und lange Monate danach, bis Anfang Oktober, lag er in Florida in den Umfragen deutlich vor Obama.

Dann begann der Abstieg. Inzwischen führt Obama in den Umfragen, nicht in allen, aber im Schnitt der Erhebungen liegt er einen Prozentpunkt vor McCain. Der Republikaner muss hart kämpfen, wenn er den “Sonnenschein-Staat” noch gewinnen will.

Seinen Niedergang hat McCain größtenteils selbst zu verschulden. Und es ist nicht nur der Niedergang in Florida. Die Probleme, die McCain dort hat, sind die gleichen, die seinen Wahlkampf im ganzen Land plagen.

Es begann mit der Auswahl seiner Vizekandidatin. Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass McCain Crist für das Amt nominieren würde. Er entschied sich für die volkstümliche Sarah Palin aus Alaska. “Die Wahl Palins hat nicht gerade geholfen”, sagt David McPherson von der Florida State University in Tallahassee. “Die Wähler hier stellen ihre Fähigkeit infrage, das Land zu führen. Crist wäre die bessere Wahl gewesen, er ist enorm populär”, so der Experte.

Crist half McCain zwar, die eher skeptischen Republikaner in Florida von dem Plan zu überzeugen, vor der Küste nach Öl zu bohren. Er versicherte, dass die Umwelt – das größte Kapital des Touristenparadises – dabei geschützt werde. Der Ton, den McCains Wahlkampagne anschlug, klang aber deutlich anders: Mit dem Schlachtruf “Drill, Baby, drill” ging Palin auf Wählerfang. “Bohren, Baby, bohren” – das klingt nicht so recht nach Umsicht und Umweltschutz.

Die verpatzte Kommunikation beim Thema Öl war nur ein Beispiel für die Fehler, die McCain in Florida beging. Die harten Angriffe gegen Obama, etwa das Herumreiten auf dessen Freundschaft mit dem früheren militanten Kriegsgegner Bill Ayers, haben McCains Image eines Moderaten weitgehend zerstört. “Das ging nach hinten los”, sagt McPherson. “McCain war stets bekannt dafür, dass er so etwas nicht macht.”

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers hätte McCain viel früher über die Wirtschaft reden müssen. Das sei aber erst geschehen, nachdem Obamas Umfragewerte nach dem Ausbruch der Finanzkrise in die Höhe schossen.

Seitdem vergeht kein Tag, an dem McCain nicht “Joe, den Klempner” erwähnt, jenen Joe Wurzelbacher, der Obama bei dessen Besuch in Ohio sagte, dass er Angst vor seiner Steuerpolitik habe. “Es ist traurig, wenn jemand wie Joe, der Klempner, mit einer besseren Botschaft für die McCain-Kampagne aufwartet als die McCain-Kampagne selbst”, sagte der ehemalige Parteifunktionär Jaime Miller dem “Miami Herald”.

Jetzt ist McCain unter Zugzwang. Zwar war er gerade vor einer Woche in Florida. Doch danach kam Obama, pünktlich zum Frühwahlbeginn. Zwei Tage lang lockte er in ganz Florida Anhänger in Scharen zu seinen Wahlkampfauftritten – und danach in die Wahllokale. Seit Beginn der Woche kann man hier seine Stimme für den nächsten US-Präsidenten abgeben. Und deutlich über die Hälfte der Leute, die bisher gewählt haben, machten ihr Kreuz Umfragen zufolge bei Obama.

McCains Strategen sind deswegen nervös. Am Donnerstag schicken sie ihren Kandidaten auf eine Bustour quer durch den Staat. Gouverneur Crist wird wieder aktiviert, in einem Telefonat mit Reportern lobt er McCains Wirtschaftspläne. Am Mittwoch zog der in Kuba geborene republikanische Senator Mel Martinez von einem Latinoviertel zum anderen, um die Exilkubaner auf Linie zu bringen.

So viel Engagement von McCain haben die Republikaner in Florida lange vermisst. Immer offener beschweren sich Parteiaktivisten darüber, dass McCains Wahlkampfteam die Partei vor Ort ignoriert hat. Einige Republikaner bekennen öffentlich, dass sie Obama wählen werden. McCain behauptet zwar weiterhin tapfer, er habe Obama genau da, wo er ihn haben wolle. Mit jeder neuen Umfrage, die den Demokraten in Führung sieht, wird die Aussage etwas weniger glaubwürdig.

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